In den Sagen tauchen Begriffe und Namen auf, deren Herkunft auch aus vorchristlicher Zeit stammen.
In vielen Orten Oberschwaben sind Geschichten vom „Wuotas“ oder „Muotes Heer“ überliefert. Diese haben ihren Ursprung vermutlich aus dem germanischen Götterkult.

Franz Ludwig Baumann nennt in seiner Abhandlung über die „Geschichte des Allgäus“ folgende Erläuterungen:

„Asen waren Wuotan, Donar und Ziu, die gewissermaßen eine Art altdeutscher, heidnischer Dreieinigkeit bilden. Wuotan, der höchste Gott der Deutschen, ist der Gott des Lebens; er ist der alles durchdringende, schaffende, bildende Geist. Heilig ist ihm darum das Licht, der in den Wolken jagende Sturm, das sturmschnelle Ross, der luftbeherrschende Adler. Als Lebensgott ist Wuotan der weise, alles leitende, die Guten lohnende, die Bösen strafende Gott, aber auch der des Krieges. Wuotan ist einäugig, denn sein Auge ist die Sonne. Thront er in Walhalla auf seinem, die ganze Welt überschauenden Hochsitz, so sitzen auf seinen Schultern seine Boten, die beiden Raben Hugin (d. i. Gedanke) und Munin (d. i. Erinnerung), während zu seinen Füßen zwei Wölfe lagern. Er reitet mit breitem Hute oder mit blitzendem Helme bedeckt, von weitem Mantel umwallt, auf weissem Rosse und durchwandert um zu lohnen und zu strafen mit Donar die Erde; ein Zug, den die christlich umgestaltete Sage auf Christus und Petrus übertragen hat.

Wuotans Tag war bei den meisten deutschen Stämmen der Mittwoch, der deshalb auch Gudenstag genannt wurde und bei den Engländern noch Wednesday heißt; bei den Schwaben aber war, wie es scheint, der Montag dem Wuotant heiligm denn die Schwaben hießen noch im 15 Jahrhundert nicht den Mittwoch, sondern ben Montag Gutentag.

Wuotans Name lebt heute noch im Allgäu; denn dort heißt das in den heilige Nächten ziehende wilde Heer, das eigentlich Wuotans kriegerisches Gefolge ist, geradezu s’Muotas. Eine heilige Stätte Wuotans endlich war der Auerberg, denn beim Bau der Kirche auf diesem Berge hat der hl. Georg nächtlicher Weise mitgeholfen. Hierbei schildert die Sage diesen Heiligen auf blendend weissem Rosse reitend, mit Purpur angetan, den silberstrahlenden Helm auf dem Haupte, mit Drachen und Ungetümen kämpfend. Züge, die sämtlich von Wuotan entlehnt sind und beweisen, dass hinter der Gestalt dieses heiligen Ritters eigentlich der alte Heidengott steht und dass die heidnischen Nachbarn des Auerberges diesen als Lieblingsstätte Wuotans verehrt haben. Ein Opferplatz für denselben war sodann Roßhaupten, worüber wir in Bälde mehr zu sagen haben werden. Wuotans Name endlich wurde bei unsern Voreltern ebenso wenig wie die Namen der übrigen Asen auf Personen übertragen, sichtlich aus scheuer Ehrfurcht. Dafür waren jene Personen-Namen um so beliebter, welche die der thierischen Gefährten Wuotans, des Wolfes und des Raben enthielten, wie Wolfolt, Wolfram, Rudolf, Rambert u.s.w.

Der zweite Ase ist Donar, der über Wolken und Regen gebietende, in Blitz und Donner sich ankündigende Gott, dessen Donnerkeile turmtief in die Erde fahren. Rot ist sein Antlitz, rot sein Haar, rot sein Bart heilig ist ihm die rote Flamme, der

rote Fuchs, der goldrotglänzende Hahn. Donar fährt in einem von schwarzen Böcken gezogenen Wagen durch die Lüfte, kämpft mit seinem zermalmenden Hammer während des Winters im fernen Osten mit den Frostriesen und kehrt im Frühjahre, wenn die warmen Regen wiederkehren und der Donner wieder rollt, zurück. Sein Hammer trifft die Drachen und Bergriesen, zertrümmert das öde Gestein und zermalmt es zu fruchttragendem Erdreich. Donar ist deshalb Gott der Fruchtbarkeit und ebendarum auch der Ehe, die er mit seinem Hammer segnet. Er zwingt die Wasserströme in das regelnde Bett und wölbt aus den Leibern der ihm dem holden menschenfreundlichen Gotte deshalb die Brücken und Straßen Sein Tag ist der Donnerstag Riesen Brücken über die Gewässer. Heilig sind ihm, dem holden menschenfreundlichen Gotte, deshalb die Brücken und Straßen Sein Tag ist der Donnerstag.

Der dritte Ase ist Ziu, der Gott des Krieges und des Ruhmes, dem der Zinstag (Dienstag) d.i. Ziu’s Tag, geweiht ist. Sein Sinnbild ist das Schwert, weshalb zu Ziu’s Ehren die deutschen Jünglinge Schwerttänze aufführten und weshalb es noch im Mittelalter Sitte war, beim Schwerte zu schwören. Besondere Verehrer dieses Kriegsgottes, dessen Name mit dem des griechischen Zeus und des römischen Jupiter (Djus pater d.i. Vater Zeus) ganz und gar übereinstimmt, waren eben unsere Ahnen, die ihm, wie uns bereits bekannt, im Semnonenhaine Menschen opferten und die wegen ihres Ziudienstes noch im 8. Jahrhundert geradezu Ciuuwari. d. h. Mannen des Ziu, genannt wurden.

Aus dem Gesagten folgt übrigens, dass die Asen (und das gilt auch von den übrigen altdeutschen Göttern) nicht scharf geschieden sind, dass ihre Wirkungskreise sich berühren und ineinander übergehen. Die germanische Phantasie vermochte es nicht, ihre Gottheiten so scharf zu personifizieren, wie die griechische Einbildungskraft ihre Götter gestaltet hat. Unläugbar sind Wuotan, Donar, Ziu nur verschiedene, nach und nach zu eigenen Personen herausgewachsene Seiten einer und derselben Gottheit, die den lichten Himmel darstellte und die Ziu hieß; denn dass dieser Gott der älteste der Asen ist, dafür zeugt die Identität seines Namens mit Zeus und Jupiter. Ziu wurde bereits in jener grauen Vorzeit gefeiert, da die Ahnen der Deutschen Italiker und Griechen noch ein einiges Volk bildeten. „
zitiert aus: Baumann, Franz Ludwig (1846-1915): Geschichte des Allgäus : von den ältesten Zeiten bis zum Beginne des neunzehnten Jahrhunderts / 1. Von der ältesten Zeit bis zur Zeit der schwäbischen Herzöge (1268) , Kempten, 1881
Link: https://www.google.de/books/edition/Geschichte_des_Allgäus/iKconzVNl7IC

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