Memmingen – Sehenswertes, Geschichte, Sagen, Mythen und Volksglaube der Region. Das „etwas andere“ Portal. Links, Landkarten, historische Ansichtskarten, Fotos, Ausflugsziele …
Unterkapitel
- Allgemeines
- Geschichte
- Kunst, Kultur und Brauchtum
- Ausflüge und Sehenswertes
- Sagen, Mythen und Geschichten
- Sagen
- Basilisk zu Memmingen
- Das Königsfest zu Memmingen
- Das Pferd in der Wiege
- Der Memminger Mau
- Der Schlorkhans
- Die Burgruine Rabenschaichen
- Was für eine Gefahr dem Spiegelschwaben gedroht, und wie er sich daraus errettet.
- Was ma no sait
- Wie der Blitzschwab Händel bekommt mit dem Spiegelschwaben und wie sie wieder gut Freund geworden.
- Wie die Spiegelschwaben gegen Wissen und Willen in die Stadt Memmingen kommen und dort Bierbeschau halten
- Woher Erolzheim seinen Namen hat
- Zwei Stücklein aus der Chronik von Kempten und Memmingen
- Volksglaube
- Märchen
- Balladen und Gedichte
- Sagen
- Literatur
Allgemeines
➥ Internetauftritt der Stadt / Gemeinde
➥ Wikipediaeintrag
➥ Alemannische Wikipedia
➥ Wikisource: Historische Quellen und Schriften
Geschichte
Ortsbeschreibung von Merian
➥ https://de.wikisource.org/wiki/Topographia_Sueviae:_Memmingen
Historische Lexikoneinträge
Memmingen (Meyers, 1908)
unmittelbare Stadt im bayr. Reg.-Bez. Schwaben, an der Ach, Knotenpunkt der bayrischen, bez. württembergischen Staatsbahnlinien Buchloe-Buxheim, Kempten-Ulm und Leutkirch-Memmingen, 610 m ü. M., hat 3 evang. Kirchen (darunter die gotische Martinskirche mit 67 in spätgotischem Stil ausgeführten Chorstühlen und die gleichfalls gotische Frauenkirche mit neuerdings wieder entdeckten sehenswerten Wandmalereien), eine kath. Kirche mit schönen Altargemälden, Synagoge, ein Rathaus im Renaissancestil aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrh., mehrere interessante Patrizierhäuser (darunter der Fuggerbau, in dem Wallenstein 1630 die Urkunde seiner Absetzung erhielt, und der Hermannsbau), mehrere altertümliche Stadttore, ein Denkmal des hier geborenen Chronisten Burkhard Zingg, ein Kriegerdenkmal für 1870/71 und (1905) 11,618 Einw., darunter (1900) 4267 Katholiken und 194 Juden.
Die Industrie erstreckt sich auf mechanische Flachsspinnerei und Leinweberei, Fabrikation von Jacquarddecken, Zeug und Tuch, Bindfaden, Knochenmehl, Feuerlöschmaschinen, landwirtschaftlichen Maschinen und Maschinen für Seilereibetrieb, Seife und Leder, auf Eisen- und Glockengießerei und Brückenbau. Der Handel, unterstützt durch ein Bezirksgremium, eine Reichsbanknebenstelle und eine Agentur der Bayrischen Notenbank, ist besonders ansehnlich in Hopfen, Getreide, Käse, Wolle, Leder und Vieh.
Memmingen ist Sitz eines Bezirksamts, eines Landgerichts, eines Hauptzollamts und hat ein Progymnasium, Realschule, Lehrerinnenseminar, Präparandenanstalt, Theater, Stadtbibliothek, Museum und ein für die Stadtgeschichte wichtiges Archiv. Zum Landgerichtsbezirk Memmingen gehören die 11 Amtsgerichte zu Babenhausen, Buchloe, Günzburg, Illertissen, Krumbach, M., Mindelheim, Neuulm, Ottobeuren, Türkheim und Weißenhorn. In der Nähe das Dorf Buxheim mit Schloß des Grafen von Waldbott-Bassenheim und ehemaligem Kartäuserkloster und das Bergschloß Eisenburg mit großartiger Fernsicht auf die Alpen. – Memmingen, zuerst 1010 erwähnt, gehörte den Welfen, seit 1191 den Hohenstaufen, kam nach deren Aussterben an das Reich und wurde unter Adolf, der ihm 1296 die Rechte von Ulm erteilte, Reichsstadt; das zugehörige Gebiet betrug später 110 qkm (2 QM.). 1331 schloss sich Memmingen dem Schwäbischen Städtebund an.
In Gemeinschaft mit Straßburg, Konstanz und Lindau übergab die Stadt 1530 zu Augsburg die Confessio tetrapolitana, trat später zum Schmalkaldischen Bund über, unterwarf sich aber 1546 dem Kaiser und nahm 1548 das Augsburger Interim an. Im Dreißigjährigen Krieg war M. 1631 abwechselnd im Besitz der Kaiserlichen und Schweden, wurde von letzteren 1647 den Bayern übergeben, die es 1648 wieder räumten, und war 1702–04 von Bayern und Franzosen gemeinschaftlich besetzt. Am 9. und 10. Mai 1800 erfochten hier die Franzosen unter Moreau einen Sieg über die Österreicher unter Kray. 1802 kam die Stadt an Bayern.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 587. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007074182
Memmingen (Pierer, 1860)
Stadt im baierischen Kreise Schwaben, an der Aach; Sitz eines Stadtgerichts, Protestantisches Dekanat, 6 Kirchen, Hospital, Waisenhaus, Gymnasium, Collegium musicum (Singschule), Landwirtschafts- u. Gewerbsschule, Zeughaus, Bibliothek, Fabriken in Tuch, Kattun, Leinwand, Wachstuch, Zucker, Leim, Papier, Pulver, Tabak; viel Hopfenbau; Handel mit Hopfen nach Italien u. der Schweiz; Viehmärkte, Stück- u. Glockengießerei, Kupfer- u. Eisenhämmer; 7200 Ew.; Wappen: ein halber Adler u. ein rotes Kreuz in weißem Felde.
Memmingen gehörte im Mittelalter zu den Besitzungen des Welfischen Hauses, wurde aber unter Kaiser Friedrich I. Reichsstadt, mit einem Gebiet von 2 QM. Mit Straßburg, Konstanz u. Lindau übergab Memmingen 1530 zu Augsburg die Confessio tetrapolitana, trat aber später zum Schmalkaldischen Bunde. 1551 wurde vom Kaiser Karl V. das Gemeinderegiment abgeschafft u. dem Stadtrat übergeben. 1631 wurde es abwechselnd von Schweden u. Kaiserlichen belagert u. genommen, von Ersteren, 1647 den Baiern nach neunwöchentlicher Belagerung übergeben, aber 1648 von diesen wieder geräumt; 1702 von den Baiern u. Franzosen besetzt u. 1704 wieder geräumt. Im Französischen Revolutionskrieg hier am 10. Mai 1800 Sieg der Franzosen unter Moreau über die Österreicher unter Kray 1802 kam Memmingen an Baiern.
Quelle: Pierer’s Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 118-119. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20010427120
Karten
➥ Luftlinie-org berechnet die Luftlinienentfernung
sowie die Straßenentfernung zwischen zwei Orten und stellt beide auf der Landkarte dar. Startort ist Memmingen, den Zielort müssen Sie noch wählen. Voreingetragen ist ➥ Bisoro in Burundi
Karte eingebunden aus OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL
Fotos & Abbildungen
➥ Bildersammlung auf Wikimedia-Commons
➥ Abbildungen auf Tumblr
➥ Infos und Fotos auf Pinterest
➥ Filme in der ARD-Retro-Mediathek (Filmbeiträge der 60er-Jahre)
Kunst, Kultur und Brauchtum
➥ Kultur und Sehenswürdigkeiten (Wikipedia)
➥ Abbildungen auf ‚Bildindex‘
➥ Bilder auf ‚Google-Art‘
➥ Memmingen auf ‚Zeno-Org‘
➥ Suchfunktion nutzen für Memmingen auf leo-bw.de
(Karten, Archivmaterialien und Luftaufnahmen vom Landesarchiv Baden-Württemberg)
➥ Alphabetisch sortiertes Verzeichnis auf www.kloester-bw.de
Beschreibungen vom Landesarchiv Baden-Württemberg
Ausflüge und Sehenswertes
➥ Wikivoyage – Projekt der Wikimedia
➥ Wikitravel – der freie Reiseführer
Webcams
➥ Webcams in Memmingen und Umgebung
Nachbargemeinden
➥ angrenzende Städte und Gemeinden (aus Wikipedia)
Teilgemeinden und Ortschaften
➥ Ortschaften und Wohnplätze von Memmingen (aus Wikipedia)
Sagen, Mythen und Geschichten
Sagen
Basilisk zu Memmingen
An ama Haus henter’m Engel z’Memmenga sieht mã an geala Basilischka mit era fuirothe Zonga. – Dau haut mã amaul d’Magd in Keller na g’schickt und haut g’wahtet und g’wahtet, aber s’ischt koĩ Magd meh rauf komma. Do haut mã eppen andersch na g’schickt, aber s’ischt wieder nemad rauf komma, denn sobald’s der Basilischk angucket haut send se g’schtorba. Am End gaut oiner her, nemmt an Schpiegel und laut da Basilischka neĩ gucka, und sobald se der sell drenn g’sẽ a haut, ischt er uf der Schtell verreckt. Wenn a Gockeler reacht alt wird, so legt er an Oi, bruatets aus und us dem wird denn a Basilischk.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 412. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675987
Das Königsfest zu Memmingen
In älteren Zeiten wurden die drei ersten Schulkinder mit Kronen, Zepter und Blumensträußen geschmückt und hießen Könige und Königinnen und hatten noch die drei ersten Kinder vom vorigen Jahr, die auch so geschmückt waren und noch drei andere, welche Gesangführer hießen, zur Begleitung. Dieses war mit großem Kostenaufwand verbunden; daher die Schulmeister allezeit große Schwierigkeiten hatten, solche Eltern zu finden, die geneigt waren, mit ihren Kindern diesen Aufwand zu machen, weswegen dann selten diejenigen, welche durch Fleiß und Geschicklichkeit das Prämium verdienten, dasselbe erhielten. In neueren Zeiten ist das abgeschafft und vereinfacht geworden; doch ist noch immer die Sache nicht ganz im Reinen, denn diese Eltern wollen es auf diese, jene auf jene Art gehalten wissen. Am Pfingstdonnerstag begeben sich viele Eltern mit ihren Kindern in ein vor der Stadt gelegenes Wirtshaus, wo alsdann die Schulmeister mit einem Reihen auf einem grünen Platze den Kindern eine öffentliche Freude machen.
Der Ursprung dieses sogenannten Königsfestes soll sich von Kempten herschreiben, und sei im achten Jahrhunderte auf folgende Art entstanden.
Karl der Große kam einmal nach Kempten in das Schloss Hilarmont oder Bürkhold, zu seiner Gemahlin Hildegarde, die sich daselbst aufhielt, um den Fortgang des Klosterbaues zu besehen. An der Tafel soll unter seinen drei Söhnen, Pipin, ein mutiger Prinz, zu seiner Mutter in folgenden Ausdrücken gesagt haben: Ei! meine liebe Mutter, wenn der Herr Vater gen Himmel gekommen ist, werde ich darauf König werden? Karl, der andere Sohn, ebenfalls begierig zu herrschen, wandte sich an seinen Herrn Vater und behauptete: er müsse im Reich als Thronfolger nachfolgen. Ludwig wollte auch Regent sein: dieser wandte sich an seine beiden Eltern. Hildegardis endigte den Streit also: auf ihren Befehl sollten die drei Söhne von den Bauern in dem Flecken Kempten ein jeglicher einen eigenen Hahn holen; wessen Hahn im Kampfe den Sieg davon tragen würde, der sollte König sein. Ludwigs Hahn siegte. Als sie nun bei der Schule vorbeizogen, so begleiteten die Schüler, weil es gerade um die Zeit war, wo sie aus der Schule gingen, die drei Prinzen bis zum Schloss. Dieses Spiel gefiel den königlichen Prinzen selbst und andern Schülern, dass diese es im folgenden Jahre wiederholten und in Prozession herumzogen. Als man nun anfing in den Orten zu Kempten, auch in dem Flecken Grünenfurth, welches das jetzige Memmingen ist, Schulen anzulegen, wurde dieses Fest von der Schuljugend auch begangen, besonders zur Aufmunterung im Fleiße, man wählte allezeit (das doch nicht immer geschehen ist, wie schon gemeldet) drei aus den besten Schülern. So entstand das sogenannte Königenfest, das 1804 eingestellt wurde. Der Scherz mit den Hähnen ging nachher zufälligerweise in seine Erfüllung. Ludwig, der Fromme genannt, ward als der einzige, noch überlebende Sohn nach Karl des Großen Tod (814) Kaiser.
Nach Ph.Karrer’s Memminger Chronik. Vgl. Sagenb. I. 29, Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 409-411.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675960
Das Pferd in der Wiege
Wenn man auf der Straße von Augsburg her nach Memmingen kommt, so erblickt man gleich an einem der ersten Häuser ein in der Wiege[412] liegendes Pferd angemalt. Fragt man einen schlichten Memminger Bürger nach der Bedeutung dieses Gemäldes, so erhält man etwa folgende Auskunft: »A früherer Besitzer von dem Haus ischt a maul der Moining gwest, sei Frau sei gstorba. Sie isch aber nit recht gstorba gwest, sondern blos scheintodt. Zur ghörige Zeit aber, am zwoita oder dritta Tag, haut ma sie in alle Ehra begraba. Die Frau wär au nomma me us ihrem Grab rauskomma bis an jüngste Tag. Non haut aber dr Todtagräber gwißt, daß ma ihr etlich schöne, werthvolle Ring mit ins Grab gẽ haut, und dau haut r denkt, die brächtet ihm mehr Nutza, als der todta Frau.« – Er ist also spät in dr Nacht naus und haut’s Grab göffnet. Iz aber denk a Mensch sein Schrecka! Wie r de Deckel weg thuat, wird d‘ Frau lebendig, regt sie und staut auf. – Daß dr Todtagräber d‘ Laterna vergeßa haut, isch koin Wunder; – d‘ Frau aber haut sie gnomma und isch mit r hoim.
Wie sie an ihrer Glocka g’litta haut, isch z’erst d’Magd ans Fenster komma. Uf ihr Frauga: »wer läut’t?« antwortets drunta: »Mach auf, d’Frau ists.« – Die moint nit anderst, als as sei a Gspenscht, weckt da Herra und verzält m Allz. Der hälts au für unmöglich und sait: »Eher liegt mein Pferd in der Wiege, als daß meine Frau da drunten ist.« – »Wie ma aber gschaut haut, dau ischts denn doch d‘ Frau gwest und haut allz verzält und haut no manchs Jaur glebt, bis sie wirklich gstorba ischt und zum Andenka an dia Begebenheit ist an dem Haus das Pferd in dr Wiega angmault bis uf da heutiga Dag.«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 412-413. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675995
Der Memminger Mau
Die bekannteste Memminger Sage handelt vom Memminger Mau. Von ihr hat auch die Stadt ihren Spitznamen als Maustadt:
Gingen einstmals in klarer Vollmondnacht ein paar Memminger aus dem Goldenen Löwen heimwärts. Auf einmal sahen sie, wie sich der Mond, hierorts Mau genannt, in einem der großen Zuber spiegelte, die unter den Dachtraufen der Häuser zu Feuerlöschzwecken standen. Da kam einem plötzlich der geniale Gedanke, den Mond doch gleich herauszufischen, damit die Stadt zu beliebiger Zeit über sein Licht verfügen könne. Schnell war der Stadtfischer geholt, der rückte mit Netzen aller Art und seinen Knechten an und begann sein Werk. Von den Fenstern ringsum schauten die aufgeschreckten Bürger herunter, was sich da unten abspielte, und selbst aus den Nebengassen kamen sie hergelaufen, aber…. Die Geschichte endet hier. Eine nahe Verwandtschaft mit den Schildbürgern ist zu erkennen.
Quelle: Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Memminger_Sagen
Der Schlorkhans
Dea Schlorkhans z‘ Memminga waur a gueter Christ. Am Antonierkloster, wo ma des Antonifuir ghailet haut, haut er sei Gschäft ghet. Wenn Fehla gjaumret hant, sie thätet it fetig weara, isch des Wasser scho gholt gweasa in d‘ Kucha. Aber Ogläubige moinet, dersel guat Goist sei koi reachta Goist gweasa, sondern von Floisch und Bluet, wia die andern floischerne Mensche au.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 413. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005676002
Die Burgruine Rabenschaichen
Wenn man auf der Straße von Kempten nach Memmingen das Dorf Hirschdorf hinter sich hat, sieht man, etwa eine Viertelstunde unterhalb dieses Dorfes, links neben der Straße am nahen Waldsaume, die Ruinen einer zerfallenen Burg, über welche junge Birken und Tannen emporragen. Daneben steht ein Weiler, von mehreren zerstreuten Häusern gebildet, welches bis auf den heutigen Tag den Namen von dieser Burg »Rabenschaichen« trägt. Hier hauste in alten Zeiten ein gar ungebärtiger Ritter, der Schrecken der ganzen Gegend. Zogen die Ulmer Kaufleute mit ihren Waren aus Welschland des Weges fürbaß, da lauerte Kuno mit seinen wilden Gesellen im Gehölze, plünderte die Reisigen oder ließ sich das Weiterziehen mit blankem Golde bezahlen. Seine Grundholden bedrückte er auf alle Weise; kam ein Bettler an die Schlosspforte, so hetzte er seine zottigen Rüden nach ihm und sah mit Hohngelächter zu, wenn sie ihn recht übel zurichteten. Das unrecht aufgehäufte Gut ward dann in schwelgerischen Gelagen verschwendet, wobei die geraubten Weinfässer, wenn sie ihres feurigen Inhaltes entleert waren, unter dem Gejauchze der Zechenden in den Burggraben hinabgerollt wurden. So trieb er das wilde Raubhandwerk viele Jahre, fragte nichts nach Gott und nach den Menschen und so kühne Abenteuer er auch unternahm, immer kehrte er siegreich von jedem Strauße heim, sodass es allum hieß: »Ritter Kuno hat seine Seele dem Teufel verschrieben, drum richtet Keiner etwas mit ihm aus!« – Plötzlich stirbt er um die Mitternachtsstunde, von einem blutigen Raube heimgekehrt. Seine Gesellen tragen den Leichnam in das oberste Gemach, von dessen Söller Kuno auf die an der nahen Straße Vorüberziehenden Spähe zu halten pflegte. Indes sie im Erdgeschosse über der Teilung der angehäuften Schätze hadern und lärmen, erschallt plötzlich um die Zinne der Burg ein kreischendes Gekrächze einer Schaar Raben, welche bald durch die geöffneten Fenster in das Totengemach hineinfliegen und mit wütendem Geschrei das Antlitz des Verstorbenen zerfleischen. Die Totenwächter vermochten sie erst zu verscheuchen, als von dem vollstrotzenden Gesichte nur mehr die nackten Knochen aus dem Leichentuche hervorgrinsten. Die Zechenden im Hofe ergriff kalter Graus; sie ahnten Gottes Strafgerichte, verteilten die geraubten Güter unter die Armen oder vergaben sie an Kirchen und überlieferten das Raubnest den Flammen, welche es bis auf das Erdgeschoss verzehrten, das noch heute in seinen Trümmern die Erinnerung an diese Sage aufbewahrt in seinem Namen »Rabenschaichen.«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 36-37. Permalink: http://www.zeno.org/nid/200056721
Was für eine Gefahr dem Spiegelschwaben gedroht, und wie er sich daraus errettet.
Durch Memmingen gehen wir nicht, obwohl drin gute digene Würste zu haben sind, sagte der Spiegelschwab. Und als man ihn fragte: warum? so sagte er: darum; und er müsse sich doch wohl am besten auswissen. Sei’s, sagte der Nestelschwab, wir können ja um die Mauer herum und dann zum andern Tor hinaus. Die sieben Schwaben gingen also um die Mauer herum durch die Hopfengärten. Aber da hat sich’s denn wiederum augenfällig gezeigt, dass der Mensch seinem Schicksal nicht entgehen könne. Denn ehe sich’s der Spiegelschwab versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel und schrie in einem Ton, der durch Mark und Bein ging: Bist du endlich wiederum da, du Schlingel? Wo bist du so lange Zeit herum kalfaktert, du Galgenstrick? Der Spiegelschwab erkannte in ihr sogleich seine liebe Ehehälfte und er rief: Helft mir alle Heiligen! der Teufel ist los! und huschte in den andern Hopfengarten hinein. Das Weib ihm nach. In der Herzensangst fiel ihm eine List ein. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte, als das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Er warf’s in Eile über den Kopf, schloff in die Bratzen und kreiste nun auf allen Vieren, wie ein leibhafter Bär. Wie nun das Weib näher kam, richtete er sich auf und trappelte brummend auf sie zu. Die sah nicht sobald den Bären, als sie laut aufschrie und über Hals und Kopf davon rannte. Der Bär aber holte sie ein und drückte und herzte sie, dass ihr fast die Sinnen vergingen. Dann ließ er sie los und ging den Gesellen nach. Seit der Zeit, als dieser Schwank kund geworden unter den Memminger Frauen, werden die bösen Männer von ihnen Brummbären genannt.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 154-155. Permalink: http://www.zeno.org/nid/200044799
Was ma no sait
Aes Kinderfest, wo ma auf d‘ Schuel zuicht ond Gschenk uf de Stängele trait1 ond wo de erste Mädla der obersta Claß als Könege Kränz traget, isch wie ma sait, von der Könege Hildegard, de Karl de Großa seiner Frau, herkomme, die am Martinsthura ahg’maulet (=abgemalt) waur. Von der Schlüsseljungfer sait ma, daß uf de Maur am Eilauß no umgau. – Von eme Ring, de e Magd gstohle hau soll, was aber a Gaz (=Vogel) thau haut, woiß ma nex meh, au net vo de fluigede Sau. Waurum di blau Saul stauht, woiß i au it; au de schöna Spruach liast me nemma:
Gott bhüt dies Haus so lang,
Bis daß e Schneack die Welt ausgang,
Ond en Ameis dürst so sehr,
Bis sie austrenkt das ganze Meer.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 413-414. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005676010
Wie der Blitzschwab Händel bekommt mit dem Spiegelschwaben und wie sie wieder gut Freund geworden.
Es war schon Nacht, als die sieben Schwaben ins Freie und auf die Landstraße kamen. Und der Mond ging so eben auf. Da sagte der Spiegelschwab: Jetzt haben wir’s gewonnen, Memmingen ist nicht mehr weit. Der Blitzschwab fragte ihn: wie er das wissen könne? Werd‘ ja doch den Memminger Maun (Mond) kennen? Potz Blitz, wie blitzdumm! sagte der Blitzschwab. Dies kaum gesagt, hatte er schon seine Dachtel vom Spiegelschwaben, der alles leiden mochte, nur nicht dass man ihn für dumm halten sollte. dass dir der Blitz ins Maul platz, schrie der Blitzschwab, du Lalle, du Ginkel, du Takel, du Kog, und so ging’s eine ganze Litanei durch. Der Spiegelschwab wurde auch immer wilder, und so kamen sie denn einander in die Haare und rauften sich ab, wie zwei Metzgerhunde. Da bat der Seehaas den Allgäuer, er sollte Frieden machen. Der ließ sich nicht lang bitten, sondern packte sogleich den Blitzschwaben am Hosenbändel, und hielt ihn in der Luft, wie einen Frosch, und er mochte zappeln, wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab nicht nach, dem Blitzschwaben aufs Brät zu klopfen; und daher packte denn der Allgäuer ihn auch mit der Linken, und hielt ihn am Leible, unter der Gurgel, so keif und fest, dass er bockstärr da stand und nicht mucksen konnte. Bygost! sagte er, ich will euch Hores Mores lernen, ihr donnerschlächtige Strolkerle. Und er schüttelte den einen, und drosselte den andern immer ärger und ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, dass sie wieder gut Freund sein wollten. Und das sind sie denn auch geblieben von der Zeit an bis in ihren Tod.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 152-153. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004479904
Wie die Spiegelschwaben gegen Wissen und Willen in die Stadt Memmingen kommen und dort Bierbeschau halten
Die sechs andern Schwaben aber waren weiter gegangen und standen jetzt vor einem Tor, welches man ihnen, auf ihr Befragen, wie es heiße, Leutkircher-Tor nannte. Da müssen wir also hinaus, sagte der Nestelschwab oder ein anderer, gleichviel welcher. Sie gingen also durch das Tor und kamen in die Stadt, ohne es zu wissen und zu wollen. Wie aber kein Unglück ohne Glück ist, so hat sich’s hier auch begeben. Denn das erste Haus, das ihnen auffiel, war ein Wirtshaus, vor dem ein Maienbaum stand, und ober der Tür war zu lesen: Hier schenkt man Märzenbier aus. Als das unsere Schwaben sahen, dachten sie, umsonst sei das Märzenbier mitzunehmen. Der Wirt, der sie kommen sah mit dem großen Spieß, kam ihnen erschrocken entgegen und fragte: was sie schafften. Sie möchten ein wenig sein Bier kosten, sagte der Allgäuer und er ging mit den Gesellen in die Zechstube. Der Wirt, vermeinend, sie seien abgesandt von der schwäbischen Kreisregierung, um im Schwabenland das Bier zu beschauen und zu schätzen, ob es pfennigvergeltig sei! – was wohl Not täte auch zu unsern Zeiten – der holte das beste, das er im Keller hatte,und es war noch nicht gut. Doch tranken die Gesellen eine Bütsche um die andere aus; und wie sie’s bis auf einen halben Eimer gebracht hatten, sagte der Wirt: er sehe mit Freuden, dass es ihnen wohl schmecke. Der Blitzschwab meinte, es könnte besser sein und sei zu wenig Malz und Hopfen drin. Mit Verlaub, sagte der Wirt, der ein Schalk war; Hopfen und Malz ist nicht zu wenig drin, aber zu viel Wasser. Drob lachten die Gesellen: und dem Blitzschwab fiel der Spruch ein, und er sagte ihn:
Zu Langensalz
könnte eben so gut Memmingen heißen, sagte er –
Zu Langensalz
Braut man drei Bier aus einem Malz;
Das erste heißet man den Kern,
Das trinken die Bürgermeister gern;
Das andere heißt das Mittelbier,
Das setzt man gemeinen Leuten für;
Das dritte heißt Covent,
Trink dich potz schlapperment.
Drauf spielte er ein Paar lustige Stücklein auf, dem Wirt zu Ehren. – Nachdem nun die Gesellen vollauf getrunken, so standen sie auf und gingen davon, als wären sie Niemanden etwas schuldig. Der Wirt ließ sie gehen, in der obgedachten Meinung; und er sagte, dass es ihm eine große Ehre gewesen, und sie sollten nur das Beste reden von seinem Bier. Das taten sie denn auch und sie konnten sich nicht genug verwundern, dass man in Memmingen das Märzenbier ausschenke. Und so ward denn der Wirt gefoppt von seinen Landsleuten, ohne deren Wissen und Willen. Man sagt aber, dass ihm der freie Trunk wohl bezahlt worden sei von andern Landsleuten; wie man denn den Wirten gern viel Böses nachsagt.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 155-157. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004479939
Woher Erolzheim seinen Namen hat
Bei Erolzheim ist der Frôberg. Jezt heißt er Kapellenberg, weil eine Kapelle oben ist. Ein Ritter des Frôberges kam öfters nach Memmingen zu den Patriziern. Da soll er mal eine Wette gemacht haben: »ein Rad von Memmingen auf sein Schloss den Frôberg hinauf zu rollen.« So tat er auch, gewann die Wette mit Glanz. Von: »er rollt’s heim« hat »Erolzheim« seinen Namen.
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 175-176. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004564200
Zwei Stücklein aus der Chronik von Kempten und Memmingen
Der Leser muß aber wissen, dass die Altstadt Kempten gegen die Neustadt zu kein Tor hat, sondern nur eine offene Luke, worein die Stiftler ohne Aufhalt kommen können. Das schreibt sich aber von der Zeit her, sagt man, wo die Geiß den Torriegel abgefressen. Und das ist so zugegangen: Bei einem plötzlichen Überfall der Stiftler steckte der Turner, da er den Torriegel vergebens suchte, einen Dorschen in die Klammer. Während er aber nun die Städtler zusammen blasen wollte, kam eine Geiß herbei und fraß den Dorschen ab, so dass das Tor angelweit aufsprang und dem Feind den Eingang öffnete. Das Tor wurde sofort nieder gerissen und ist nicht mehr erbaut worden. Seit der Zeit besteht auch zwischen den Stiftlern und Städtlern Fried‘ und Einigkeit. – Also erzählt man; ob’s auch so in der Kempter Chronik stehe, kann ich nicht sagen. Kurz: der Spiegelschwab spielte darauf an, so wie auf ein anderes Stücklein, als er den Wirt fragte: wie es mit dem Meisenfang gehe? Der Wirt zupfte ihn beim Ohrenläpple und sagte: »He, Gevattersmann!« »Aber erzählt mir doch,« sagte drauf der Wirt, »wie ist’s denn mit dem Gucker gegangen in Memmingen?« »Davon weiß ich nichts; ihr müsst darüber die von Ulm fragen.« »Nu, nu!« sagte der Wirt; »dumm seid ihr Memminger auch genug, dass man so etwas von euch glauben könnte.« Und so neckten sie sich denn wechselseitig, wie es denn die Schwaben gern tun untereinander als gute Landsleute. – Das Stücklein will ich dir aber im Vertrauen erzählen, günstiger Leser, wenn du es nicht weiter erzählst. Dem Bürgermeister in Kempten ist einmal seine Meise ausgekommen; da ist alsogleich der Befehl ergangen, man sollte alle Tore schließen und die Bürger mussten alle Straßen und Häuser durchsuchen, ob die Meise nicht zu finden sei. Und noch heutigs Tags, wenn ein Kemptner einen Winkel durchsucht, sagt man, dass er die Meise fangen wolle. Darum werden die Kempter von ihren Landsleuten Meisenfänger genannt. – Für die Wahrheit dieser Geschichten will ich aber nicht gut stehen; wie man denn den Schwaben Vieles nachsagt, was verstunken und verlogen ist. Aber sie haben zum Glück einen breiten Buckel und können’s ertragen.
Es gibt in der Welt viel Lappen,
Denen nur abgeht die Narrenkappen.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 2, Leipzig [um 1878/79], S. 166-167. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004481275
Volksglaube
Das heilige Heiligthum
Unter die Merkwürdigkeiten der Martinskirche zu Memmingen gehört von alten Zeiten her das sogenannte heilige Heiligtum, oder die heilige Wunderhostie, mit welcher es sich auf folgende Weise verhalten haben soll.
Die Besitzer zweier Mühlen, welche im Jahre 1215 auf dem sumpfigen Riede oder Moorgrunde unfern dem Pfarrdorfe Beningen gestanden, hätten sich damals in sehr verschiedenem Nahrungsstande befunden. Der Eine auf der dem Pfarrdorfe näher gelegenen Mühle hätte überreichliche Arbeit und Verdienst gehabt, der andere aber auf der der Stadt näher befindlichen sich aus Mangel an Arbeit in großer Dürftigkeit und Armut befunden. Darüber neidisch und mißgünstig, habe denn der Letztere dem Erstern den Segen des Himmels dadurch zu entziehen und dessen Glück sich zuzuwenden gehofft, wenn er seinem glücklichen Nachbar eine geweihte Hostie unter den sogenannten Laufer der Mühle lege. Dies gottlose Vorhaben habe er auch bereits in der Nacht auf den grünen Donnerstag, den 16. April 1215, ausgeführt; da aber beinahe ein ganzes Jahr nichts darauf erfolgte und er nach dieser Zeit die Hostie unverletzt unter dem Laufer fand: so hätte er sie nun von da weggenommen und unter dem Kumpfe des Mahlsteins verborgen, zuvor aber den Dorfeinwohnern den Wohlstand des glücklichen Müllers verdächtigt und sie aufgefordert, dessen Mühlwerk genau zu durchsuchen.
Dies sei nun am 12. März, dem Gregoriustag, 1216 geschehen und der boshafte Müller selbst hätte dann, wie von ungefähr, zur Auffindung geholfen, welche natürlich großes Aufsehen erregt und den unschuldigen Müller so in Schrecken gesetzt habe, dass dieser in die Stadt geflohen sei, um sich daselbst zu verbergen. Auf die Anzeige im Dorfe von diesem Vorgange sei der Ortsgeistliche im priesterlichen Ornate herbeigeeilt, um in reine Leinwand die heilige Hostie aufzunehmen, die ihm indessen der gottlose Müller bereits in einem Becher entgegen getragen. Die Hostie sei bis dahin unverändert geblieben; aber nun, als der Geistliche sie auf die reine Leinwand gelegt, sei Blut aus derselben über seine Hände geflossen. Als der Ruf von diesem Wunder hierher, nach Memmingen gekommen, habe der damalige hiesige Offizial, oder bischöfliche Vikar, Heinrich Nogunk, den Prediger Landolt mit seinem Diener an Ort und Stelle geschickt, um sich darüber näher zu erkundigen und als dieser die heilige Hostie noch voll Blut gefunden, hätte er sie nach der Stadt getragen, wo sie später vom Bischof Siegfried von Augsburg in eine Monstranz eingeschlossen worden. Zur Anbetung sei sie in der St. Martinskirche niedergelegt worden.
B.v. Ehrhart Beschr. der Pfarrkirche St. Martin in Memmingen. 1846. S. 83 ff. Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 411-412. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675979
Märchen
Das Märchen von den sieben Schwaben
Es waren einmal sieben Schwaben, die wollten große Helden sein und auf Abenteuer wandern durch die ganze Welt. Damit sie aber ein gut Gewaffen hätten, zogen sie zunächst in die weltberühmte Stadt Augsburg und gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister allda, um sich mit Wehr und Waffen zu versehen. Denn sie hatten nichts Geringeres im Sinne, als das gewaltige Ungetüm zu erlegen, das zur selben Zeit in der Gegend des Bodensees gar übel hausete. Der Meister staunte schier, als er die sieben sah, öffnete aber flugs seine Waffenkammer, die für die wackeren Gesellen eine treffliche Auswahl bot. »Bygott!« rief der Allgäuer, »send des au Spieß? So oaner wär mer grad reacht zume Zahnstihrer. For mi ischt e Spieß von siebe Mannslengen noh net lang gnueg.« – Drob schaute ihn der Meister wiederum an mit einem Blick, der den Allgäuer beinahe verdroß. Denn dieser lugte zurück mit grimmigen Augen, und bei einem Haar hätt’s etwas gegeben, wenn der Blitzschwab nicht just zur rechten Zeit sich ins Mittel gelegt. »Hotz Blitz!« rief er, »du hoscht Reacht und i merk doin Maining: Wie älle siebe for oin, so for älle siebe noh oin Spieß.« Dem Allgäuer war dies nicht ganz klar, aber weil’s den andern just eben recht, so[15] sagte er: »Joh.« Und der Meister fertigte in weniger als einer Stunde den Spieß, der sieben Mannslängen maß. – Ehe sie aber die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch etwas Apartes, der Knöpflesschwab einen Bratspieß, der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf, der Gelbfüßler aber Sporen für seine Stiefel, indem er bemerkte: solche seien nicht nur gut zum Reiten, sondern auch zum Hintenausschlagen. Als der Seehaas sich endlich einen Harnisch gewählt, pflichtete ihm der Spiegelschwab in solcher Vorsicht vollkommen bei, meinte aber, es sei besser, den Harnisch hinten als vorn anzulegen. Und kaufte sich ein altes Barbierbecken aus der Rumpelkammer des Meisters, groß genug, um seine untere Kehrseite zu bedecken. »Merk’s: han i Curasche und gang i voran, noh brauch i koan Harnisch, goht’s aber hintersche und fällt mer d’Curasche anderswohnah, noh ischt der Harnisch an seinn reachte Blatz.«
Und nachdem die sieben Schwaben wie ehrliche Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt, auch als gute Christen bei St. Ulrich eine Messe gehört und zuletzt noch beim Metzger am Göppinger Tore gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so zogen sie zum Tor hinaus ihres Weges weiter. Den Spieß aber hielten sie alle sieben und gingen in einer Reihe hinter einander, daß sie schier aussahen, wie angespießte Lerchen. Voran ging der Herr Schulz, der Allgäuer, als der mannlichste unter ihnen, dann kam der Jockele, genannt der Seehaas, hierauf der Marle, genannt der Nestelschwab, dem folgte der Jerkle, war der Blitzschwab geheißen, hernach ging der Michel, Spiegelschwab zubenamset, dann kam der Hans, Knöpflesschwab, und zuletzt kam Veitle, das war der Gelbfüßler. Der Herr Schulz wurde der Allgäuer geheißen, weil er aus Allgau gebürtig war; der Seehaas hatte am Bodensee gesessen; der Nestelschwab führte darum seinen Namen, weil er statt der Knöpfe Nesteln hatte, er mußte aber bei den Hosen fast immer mit der Hand nachhelfen und halten, dieweil die Nesteln oftmalen abgerissen waren. Der Blitzschwab hieß also, weil er sich die Redensart: »Hotz Blitz!« angewöhnt hatte. Der Spiegelschwab hatte die Gewohnheit, seine Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen, die davon einen gewissen Spiegelglanz annahm; das schaffte jenem den saubern Namen. Knöpflesschwab war ein Mann, der verstand gute Knöpfle oder Spätzle zu kochen, das[16] ist im baierischen Deutsch Knötel, und im sächsischen Deutsch Klöße. Der Gelbfüßler endlich war aus der Bopfinger Landschaft, deren Einwohner die Umwohner Gehlfießler schimpfen. Darum, daß sie einstmals einen Wagen voll Eier, den sie ihrem Herzog als Abgabe bringen müssen, recht voll stampfen wollen, und die Eier mit den Füßen festgetreten, davon denn die Eier etwas weniges zerbrochen, und die Füße der Bopfinger gegilbt hätten.
Zogen nun die Sieben allesamt gutes Mutes mit ihrem Spieß dahin, kamen eines Heumondtages in der späten Dämmerung über eine grüne Wiese, da hob sich eine Horniß nicht weit von ihnen mit feindlichem Gebrummel hinter einer Dornhecke hervor, und flog vorüber. Darob erschrak der Schulz, Allgäuer, mächtiglich, und begann Angstschweiß zu schwitzen, und schrie seinen Kriegsgesellen zu: »Horchet! der Feind drommelt schoh!« Da schmeckte der Jockele, der dicht hinter dem Schulzen ging, einen übeln Geruch und rief: »Wohl! wohl! ’s ist ebbes in der Näche! I schmeck schaun ’s Pulver!« Da nahm der Herr Schulz Reißaus, ließ den Spieß fahren und sprang über einen Zaun, kam aber gerade auf die Zinken eines Rechens zu springen, und da[17] fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und gab ihm einen ungewaschnen Schlag. Der Schulz vermeinte, der Feind haue auf ihn ein, und schrie: »Gieb Bardohn! i ergeb me.« Die andern sechs waren nachgesprungen über den Zaun, und da sie ihren Anführer also schreien hörten, so schrien sie alle: »Ergibscht du de, noh ergeb i me au! Ergibscht du de, noh ergeb i me au!« Aber es war niemand vorhanden, der die sieben Schwaben gefangen nehmen wollte; und da sie das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit und verschwuren sich, diese ihre erste Heldentat nicht weiter zu erzählen.
Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauf losmarschierten, merkten sie nicht, daß ein großmächtiger Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der Nase an ihn stieß. Als er ihn nun sah, war er hin vor Schreck, stolperte und stieß mit dem Spieße geradezu auf den Bären los, wozu er aber nichts konnte, und schrie dazu gottsjämmerlich: »E Bär! E Bär!« Vermeinte, sein letztes Brot wäre gebacken und bereits verzehrt. Doch rührte sich der Bär nicht, dieweil er maustot war. Des war der Allgäuer hoch erfreut, schaute nun nach seinen Brüdern, und sah mit neuem Schreck, daß alle mäusleinstill für tot auf dem Boden lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die am Boden Liegenden vermerkten, daß der Bär den Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor Schreck dahin gepurzelt, lugten sie vorsichtig in die Höh, und wie sie sahen, daß der Bär tot war, erhoben sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum und auf ihn, und untersuchten, wie tief wohl die Wunde sei, die der Spieß ihm beigebracht, fanden aber keine, und der Blitzschwab sagte: »Hotz Blitz! Der Bär ischt verreckt und schoh lang tot!« – »Joh Joh«, sprach der Jockele, »mer schmeckt de Brohde.« Wurden eins, dem Bär das Fell abzuziehen und als Siegeszeichen mit sich zu führen, das Aas aber liegen zu lassen. »Jetzt kennet d’Schoof de Bäre fresse, wie er d’Schoof gfresse hod!« sprach einer unter ihnen, und so zogen sie fürbaß mit ihrem Bärenfell und ihrem Spieß.
Kamen nun just in einen Wald und gerieten tiefer und tiefer in die Stauden hinein, bis sie darin stecken blieben. Die Bäume standen zuletzt so dicht, daß des Fortkommens[18] kein Gedanke war, bis der Allgäuer endlich vor einem derben Stamme stehen blieb, den Spieß erhob und wie ein Löw brüllte: »Bygott! durch muß e.« Sprach’s und rannte den Spieß mit solcher Gewalt zur Seite des Baums in den Boden, daß der Knöpflesschwab zwischen Baum und Spieß eingeklemmt wurde, wie ein Treibkeil, und sich weder rühren noch regen konnte. Und das war eben kein Kinderspiel, denn jetzt stockte der Zug vollends, konnte keiner vor- noch rückwärts. Zwar machten die Gesellen einige mächtige Versuche, den Knöpflesschwab aus der Klemme herauszuziehen, aber es war eitel Mühen: der Hans saß fest und wankte nicht. Da war es plötzlich, als ob dem Allgäuer ein großer Gedanke durch das Hirn dämmerte; er lugte um sich und rief: »Bygott! i mießt ’s Teufels sei, wenn mer Gott et helfe tät!« Und er sagte: »Hui Ochs!« und packte den Baum mit gewaltiger Faust und riß ihn heraus samt Wurzel, Stumpf und Stiel. Der Knöpflesschwab, mehr tot als lebendig, schnellte heraus just wie der Ball beim Pritschenschlagen, flog sechs Klafter himmelanwärts und plumpte hernieder, daß die Erde drob wackelte. Die fünf andern aber schauten gar ehrerbietig zu dem Allgäuer empor, denn erst jetzt ging ihnen ein Licht auf, welchen Fund sie an dem Herrn Schulz getan.[19]
Um ein weniges weiter, zeigte sich’s abermals, daß der Allgäuer das Herz nicht im Sprungriemen trug, denn als die sieben sich aus den Stauden herausgefunden, kam ein Bräuer aus München des Wegs, der trieb ein Rudel Borstenvieh vor sich her und man konnt’s ihm auf hundert Schritt ansehen, wes Landes Kind er war. Blieb groß und breit stehen, als er die sieben mit dem Spieß erblickte und zog ein Gesicht, als wollt er die wackern Leut auslachen. Gleich war der Blitzschwab vor ihn her und fragte protzig: »Was luegscht Gsell? hoscht du noh koan Schwohbe gseah?« – »O genug«, gab jener zurück, »bei mir daheim auf der Malzdarre laufen sie zu Tausenden herum.« Meinte spottweise die schwarzen Käfer, also geheißen, weiß keine Menschenseele warum. Das war genug, um dem Blitzschwab, der zu Zeiten giftig war, wie ein Maifrosch, die Laus über den Grind laufen zu lassen. Machte sich an den Baier heran, und gab ihm flugs eine Watschel, daß jenem die Augen hell aufblitzten und die Ohren summten just eben so, wie die[20] große Horniß. Der Baier, nicht faul, langte mit den Armen weitmächtig aus, um dem Schwäblein auch eine zu versetzen; und es wär auch eine gewesen, an die er sein Lebtag gedacht hätte. Nun war aber der Blitzschwab ein putziges Kerlchen, drehte sich auf einem Beine siebenmal herum, und hatte sein Lebtag nichts besser gelernt, als das Ausreißen. So kam es, daß der Baier gar mächtiglich in die Luft schlug, sich um und um drehte wie ein Kreisel, stolperte und zu Boden stürzte wie ein Wiesbaum. Das half ihm zum Garaus; der Blitzschwab stürzte über ihn her wie ein Queckenhamster und packte ihn an der Gurgel, während die andern Hände und Füße hielten und lustig darauf lostrommelten. Er wäre ihrer aber doch letztlich noch Herr geworden, weil er ein großer starker Kerl war, wäre nicht auch der Allgäuer über ihn hergefallen, wie ein Maltersack. Da mußte er Abbitte tun, wohl oder übel, denn das Häufein ließ nicht eher locker und ledig.
Und es geschah, daß die guten Gesellen auf ihrer Weiterreise an einen weiten blauen See kamen, so dünkete es ihnen, denn es war alleweil etwas dämmerig geworden, der schlug Wellen im Wind, und droben an seinem Abhang standen die sieben Schwaben und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten über diesen See kommen möchten. Es war aber kein Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses, der so recht in seiner schönsten, blauen Blüte stand.
»Hotz Blitz!« rief der Blitzschwab, »was ischt doh z‘ tuan? Über des wild Wasser müßet mer nüber.«
»Allgäuer, trag du es nüber, wie der hoilich Krischdof ed Pilgersleut«, sagte der Seehaas. – »Bygott!« antwortete der Allgäuer, »ins Wasser gieng i wohl, wenn’s net tiefer gieng als an de Hals.« Der Nestelschwab griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das edle Kleidungsstück fest zu halten, daß es ihm nicht entfalle, während er mit der andern Hand schwimmen täte; dem Knöpflesschwab war das Ding gar nicht einerlei, er lugte scharf, ob kein Haifisch, Wallfisch oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch die andern ganz verlegen da, bis der Blitzschwab sich hinter ihnen herumdrückte und ein Paar hinunterstieß, indem er ausrief: »Frisch gwohgt ischt halb gschwomme.« Da die nicht untersanken, faßte sich auch der Gelbfüßler ein Herz und tat einen Hupf hinunter; ihm folgte der Blitzschwab und der Nestelschwab mit besserem Vertrauen, und zuletzt[21] ritt der Allgäuer auf dem Spieße hinab, und plumpte drunten einer auf den andern, bis sie merkten, daß sie mit der Nase ins Feld gefallen waren, und allgemach mit etwas gequetschten Rippen sich wieder aufmachten, den Spieß auffischten und an ihm wiederum fürbaß schritten.
Bis zur Stunde hatten die sieben einträchtig an dem Spieße gehalten, war weder Unrecht noch Unfried zwischen ihnen vorgekommen. Da kam der böse Feind und säete Zwietracht zwischen dem Blitzschwab und dem Spiegelschwab mitten hinein. Das trug sich folgendermaßen zu. Als die Schar ein gut Stück weiter kam, war es schon Nacht und der Mond ging eben auf. Da wurde es dem Spiegelschwab wunderlich zu Mute, just wie daheim und meinte: »Jetzt hent mers gwonne, Memmenge ischt nemme weit.« Lugt ihn der Blitzschwab verwundert an und fragt, wie er das wissen könne. Der Spiegelschwab lachte pfiffig: »Werd joh doch de Memmenger Mond kenne.« Drob lachte jener, daß ihm das Wasser aus den Augen rannte, und schrie: »Hotz Blitz! Gsell, wie bischt du so blitzdumm!« Nun vertrug zwar der Spiegelschwab einen derben Puff, hatten ihn oft schon kurz und lang geheißen, aber für dumm gelten wollte er nicht. Das war so eben seine empfindliche Seite. Dies kaum gesagt, hatte der Blitzschwab daher auch schon seine Dachtel. Fuhren nun zusammen die beiden, gerade wie ein paar Metzgerhunde und draschen sich schier um die Wette, den andern zur Kurzweil, bis endlich der Seehaas den Allgäuer bat, Frieden zu stiften. Der ließ sich nicht lange bitten, sondern packte sogleich den Blitzschwaben am Hosenbündel und hielt ihn in der Luft, wie einen Frosch; er mochte zappeln, wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab nicht nach, den Blitzschwaben aufs Brett zu klopfen; daher ergriff der Allgäuer auch diesen und hielt ihn am Leibe unter der Gurgel so steif und fest, daß er bockstarr da stand und nicht mucksen konnte. »Bygott!« rief der Herr Schulz, »i will euch Mores lehre, ihr donnderschlechtige Strohlkerie.« Schüttelte den einen und drosselte den andern immer ärger und ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, daß sie wieder gut Freund sein wollten, was sie denn auch geblieben von der Zeit an bis an ihren Tod.
Es wies sich auch bald aus, daß der Spiegelschwab gar nicht so dumm gewesen, wie der Blitzschwab allermeist geglaubt, denn als sie zwei Viertelstunden Weges gegangen,[22] kamen sie richtig nach Memmingen, wie jener aus dem Monde prophezeit. Aber als ob just dieses Städtlein dem Spiegelschwaben heut nur Unglück bringen sollte, so geschah es alsbald wieder, daß es dem Armen zu Haut und Haaren ging. »Durch Memmenge ganget mer net«, hatte er gesagt und als man ihn ob der Ursache gefragt, hatte er den Kopf geschüttelt und gemeint, er wisse das selbst am besten! Gingen deshalb ringsum die Stadtmauer, die sieben, um just am andern Ende wieder die Heerstraße zu gewinnen. Aber da hat sich’s denn wiederum augenfällig gezeigt, daß der Mensch seinem Schicksal nicht entgehen könne. Denn ehe sich’s der Spiegelschwab versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in einem Ton, der durch Mark und Bein ging: »Bischt endlich wieder doh, du Schlingel? Wo bischt so lang rumkalfaktert, du Galgenstrick?« Dem Spiegelschwab wurde es grün und gelb vor den Augen und vermeinte, sein Ende sei gekommen, denn die Alte war niemand anders, als seine liebwerte Ehehälfte, die er mir nichts dir nichts sitzen gelassen, als er hinausgezogen war mit den andern Gesellen auf die Wanderschaft. Hier galt’s, nicht lange zu überlegen, war daher flugs mit einem Satze hinüber in die Hopfengärten zum großen Jubel der andern, die schier bersten wollten vor Lachen. Aber die Alte, schnell wie eine Bachstelze auf den spindeldürren Füßen, war hurtig hinterdrein und es hätte wohl einen argen Strauß gegeben zwischen den beiden, wenn dem Spiegelschwaben nicht gerade zu guter Stunde ein Schelmenstückchen eingefallen wäre. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte als das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Eilig warf er es über den Kopf, schlüpfte behend in die Tatzen und lief nun auf allen vieren, nicht anders als ein leibhaftiger Bär, rannte brummend auf das Weib zu, umfing sie mit den scharfen Krallen und drückte und herzte sie, daß ihr Hören und Sehen verging. Die Alte war froh, als sie dem Schalk entronnen, der nun freudig mit den andern von dannen zog. Von Stund an aber schreibt sich der Brauch, daß böse Männer von ihren Ehehälften gar häufig Brummbären genannt werden.
»Uf Leid folgt Freid!« rief der Allgäuer und zeigte nach dem Leutkircher Tor, wo ein Wirtshaus stand, über dessen Tür zu lesen war: »Hier schenkt man Märzenbier aus!« War keiner unter den sieben, der nicht gern einen Trunk Bier[23] geschenkt genommen hätte, richteten daher im Nu ihre Schritte nach dem Wirtshaus und langten mit dem Spieße in der Hausflur an, in demselben Augenblick, als der dicke Bräuer vor die Tür trat, nach dem Wetter auszulugen. Als der die Schar erblickte mit dem furchtbaren Spieß, wurde es ihm eben nicht warm ums Herz, zog aber schnell sein Käppchen und fragte höflich nach ihrem Begehr. »Se wellet e bißle sei Bierbrobiere«, sagte der Allgäuer und schritt schnurstracks mit den Gesellen in die Zechstube. Da ward’s dem Wirt klar, daß die Gesandtschaft mit dem Spieße abgeschickt sei von der schwäbischen Kreisregierung, wie wohl zu Zeiten geschieht, um das Bier zu kosten und zu prüfen, ob es preiswürdig sei. Rannte daher spornstreichs in den Keller und holte ein Körble vom Besten herauf, wie er nur für sich und seine Leute gebraut. Das Körble war leer im Umsehen, das zweite in noch kürzerer Zeit, und als die sieben in weniger als zwei Stunden nahe an einen halben Eimer getrunken, meinte der Wirt, er sehe, daß es ihnen schmecke. Der Blitzschwab aber, der immer das Maul vorweg hatte, sagte; »’s kennt besser sei, wenn net z’wenig Malz und Hopfe drin wär.« »Das ist nicht wahr«, versetzte der Wirt, der ein Schalk war, »Hopfen und Malz ist nicht zu wenig darin, aber zu viel Wasser.« Da merkte der Blitzschwab, daß er seinen Mann gefunden, trank noch ein Mäßle und sagte den Spruch, der ihm einfiel:
»In Langesalz, in Langesalz
(kennt au Memmenge hoiße, sagte er)
Braut mer drui Bier aus oinem Malz,
Es erschte hoißet se de Kern,
Des drinket d‘ Burgemoischter gern,
Es andre hoißt es Mittelbier,
Des setzt mer de gmoane Leud fir;
Es dritt des hoißt Covent,
Drink di potz Sapperment!«
Zogen dann allesamt fürbaß und der Wirt in Memmingen schwört heute noch Stein und Bein, daß das Häuflein nichts anders gewesen, als des Memminger Kreises Oberbierbeschauer.
»Uf Leid folgt Freid!« hatte der Allgäuer gesagt, ohne zu bedenken, daß das weise Sprüchlein umgekehrt sich noch[24] bei weitem häufiger bewahrheitet. Es sollte nun einmal Regen und Sonnenschein auf der abenteuerlichen Fahrt der sieben Gesellen fast immer abwechseln, drum war’s eben kein Wunder, daß das arme Häuflein gar bald wieder in die Tinte geriet. Noch drehte und wirbelte es in ihren Köpfen von dem überreichlich genossenen Märzenbier, da harrte ihrer schon wieder das tückische Geschick. Zogen eben bei Kronburg vorüber, da lauschte der gestrenge Herr Junker aus dem Fenster. Mochte ihm nicht recht geheuer vorkommen mit der lustigen Schar, die auch dem Äußern nach nicht eben allzu reputierlich einherzog. Er rief deshalb seinen Schergen und sagte: »Lug einmal nach den Landstreichern da drüben – scheint mir eine saubere Sippschaft zu sein.«[25] Der Scherg nahm sieben Bullenbeißer mit sich, jeder groß genug, um zur Not mit einem Bären kämpfen zu können, und stieg hinab, Jagd auf die unglücklichen Schwaben zu machen. Hatte sie bald ereilt und da der Blitzschwab schnippisch war, wie immer, machte der Haltmichfest kurze Sache und nahm das Häuflein mit sich. Zwar wollte der Allgäuer nicht so ohne weiteres mitgehen, als aber die Hunde gar grimmig knurrten, da senkte er den Spieß mit den Ohren zugleich und trabte hinterdrein. Wurden nun sämtlich vor den Junker von Kronburg geführt, der ein strenges Verhör begann. Der Seehaas machte den Sprecher für alle und erzählte getreulich: Wie in der Gegend am Bodensee ein schreckliches Tier hause, und da hätten sie sich denn als brave Landsleute und biedere Männer zusammengetan aus allen schwäbischen Gauen, um das Land vom Ungeheuer zu befreien.
Das aber glaubte der Junker nicht, sondern blieb bei seiner Meinung, sie seien Strolche und Diebsgesindel, und ließ sie in das Häusle, das ist, ins Gefängnis stecken.
»So geht’s in Schnitzlebutz Heusle,
Doh singet und tanzet die Meusle
Und bellet die Schnecken im Heusle –«
hat der Blitzschwab im Häusle gesungen, aber ganz still, wie ein Mäusle.
Es hatte aber der Junker erst Tags zuvor, da ihn das Zipperlein plagte, den löblichen Entschluß gefaßt, ein Zuchthaus zu stiften zum Schrecken aller Gauner und Tagediebe, zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft und zur Aufklärung des gemeinen Volkes. Da kamen ihm die sieben Schwaben eben recht. Sonst war er ein gar frommer und milder Herr, der sogar seinen eigenen Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben nötig hatte, um sich selbst warm zu kleiden. Befahl daher auch, daß man den Gefangenen Nahrung reichen solle, so weit sie des bedürften. Der Spiegelschwab aber, der ihn wohl kannte und wußte, daß Schmalhans in dessen Küche und Keller hauste, legte seinen Plan darauf an, welchen er den Gesellen mitteilte. Wie also der Scherg Mittags eine große Pfanne voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen, brachte, sprach der Blitzschwab zum Knöpflesschwaben: »Die ghairet wohl for di?« Der Scherg meinte, das sei wohl für alle genug. Der Knöpflesschwab aber sagte,[26] er wolle lugen, ob’s für ihn lange, setzte sich und aß die Pfanne allein aus, so daß kein Krümchen noch Bröckchen übrig blieb. Der Scherg erschrak und lief zum Junker, meinend, man müsse für die Landstreicher eine ganze Braupfanne voll Spätzle auf einmal kochen, und das sei, dünke ihm, noch nicht genug. Da ging der Junker von und auf Kronburg in sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und der Menschheit kein so großes Opfer schuldig, daß er sich aushungern lassen sollte in seinem Schloß um einiger wenigen Strolche willen. Stracks wurden die sieben in Freiheit gesetzt, nur daß ihnen der Junker noch einen Steckbrief mit auf den Weg gab, um andere Behörden und Kerkerknechte pflichtschuldigst vor des Knöpflesschwaben großer Freßsucht zu warnen.
Nach mehr als einem andern Abenteuer, das zu viel wäre zu erzählen, gelangten die Schwaben an einen großen See, und da sagte der Seehaas, der ihn gleich erkannte: »Des ischt der Bodesee.« An dessen Ufer sollte, wie die Sage ging, das gefährliche Ungeheuer hausen, welches zu bekämpfen und zu erlegen die sieben Schwaben sich bekanntlich fest vorgenommen hatten. Da sie nun des Sees ansichtig geworden und zugleich des Waldes, in dem das Ungeheuer sich aufhielt, man wußte nicht, war es ein greulicher Lindwurm, oder ein feuerspeiender Drache, so fiel ihnen zumeist das Herz in die Hosen, sie machten Halt und zündeten ein Feuerlein an, auf daß der Knöpflesschwab noch zu guter Letzt (denn wer konnte wissen, ob das Untier sie nicht allesamt mit Haut und Haar verschlingen werde, mit oder ohne Spieß), eine Mahlzeit Knöpfle oder Spätzle bereite, und stellten während dem Essen Todesbetrachtungen an. »Joh«, sagte der Allgäuer und seufzte recht von unten ‚rauf, »’s ischt e Sach, wenn mer bei sich so recht bedenkt, daß mer zum letzten Mohl in seim Leben z’Mittag ißt.« Und wieder seufzte er und sagte: »’s ischt e Sach!« und der Knöpflesschwab fing an still vor sich hin zu flennen, wobei er jedoch des Essens nicht vergaß. Als aber der Allgäuer zum dritten Mal ganz erschrecklich tief seufzte und sagte: »’s ischt e Sach!« da fingen sie alle an so erbärmlich zu flennen und zu heulen, daß es einen wilden Heiden hätte erbarmen können. Der Nestelschwab allein ließ sich das Sterben nicht zu Herzen gehen; denn, sagte er, mein Mutter hat mir oft gesagt, daß mein Stündlein gar niemals kommen würde. Heulte[27] aber dennoch aus gutem Willen zur Gesellschaft mit. Als sie aber endlich nicht mehr konnten, fiel’s ihnen doch ein, daß es Zeit sei, ihre Schlachtordnung herzurichten; dabei gab es aber allerlei Span und Zwietracht. Der Allgäuer sagte, er sei bislang emmer der vorderscht gwe, ’s wär jetzt Zeit, daß er au emohl der henterscht sei, und es soll der Blitzschwob voran. Der meinte aber: »Curasche han i gnueg em Leib, aber net Leib gnueg for d‘ Curasche und dehs Bescht von Ongheuer.« Der Spiegelschwab wischte sich die Nase am Ärmel und tat den Vorschlag, es solle doch wohl besser sein, wenn einer für alle sterbe, und meinte, der Knöpflesschwab können ihnen diesen kleinen Gefallen tun; der aber schrie Zetermordio, als habe ihn das Ungeheuer schon am Schlafittich. Und so sprachen und stritten sie noch eine Weile hin und her, bis sie sich friedsam einigten und hurtiglich mit ihrem Spieße vorwärts schritten, gerade auf den Wald zu, wo das Untier hausen sollte. Ehe sie den erreichten, kamen sie an einen Rain davor, da saß ein Has und machte ein Männlein, und streckte die langen Löffel in die Höh; das war den Schwaben grauentlich anzuschauen, hemmten darum ihren Schritt, hielten Rat und besannen sich, ob sie vorwärts rücken und aufs Untier einrücken sollten mit lang vorgestrecktem Spieß, oder ob sie sich zur Flucht wenden sollten; doch hielt jeder fest am Spieß.
Da nun der Veitle hinten am meisten in Numero Sicher war, schwoll ihm der Kamm und er schrie dem Schulzen zu, der vorne stand:
»Stoßt zue in äller Schwobe Name,
Sonscht wünscht ih, daß ihr möcht erlahme!«
Der Hans, des Veitle Gehlfießlers Vordermann, Knöpflesschwab, spottete der Curasche des Veitle, indem er sagte:
»Beim Element, du hoscht guat schwätze,
Du bischt der letscht beim Drachahetze!«
Dem Michel sträubte die Herzhaftigkeit das Haar empor, er blickte gar nicht hin nach dem Ungeheuer, sondern sprach mit abgewandtem Gesicht, indem er den Ärmel seinem Gesicht näherte:
»Es wird net fehle um a Hoar,
So ist es wohl der Teufel gar!«
Jergle lugte dem Michel ins Gesicht, und schauete auch gar nicht hin nach dem Bescht von Ungeheuer, indem er zaghaft beistimmte:
»Blitz! ischt er’s net, so ischt’s sei Mueder,
Oder’s Teufels sei Stiefbrueder!«
Dem Marle Nestelschwab, der sich schon ziemlich weit vorn am Spieß befand, daran die Schwaben gingen, gefiel sein Platz nicht, und er hatte einen guten Einfall; er kehrte sich auch um, da er nicht für nötig fand, das Ungeheuer anzusehen, und rief dem Veit zu:
»Gang, Veitle, gang, gang du vorahn,
I will dohente for di stahn!«
Veitle drückte aber seine Ohren auf und tat, als hörte er nicht, worauf der Marle zu Jockele sagte:
»Gang, Jockele, gang, gang du vorahn
Du hoscht Sporn und Stiefel ahn,
Daß di der Drach net beiße kahn!«
Aber Jockele fand seinen Trost darinnen, daß der Allgäuer an der Spitze des Spießes der sieben Schwaben und des zu bestehenden Abenteuers stand, und sagte:
»Der Schulz, der mueß der erschte sei,
Denn ehm gebiehrt die Ehr allei.«
Schulz Allgäuer faßte sich ein Herz und sprach mutig, da es nun einmal in die unvermeidliche Gefahr ging:
»So zieht denn herzhaft in de Streit,
Dohran erkennt mer tapfre Leut.«
Und so ging es in Gottes Namen und im Sturmschritt auf das Ungeheuer los, und als dem Schulzen das Herz pfupferte, konnte er sich seiner Angst nicht erwehren und schrie: »Hau huelhau! Hau, hauhau!« Da erschrak der Has und gab spornstreichs Fersengeld querfeldein, und lief, was er laufen konnte. Jetzt rief Schulz Allgäuer freudiglich:
»Potz Veitle, luag, luag, was ischt das?
Es Ohngeheuer ischt noh e Haas!«
»Hoschts gsehe? Hoschts gsehe?« fragten sich nun die andern unter einander. »Hotz Blitz! E Ding wie ne Kalb!« rief der Blitzschwab. Der Nestelschwab tat seinen größten Fluch: »Mit Verlaub! Daß dih es Meusle beiß‘! E Tier wie ne Mastochs!« »Oho!« rief der Knöpflesschwab: »En Elefand ischt noh e Katz gegen des Ohntier.« »Bygott!« erwiderte der Allgäuer, »wenn des koa Haas gweh ischt, noh woiß i de Dreimänner-Wei vom Racheputzer net z‘ unterschaide!«
»Noh, Noh!« vermittelte der Seehaas: »Haas her! Haas hen! E Seehaas ischt halt greßer und gremmiger, als älle Haase im heilige remische Reich.« »Wie der Seewei seurer und herber als älle Wei im heilige remische Reich«, sagte hinten der Gehlfüßler, und über diese Anzüglichkeit hätte ihm der Seehaas fast ein Paar Watscheln gegeben, denn es kränkte ihn schwer, daß der Veitle über den Seewein spottete, der ihm von Kindesbeinen an geschmeckt. Mit den Seeweinen verhält es sich aber also: es gibt ihrer drei Arten, zum ersten der Sauerampfer, schmeckt nur ein weniges besser als Essig und verzieht das Maul nur ein bißchen, zumal wenn man sich daran gewöhnt hat. Die zweite Gattung ist Dreimännerwein geheißen, steht im Geschmack nach 10 Grad unter Essig und wurde so getauft, weil man behauptet, daß derjenige, so ihn zu trinken verurteilt, von zweien gehalten werden muß, während ihn ein dritter eingießt. Die dritte Sorte ist der Rachenputzer, hat die rühmliche Eigenschaft, daß er Schleim und alles andere abführt, tut aber dabei not, daß wer sich mit dem Wein im Leib schlafen legt, in der Nacht sich wecken lasse, damit er sich umkehren möge, sonst möchte ihm der Rachenputzer ein Loch in den Magen fressen.
Da nun das Abenteuer mit dem Ungeheuer von den sieben Schwaben so glückhaft bestanden war, so wurden sie eins nunmehr von ihren Taten auszuruhen und wieder friedlich heimzuziehen. Zuvor aber tat not, ein Siegeszeichen zu errichten, das der Mit- und Nachwelt ihren Triumph auf ewige Zeiten vermelde. Da nun unmöglich war, wie vor Zeiten tapfere Ritter getan, die Drachenhaut in einer Kirche aufzuhängen, dieweil kein Drache sein Fell zu Markte getragen und der Has in seinem Balg wohlbehalten entkommen war, so wurden die guten Gesellen dahin eins, ihr Bärenfell und ihren Spieß als eine Trophäe in die nächstgelegene Kapelle zu stiften, die hieß man hernach die Kapell zum schwäbischen Heiland. Dort wird wohl der Spieß noch hängen, das Bärenfell aber haben die Motten verzehrt, und die Sperlinge haben die Haare in ihre Nester getragen.
Quelle: Ludwig Bechstein: Sämtliche Märchen. München 1971, S. 15-31. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004533178
Balladen und Gedichte
D’r Mau im Zuber
Wenn ma’s Wasser a’glau haut,
isch d’r Bach ganz leer;
Und wenn’s nau grad brenna tät,
Wo käm’s Wasser her?
Vor sei Haus stell jeder drum,
Woisch ja it, ob’s brennt,
Wasser im a Zuber na,
Daß ma löscha könnt!
Wia bei’r Nacht vom Löa gahnd
Hoim zwoi hohe Rät,
Scheint d’r Mau in zuber nei,
’s isch scho ziemlich spät!
Schreiet boid d’r polizei
Und em Fischr Lang.
Daß’r unsern liaba Mau
In dem zuber fang.
Ob er’n kriagt haut, will ma it
Jeden wisse lau!
Wenn du’s gwiß drum wissa willscht,
Fraug halt sell da Mau!
Hugo Maser
Quelle: Ansichtskarte von Josef Madlener 1908 (siehe Abbildungen der hist. Ansichtskarten)
Literatur
➥ 🛒 Hier findet ihr Literatur zu Memmingen
Der Link leitet zur Seite von Amazon. Dies ist für mich die einfachste und effektivste Art, auf Literatur hinzuweisen – denn dort finden sich Abbildungen, Preise und Rezensionen. Bestellen könnt ihr die Bücher dann beim lokalen Buchhandel 😉
Anmerkung: Es handelt sich beim Link um einen „Affiliate-Link“. Falls ihr nach dem Aufruf etwas bei Amazon bestellt, erhalte ich eine geringe Provision, mit der ein Teil der Server- und Websitekosten gedeckt werden kann.