Kempten – Sehenswertes, Geschichte, Sagen, Mythen und Gebräuche der Region. Das „etwas andere“ Portal: Links, Landkarten, historische Ansichtskarten, Fotos, Ausflugsziele …
Unterkapitel
Allgemeines
➥ Internetauftritt der Stadt / Gemeinde
➥ Wikipediaeintrag
➥ Alemannische Wikipedia
➥ Wikisource: Historische Quellen und Schriften zu Kempten (Allgäu)
Geschichte
Historische Lexikoneinträge
Kempten (Meyers, 1907)
unmittelbare Stadt im baischen. Regierungsbezirk Schwaben, an der Iller, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien München-Lindau, Kempten-Neuulm und Kempten-Pfronten, 694 m ü. M., hat eine evangelische und eine katholische Kirche, Schloss, ein schönes Rathaus, mehrere freie Plätze mit ausgedehnten, hübschen Anlagen (Stadtpark) und (1900) mit Garnison (ein Infanteriebataillon Nr. 20) 18,864 Einwohner, davon 3722 Evangelische und 68 Juden.
Die Industrie umfasst Baumwollspinnerei und-Weberei, Papier-, Holzstoff-, Maschinen-, Strumpfwaren-, Baumwollenzwirn-, Zündhölzer-, Holzleisten-, Pulver- etc. Fabrikation, Herstellung von mathematischen Instrumenten und Bierbrauerei; der Handel der Stadt, die Stapelplatz des Allgäus ist, wird durch eine Handelskammer und eine Reichsbanknebenstelle unterstützt. Kempten hat ein Gymnasium, Realschule, Institut der Englischen Fräulein, 2 Waisenhäuser und ist Sitz eines Landgerichts, Bezirksamts, Forstamts und einer Eisenbahnbetriebsdirektion. Die städtischen Behörden zählen 14 Magistratsmitglieder und 36 Gemeinde bevollmächtigte. Auf dem nahen Lindenberg wurden bedeutende Ausgrabungen römischer Altertümer vorgenommen.
Zum Landgerichtsbezirk Kempten gehören die 10 Amtsgerichte zu Füssen, Immenstadt, Kaufbeuren, Kempten, Lindau, Oberdorf, Obergünzburg, Schongau, Sonthofen und Weiler. – Kempten, das Cambodunum der Römer, bildete vormals zwei Städte, die Alt- und die Neustadt, die stets auf feindlichem Fuße miteinander standen. Die Altstadt (im Tal) ward seit 1289 Reichsstadt, trat 1331 dem Schwäbischen Städtebund bei und nahm 1527 die Reformation an; die höher gelegene Neu- oder Stiftsstadt war der Hauptort der gefürsteten Abtei Kempten. Die Äbte des vormaligen, 773 von Hildegard, der dritten Gemahlin Karls d. Großen, errichteten Benediktinerklosters waren seit 1360 Reichsfürsten. Im Dreißigjährigen Kriege fiel Kempten 1633 und 1634 in die Hände der Kaiserlichen, doch nahmen es 1646 die Schweden wieder ein. Am 13. Nov. 1703 ward es von den Franzosen erobert. Am 17. Sept. 1796 siegten hier die Österreicher über die Franzosen. 1803 kamen Stadt und Abtei an Bayern.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 833-834. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006884784
Kempten (Damen, 1836)
Bezirk im baierschen Oberdonaukreise, von 16 Quadrat Meilen, ehemals gefürstete Abtei, welche 1803 säkularisirt wurde. Die Hauptstadt gleiches Namens, an der Iller, mit 6500 Einwohnern, war bis 1801 freie Reichsstadt, hat eine schöne Stiftskirche, Schloss, Gymnasium, Bibliothek, Wasserleitung etc. In der Nähe hat man viele römische Altertümer aufgefunden. Der Handel der gewerbtätigen Bewohner nach der Schweiz und Italien ist lebhaft; die Industrie beschäftigt sich meist mit Fabrikation von Leinwand-, Woll- und Baumwollzeugen.
Das weibliche Geschlecht zeichnet sich hier durch ausnehmende Schönheit vor den Bewohnerinnen anderer baierscher Städte aus, auch hat die gesellige Bildung fast alle Gesellschaftskreise auf eine erfreuliche Weise durchdrungen.
Quelle: Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 117-118. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20001742817
Kempten (Pierer’s 1860)
1) Landgericht im baierischen Kreise Schwaben; 71/4 QM., 17,400 Einwohner;
2) Hauptstadt an der Iller, Anhaltepunkt der Süd-Nordbahn; besteht aus zwei Teilen, der Altstadt, ehemalige protestantische Reichsstadt, im Tal, und der Neu oder katholischen Stiftsstadt auf dem Berge; Schloss, Stiftskirche, Gymnasium, Landwirtschafts- u. Gewerbeschule, 2 Spitäler, Waisenhaus, Baumwollspinnerei, Maschinenpapier- u. Zündholzfabrik, Bierbrauereien; 8000 Einwohner. Dabei das Mineralbad Aich. Wappen der Reichsstadt: halb goldener, halb schwarzer Adler, mit blauem Schild auf der Brust, der ein silbernes K zeigte.
Kempten ist das Campidona od. Campodunum der Alten; im 8. Jahrhundert wurde hier eine Abtei errichtet, angeblich von Hildegard, dritter Gemahlin Karls des Großen. Zwischen Stadt und Abt waren fortwährend Händel; der Abt wurde 1360 vom Kaiser Karl IV. in den Reichsfürstenstand erhoben (der erste Fürstabt war Heinrich von Mittelberg) und schrieb sich später Herzog von Kempten. 1361 wurde die Stadt Reichsstadt. Hier 1460 Niederlage der Truppen des Abtes durch die den Städtischen zu Hilfe gekommenen Schweizer; 1527 wurde die Reformation eingeführt; 1535 schied Kempten aus dem Schwäbischen Bunde und trat zur Schmalkaldischen Einigung. Im Schmalkaldischen Kriege unterlag Kempten der katholischen Partei, wurde aber durch Kurfürst Moritz von Sachsen gerettet; und im Westfälischen Frieden wurde dem Fürstabt die Landeshoheit, der Stadt ihre Reichsunmittelbarkeit zugesichert; den 13. November 1703 von den Franzosen und Baiern erobert; 17. September 1796 Treffen zwischen den Österreichern und Franzosen, Erstere Sieger; 1802 kam Abtei und Stadt an Baiern; jene hatte ein Gebiet von fast 20 QM. und 42,000 Einwohner, diese 3200 Einwohner
Quelle: Pierer’s Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 426-427. Permalink:http://www.zeno.org/nid/20010227342
Ortsbeschreibung von Merian
➥ https://de.wikisource.org/wiki/Topographia_Sueviae:_Kempten
Karten
➥ Luftlinie-org berechnet die Luftlinienentfernung
sowie die Straßenentfernung zwischen zwei Orten und stellt beide auf der Landkarte dar. Startort ist Kempten, den Zielort müssen Sie noch wählen. Voreingetragen ist ➥ Bisoro in Burundi
Karte eingebunden aus OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL
Fotos & Abbildungen
➥ Bildersammlung auf Wikimedia-Commons
➥ Abbildungen auf Tumblr
➥ Infos und Fotos auf Pinterest
➥ Filme in der ARD-Retro-Mediathek (Filmbeiträge der 60er-Jahre)
Historische Ansichtskarten
Kunst, Kultur und Brauchtum
➥ Kultur und Sehenswürdigkeiten (Wikipedia)
➥ Abbildungen auf ‚Bildindex‘
➥ Bilder auf ‚Google-Art‘
➥ Kempten auf ‚Zeno-Org‘
➥ Suchfunktion nutzen für Kempten auf leo-bw.de
(Karten, Archivmaterialien und Luftaufnahmen vom Landesarchiv Baden-Württemberg)
➥ Alphabetisch sortiertes Verzeichnis auf www.kloester-bw.de
Beschreibungen vom Landesarchiv Baden-Württemberg
Ausflüge und Sehenswertes
➥ Wikivoyage – Projekt der Wikimedia
➥ Wikitravel – der freie Reiseführer
Webcams
➥ Webcams in Kempten und Umgebung
Nachbargemeinden
➥ angrenzende Städte und Gemeinden (aus Wikipedia)
Teilgemeinden und Ortschaften
➥ Ortschaften und Wohnplätze von Kempten (aus Wikipedia)
Sagen, Mythen und Geschichten
Die Hildegardsquelle in Kempten
Die Sage weiß vieles von der Kaiserin Hildegard und deren Gemahl, dem Kaiser Karl dem Großen, und ihrem Aufenthalte auf der Burg zu Kempten zu erzählen. Auch die Auffindung einer Quelle, die der Kaiserin Namen trägt und wegen ihres trefflichen Trinkwassers sehr geschätzt ist, wird der Kaiserin zugeschrieben.
Als nämlich Karl in Rom beim Papste weilte, wurde eben ein herrliches Kirchenfest gefeiert, an dem auf wunderbare Weise die Unschuld der Kaiserin Hildegarde ans Tageslicht kam, die auf Verleumdung Taland’s vordem vom Kaiser war verstoßen worden. Nachdem die beiden Gatten unter dem Jubel der Menge sich gefunden und die Festlichkeit vorüber war, schickte sich der Kaiser an, mit seiner Gemahlin und seinem großen Gefolge wieder in die deutsche Heimat zurückzukehren. Auch der Ort Kempten sollte berührt werden, für dessen neues Kloster Hildegard viele Heiltümer und Geschenke des Papstes mit sich führte.
Als der reisige Zug mit all dem Tross und zahlreichem Gefolge auf staubigen Wegen bei sengender Hitze gen Kempten herangezogen kam, war allenthalben Klage über Wassermangel. Da wies die Kaiserin Hildegard, als Naturkundige im Volke hochangesehen und durch früheren Aufenthalt mit der Gegend vertraut, nicht ferne von der Stadt, wo der Zug Rast hielt, auf eine reiche Quelle, die frisch und klar einem nahen Hügel entsprang. Hier wurden nun alle, Menschen und Tiere, von der Quelle erquickt und ersattet, wie in alten Schriften geschrieben steht, und noch heute fließt diese „Hildegardis-Quelle“ an dem Orte, der ehedem der Schwaighof hieß, jetzt aber als Schwaighausen einen Vorort der Stadt Kempten bildet.
Fußnote: *Um die alte Sage aber der Vergessenheit zu entrücken, ward in neuerer Zeit bei der Quelle, die neu gefasst und mit schattigen Anlagen umgeben wurde, das Bildnis der Kaiserin und eine Inschrift angebracht.
Quelle: Reiser: Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus, Kempten, 1895, Nr. 544, S.448 ff. Link: https://www.google.de/books/edition/Sagen_gebräuche_und_sprichwörter_des_A/yNwNAQAAIAAJ
Die Sage von Heinrich von Kempten
Kaiser Otto der Große wurde in allen Landen gefürchtet und war strenge und ohne Milde und trug einen schönen roten Bart; was er bei diesem Barte schwur, machte er wahr und unabwendlich. Nun geschah es, dass er zu Babenberg (Bamberg) eine prächtige Hofhaltung hielt, zu welcher geistliche und weltliche Fürsten des Reiches in großer Zahl kommen mussten. Ostermorgens zog der Kaiser mit allen diesen Fürsten in das Münster, um die feierliche Messe zu hören, unterdessen in der Burg zu dem Gastmahl die Tische bereitet wurden; man legte Brot und setzte schöne Trinkgefäße ringsum. An des Kaisers Hof diente aber dazumal auch ein edler und vornehmer Knabe; sein Vater war Herzog in Schwaben und hatte nur diesen einzigen Erben.
Dieser schöne Jüngling kam von ungefähr vor die Tische gegangen, griff nach einem linden Brot mit seinen zarten, weißen Händen, nahm es auf und wollte essen, wie alle Kinder sind, die gerne in hübsche Sachen beißen, wonach ihnen der Wille steht. Wie er nun ein Teil des weißen Brotes abbrach, ging da mit seinem Stabe des Kaisers Truchsess, welcher die Aufsicht über die Tafel haben sollte; der schlug zornig den Knaben aufs Haupt, so hart und ungefüge, dass ihm Haar und Haupt blutig ward. Das Kind fiel nieder und weinte heiße Tränen, dass der Truchsess gewagt hätte, es zu schlagen. Das ersah ein auserwählter Held, genannt Heinrich von Kempten, der war mit dem Kinde aus Schwaben gekommen und dessen Zuchtmeister; heftig verdroß es ihn, dass man das zarte Kind so unbarmherzig geschlagen hatte, und fuhr den Truchsessen, seiner Unzucht wegen, mit harten Worten an. Der Truchsess sagte, dass er kraft seines Amtes allen ungefügten Schälken am Hofe mit seinem Stabe wehren dürfe. Da nahm Herr Heinrich einen großen Knüttel und spaltete des Truchsessen Schädel, dass er wie ein Ei zerbrach und der Mann tot zu Boden sank.
Unterdessen hatten die Herren Gott gedient und gesungen und kehrten zurück; da sah der Kaiser den blutigen Estrich, fragte und vernahm, was sich zugetragen hatte. Heinrich von Kempten wurde auf der Stelle vorgefordert, und Otto, von tobendem Zorn entbrannt, rief: „Dass mein Truchsess hier erschlagen liegt, schwöre ich an Euch zu rächen; sam mir mein Bart!“ Als Heinrich von Kempten diesen teuren Eid ausgesprochen hörte und sah, dass es sein Leben galt, fasste er sich, sprang schnell auf den Kaiser los und begriff ihn bei dem langen, roten Barte. Damit schwang er ihn plötzlich auf die Tafel, dass die kaiserliche Krone von Ottos Haupte in den Saal fiel; und zuckte – als die Fürsten, den Kaiser von diesem wütenden Menschen zu befreien, herzusprangen – sein Messer, indem er laut ausrief: „Keiner rühre mich an, oder der Kaiser liegt tot hier!“ Alle traten hinter sich, Otto, mit großer Not winkte es ihnen zu; der unverzagte Heinrich aber sprach: „Kaiser, wollt Ihr das Leben haben, so tut mir Sicherheit, dass ich genese!“ Der Kaiser, der das Messer an seiner Kehle stehen sah, bot alsbald die Finger in die Höhe und gelobte dem edlen Ritter bei kaiserlichen Ehren, dass ihm das Leben geschenkt sein solle.
Heinrich, sobald er diese Gewissheit hatte, ließ er den roten Bart aus seiner Hand und den Kaiser aufstehen. Dieser setzte sich aber ungezögert auf den königlichen Stuhl, strich sich den
Bart und redete in diesen Worten: „Ritter, Leib und Leben habe ich Euch zugesagt; damit fahrt Eurer Wege, hütet Euch aber vor meinen Augen, dass sie Euch nimmer wieder sehn, und räumt mir Hof und Land! Ihr seid mir zu schwer zum Hofgesind, und mein Bart müsse immerdar Euer Schermesser meiden!“ Da nahm Heinrich von allen Rittern und Bekannten Urlob und zog gen Schwaben auf sein Land und Feld, das er vom Stifte zu Lehen trug; lebte einsam und in Ehren.
Danach über zehn Jahre begab es sich, dass Kaiser Otto einen schweren Krieg führte, jenseits des Gebirges, und vor einer festen Stadt lag. Da wurde er nothaft an Leuten und Mannen und sandte heraus nach deutschen Landen: Wer ein Lehn von dem Reiche trage, solle ihm schnell zu Hilfe eilen, bei Verlust des Lebens und seines Dienstes. Nun kam auch ein Bote zu dem Abt nach Kempten, ihn auf die Fahrt zu mahnen. Der Abt besandte wiederum seine Dienstleute und forderte Herrn Heinrich, als dessen er vor allem bedürftig war. „Ach, edler Herr, was wollt Ihr tun?“ – antwortete der Ritter – „Ihr wisst doch, dass ich des Kaisers Huld verwirkt habe; lieber geb ich Euch meine zwei Söhne hin und lasse sie mit Euch ziehen.“ „Ihr aber seid mir nötiger als sie beide zusammen“ – sprach der Abt – „ich darf Euch nicht von diesem Zuge entbinden, oder ich leihe Euer Land andern, die es besser zu verdienen wissen.“ „Traun“ – antwortete der edle Ritter – „ist dem so, dass Land und Ehre auf dem Spiel stehen, so will ich Euer Gebot leisten; es komme, was da wolle, und des Kaisers Drohung möge über mich ergehen.“
Hiermit rüstete sich Heinrich zu dem Heerzug und kam bald nach Wälschland¹ zu der Stadt, wo die Deutschen lagen; jedoch barg er sich vor des Kaisers Antlitz und floh ihn. Sein Zelt ließ er ein wenig seitwärts vom Heere schlagen. Eines Tages lag er da und badete in einem Zuber und konnte aus dem Bad in die Gegend schauen. Da sah er einen Haufen Bürger aus der belagerten Stadt kommen und den Kaiser dagegen reiten zu einem Gespräch, das zwischen beiden Teilen verabredet worden war. Die treulosen Bürger hatten aber diese List ersonnen; denn als der Kaiser ohne Waffen und arglos zu ihnen ritt, hielten sie gerüstete Mannschaft im Hinterhalte und überfielen den Herrn mit frechen Händen, dass sie ihn fingen und schlügen. Als Herr Heinrich diesen Treubruch und Mord geschehen sah, ließ er Baden und Waschen, sprang aus dem Zuber, nahm den Schild mit der einen und sein Schwert mit der andern Hand und lief bloß und nackend nach dem Gemenge zu. Kühn schlug er unter die Feinde, tötete und verwundete eine große Menge und machte sie alle flüchtig. Darauf löste er den Kaiser seiner Bande und lief schnell zurück, legte sich in den Zuber und badete nach wie vor. Otto, als er zu seinem Heer wieder gelangte, wollte erkundigen, wer sein unbekannter Retter gewesen wäre; zornig saß er im Zelt auf seinem Stuhl und sprach: „Ich war verraten, wo mir nicht zwei ritterliche Hände geholfen hätten; wer aber den nackten Mann erkennt, führe ihn vor mich her, dass er reichen Lohn und meine Huld empfange: kein kühnerer Held lebt hier noch anderswo.“
Nun wussten wohl einige, dass es Heinrich von Kempten gewesen war; doch fürchteten sie, den Namen dessen auszusprechen, dem der Kaiser den Tod geschworen hatte. „Mit dem Ritter“ – antworteten sie – „steht es so, dass schwere Ungnade auf ihm lastet; möchte er deine Huld wieder gewinnen, so ließen wir ihn vor dir sehen.“ Da nun der Kaiser sprach: „Und wenn er ihm gleich seinen Vater erschlagen hätte, solle ihm vergeben sein“, nannten sie ihm Heinrich von Kempten. Otto befahl, dass er alsobald herbeigebracht würde; er wollte ihn aber erschrecken und übel empfahlen.
Als Heinrich von Kempten hereingeführt war, gebärdete der Kaiser sich zornig und sprach: „Wie getrauet Ihr mir unter Augen zu treten? Ihr wisst doch wohl, warum ich Euer Feind bin, der Ihr meinen Bart gerauft und ohne Schermesser geschoren habt, dass er noch ohne Locke steht. Welch hochfärtiger Übermut hat Euch jetzt daher geführt?“ „Gnade, Herr“ – sprach der kühne Degen – „ich kam gezwungen hierher, und mein Fürst, der hier steht, gebot es bei seinen Hulden. Gott sei mein Zeuge, wie ungern ich diese Fahrt getan; aber meinen Diensteid musste ich lösen. Wer mir das übel nimmt, dem lohne ich so, dass er sein letztes Wort gesprochen hat.“ Da begann Otto zu lachen: „Seid mir tausendmal willkommen, Ihr auserwählter Held! Mein Leben habt Ihr gerettet; das musste ich ohne Eure Hilfe verloren haben, seliger Mann.“ So sprang er auf, küsste ihm Augen und Wangen. Ihr zweier Feindschaft war dahin und eine lautere Sühne gemachet; der hochgeborne Kaiser lieh und gab ihm großen Reichtum und brachte ihn zu Ehren, deret man noch gedenket. Quelle: Reiser: Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus, Kempten, 1895, Nr. 544, S.448 ff. https://www.google.de/books/edition/Sagen_gebräuche_und_sprichwörter_des_A/yNwNAQAAIAAJ
Anmerkung: Reiser gibt als Quelle „Grimm, Deutsche Sagen“ an
Heinrich Findelkind von Kempten
Der Mayr von Kempten, von seinem Abte geliebt und durch diese Gunst, durch rastlosen Fleiß und Segen von Oben bereichert, hatte neun Söhne. Dazu wurde ihm ein zehnter Knabe bei Nachtszeit vor die Thüre seines Hauses gelegt. Die Hausfrau und Ehewirthin murrte: es seien der Kinder ohnehin schon genug. Aber der Hausherr erbarmte sich des armen Wurmes, seiner schönen Gestalt und rührenden Unschuld und so hatte er nun zehn Kinder und zog sie alle glücklich auf.
Aber er hatte Bürgschaft getan für einen Freund, dem war das Glück untreu. Betrüger brachten ihn um einen großen Teil des Seinigen. Meeresstürme begruben mehrere seiner Schiffe in den Abgrund. – »Bürger muss man würgen,« – sagt ein altes, aber nicht gutes Sprichwort und so erging es auch dem armen Mayr von Kempten. Er verdarb gänzlich. Mit sich und der Welt zerfallen, wurde der fröhliche Mann ein Menschenfeind und selbst den eigenen Kindern abhold. Er schlug sie und trieb sie aus dem Hause, dass sie dienten und ihm aus dem Brot kamen.
Der zehnte, der arme Heinrich Findelkind, war am schlimmsten daran. Aber er lief doch lieber in die unbekannte große, weite Welt hinaus, als dass er sich zu Hause totschlagen ließ. Da fanden an der Heerstraße zwei Priester, die nach Rom zogen, den weinenden Knaben, trösteten ihn, gaben ihm Brot; mit ihnen ging er über den Arlberg. Drüben wohnte ein rauher und streitbarer, aber frommer Ritter. Man hieß ihn nur den Jackl über Rhein. Der gab den Priestern reichlich Almosen und fragte: »Wo wollt Ihr mit dem Knaben hin?« Sie erwiederten: »Er ist zu uns gelaufen auf dem Feld.« Darauf der Ritter: »Laßt ihn mir, dass er meine Schweine hüte.«
Die Priester antworteten: »Er kann tun, was er will,« und Heinrich Findelkind wurde Knecht und Schweinehirt beim Jackl über Rhein, erhielt des Jahrs zwei Gulden Lohn, ging fleißig jeden Sonntag mit dem Ritter in die Kirche und trug ihm das Schwert nach. Wie sie da, dem fernen Geläute nach, den Berg hinabsteigen, brachte man ihnen oft viele Leichen entgegen von unglücklichen Pilgern, die des Winters auf dem Arlberg in Schneegestöber oder unter Lawinen zu Grund gegangen. Raubvögel und Raben hatten ihnen die Augen ausgehackt, die Kehlen abgefressen und sie auf mannigfache Weise verunstaltet. Das erbarmte den Heinrich Findelkind so sehr, dass er bitterlich weinte und ein heiliger Eifer in ihn drang, solches Unglück zu verhüten.
In vollen zehn Jahren hatte er fünf Gulden in Allem ausgegeben und also noch fünfzehn Gulden übrig von seinem Verdienst mit dem Hirtenstab. Da trat er eines hohen Festtages vor die Kirchtüre mit dem Ausrufe: Ob jemand die fünfzehn Gulden nehmen wollte und damit einen Anfang machen auf dem Arlberge, dass die armen Pilger nicht also verdürben. Aber die Leute lachten vielmehr des törichten Beginnens eines Betteljungen und niemand wollte die erste Hand anlegen.
Da rief Heinrich Findelkind von Kempten zu Gott dem Allmächtigen und zu St. Christoph dem starken Nothhelfer und rettete gleich den ersten Winter sieben Menschen das Leben und ein paar Jahre darauf über fünfzig Menschen. Darauf stiftete er eine eigene Bruderschaft St. Christophs auf dem Arlberg und zog für diese edle Bruderschaft bettelnd durch alle Länder und erhielt reiche Gaben. Die Kirchenfürsten von Salzburg, Chiemsee, Freising, Passau, Regensburg, Augsburg und Würzburg gaben ihm reichen Ablass. Das Bruderschaftsbuch nennt unter den vorzüglichsten Wohltätern der Stiftung unter andern auch die Landgrafen von Leuchtenberg und Grafen von Montfort und Ortenburg und viele andere Ritter. Herzog Leopold der Stolze von Oesterreich bezeigte im Dezember 1386, nachdem im Juli vorher sein Vater bei Sempach wider die verachteten und verspotteten Schweizerbauern mit dem Kern seines stolzen Adels gefallen, es sei der arme Knecht Heinrich von Kempten, in seiner Jugend ein Findelkind, mit großer Andacht und Begierde vor ihn gekommen, dass er wollte gern ein Haus bauen auf dem Arlberg und in dieser Wildnis wohnen und sitzen, vorzüglich damit die armen Pilger und Kaufleute nicht ferner so elend zu Grunde gingen. Es seien ja viel gute Dinge angefangen worden von einfältigen Leuten. Darum befehle er allen seinen Hauptleuten und Richtern, ihn dabei zu schützen und zu schirmen. Des armen Hirtenknaben und Findelkindes von Kempten edles Werk begann und bestand durch mehrere Jahrhunderte. Es erhielt Tausenden das Leben und sicherte einen für den Handel wichtigen Straßenzug.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 33-35. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005667518
Von der Georgsinsel bei Kempten
Etwa eine Stunde südlich der Stadt Kempten befindet sich unweit des Dorfes Kottern mitten im Flussbette der Iller eine felsige Insel, die Georgsinsel genannt, weil in alter Zeit eine Kapelle dort stand, die dem hl. Georg gewidmet war. Einen Teil der Felsen, welche die lange und schmale Insel bilden, hat man abgesprengt und dadurch die ursprüngliche Gestalt der nördlichen Seite zerstört, die ein Bild, wie man sich gewöhnlich die urweltlichen Drachen vorstellt – mit langem Hals, spitzem Schädel und mächtig großen Glotzaugen -, erkennen ließ.
Es ist ganz gewöhnlich, dass sich an solche Gebilde die Sage heftet. Sie erzählt, der hl. Georg habe hier einen Drachen, der die ganze Gegend unsicher machte, besiegt und in den Fluss geschleudert und dort in hartes Felsgestein verwandelt; denn, wird hinzugefügt, die Drachen von damals seien von hartlebiger Natur gewesen, denen weder das Schwert noch das Feuer oder Wasser etwas anhaben konnte, daher nur die Verkrustung und Umwandlung in hartes, totes Gestein die Gefahr einer Wiederbelebung ganz beseitigen konnte. Seitdem hatte das Land Ruhe und Friede.
Quelle: Reiser: Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus, Kempten, 1895, Nr. 544, S.448 ff. https://www.google.de/books/edition/Sagen_gebräuche_und_sprichwörter_des_A/yNwNAQAAIAAJ
Wie Sancimon und Celebrand das Kloster zu Kempten gebauet
Der erste Stein des fürstlichen Klosters Kempten ist von Rolando, so dazumal aus den Franzosen der stärkste soll gewesen sein, im Beisein vieler Fürsten und Herren mit großer Majestät gelegt worden. Zu Verfertigung des ganzen Gebäues aber hat Hildegardis zwei an Größe und Stärke unvergleichliche Riesen gebraucht, Sancimon und Celebrand mit Namen, welche so viel Stein und Mörtel alltäglich herzugetragen haben als sechzehn gemeine Taglöhner hätten ausrichten können; waren aber dabei dermaßen gefräßige Leut, dass sich jedermann mit Lachen über sie verwundert, da sie wie andere Herkules ganze Ochsen hinweggefressen. Einer derselben, Celebrand, ist nach dem Tode der Stifterin nach Welschland gekommen, Sancimon aber zu Kempten gestorben und mitten in des Klosters Kirche begraben worden.
Karl August Reiser: „Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus. Aus dem munde des Volkes gesammelt von Dr. Karl Reiser“, Kempten, 1895, I.Band, Nr.543, S.448. Digitalisat: https://www.google.at/books/edition/_/SczGjV41q_sC
¹ Wälschland = Italien
Literatur
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