Unterkapitel
Reformation
Die Reformation in Oberschwaben ging vor allem von den freien Reichsstädten aus.
Reformation in Isny
Reformation in Memmingen
Er wäre nicht der erste gewesen, der sich entweder zum Widerruf verstehen oder in Kerkerhaft hätte schmachten müssen. Bisher war es dem Rat immer noch gelungen, die Rolle eines Vermittlers zwischen beiden Parteien zu führen; jetzt trat die Forderung, sich zu entscheiden, mit wem er es halten wolle, immer dringender an ihn heran. Zunächst beschloss man, zwei Abgeordnete, den Hans Keller und Bernhard Strigel, an den Bischof zu senden, um ihn zu vermögen, entweder die Vorladung zurück zu nehmen, oder Schappeler in Begleitung zweier Freunde nach Augsburg kommen zu lassen. Die Abgeordneten hoben hervor, das Schappeler in der Stadt sehr beliebt sei, einen durchaus erbaulichen Wandel führe und nichts, denn das Wort Gottes predige. Alle Vorstellungen waren vergebens. Schappeler wurde in den Bann getan. Noch ein anderes Ereignis hatte in jener Zeit die Bürgerschaft in Aufregung vesetzt. Der Antonierpräzeptor forderte den Barfüßermönch Johann Wingler, welcher von Lenzfried bei Kempten nach Memmingen gekommen war, um eine Sammlung vorzunehmen, auf, bei St. Martin eine Predigt zu halten. Er nahm das Anerbieten gern an und verteidigte mit dem höchsten Eifer den Kultus der Maria und der Heiligen. Diese Predigt verursachte eine große Bewegung, weil man darin eine Herausforderung Schappelers fand. Dr. Wolfhart und Hans Lodweber forderten den Mönch auf, mit Schappeler zu disputieren; Schappeler selbst drang ebenfalls darauf, widrigenfalls er ihn am Sonntag für einen Ketzer erklären werde. Wintzler beschwerte sich beim Rat, welcher klug die Sache zu erledigen verstand, indem er dem Mönch ein Gefährt anbot, um ihn möglichst bald aus der Stadt zu bringen, und dem Schappeler es untersagte, „Stupfworte” gegen Wintzler vorzubringen.
Am Abend des 28. Februar 1524 fand man an der St. Martinskirche einen Zettel angeschlagen, wodurch Schappeler in den Bann getan wurde. Nun war die Frage: Was wird der Rat tun? Erkennt er den Bann an und sagt sich los von Schappeler? Oder verweigert er dem Bischof den Gehorsam und hält es mit dem beliebten Prediger? Mit aller Klugheit lies sich hier kein Ausweg mehr finden, wie bisher. Es hieß: Entweder — oder. Und der Rat entschied sich hier für Schappeler. Sofort lies er den Bannzettel an der Martinskirche herunterreißen und kündete damit dem Bischof den Gehorsam auf. Die Freunde und Anhänger Schappelers spotteten über den Bann. Trotzdem der Würfel gefallen war, hielt es der Rat nicht für gut, die evangelische Partei allzu sehr zu begünstigen, mit Rücksicht auf den Augsburger Bischof, mit dem man es nicht ganz verderben wollte, weil er schon mit einem Einschreiten des schwäbischen Bundes gedroht hatte. Um nicht einem etwaigen feindlichen Ueberfall ausgesetzt zu sein, machte Memmingen den Versuch, eine Verbindung mit den oberschwäbischen Städten anzuknüpfen, der aber scheiterte. Der Rat hatte eine sehr schwierige Stellung, die Erbitterung zwischen beiden Parteien wuchs von Tag zu Tag.¹
(…) Der Zulauf zu Schappeler3 Predigten wurde immer größer, in Scharen ftrömten die Leute aus den benachbarten Dör— fern herein, um die neue Lehre Fennen zu lernen. (..) Zugleich untersagte (der Rat) dem Pfarrer Megerich, den Prediger von St. Martin zu schmähen; „er solle ungeschickte Reden vermeiden“.
Um am Weihnachtsfeste 1524 nachmittags es zu verhindern, daß Helfer Mösch eine evangelische Predigt in der Frauenkirche halte, zog Megerich die Vesper so lange hinaus, dass es beinahe dunkel wurde. Dadurch machte er die Kirchenbesucher unwillig, es entstand ein Tumult in der Kirche, so dass Megerich in Lebensgefahr geriet und sich nur dadurch retten konnte, daß er sich zu einer Disputation mit Schappeler bereit erklärte.Mit diesem Versprechen war die aufgeregte Menge zufrieden. Das Religionsgespräch wurde auf den 2. Januar 1525 anberaumt. Der Rat ließ dazu alle Welt- und Klostergeistlichen einladen und ernannte den Dr. Wolfhart zum Vorsitzenden. Die Disputation fand auf dem Rathause statt und währte fünf Tage. Dr. Schappeler legte sieben Artikel vor, nach denen er bisher schon gelehrt und gepredigt hatte, und erbot sich, dieselben aus der heiligen Schrift zu beweisen. Diese Artikel waren:
1) Die Ohrenbeichte, welche bisher mit Zwang des Gewissens den Priestern abgelegt werden musste, sei nicht nötig, sondern die zu Gott treulich geschehene heilsam.
2) Die Anrufung der Mutter und der Heiligen Gottes mit kirchlicher Pracht sei unzulässig.
3) Den Zehnten aus göttlichem Rechte zu geben, wisse das neue Testament und Gesetz nicht zu sagen.
4) Die Messe, das Nachtmahl Christi genannt, sei kein Opfer, sondern ein Wiedergedächtnis der gewissen Verheisung der Verzeihung der Sünden, von Gott uns gemacht und durch den Tod seines einigen Sohnes bestätigt.
Aus der Schrift wisse man von keinem Fegefeuer zu sagen.
Das heilige Sakrament des Altars solle ganz, in. beiderlei Gestalt und nicht halb, allen Chriften, so es begehren, nach dem Worte und Befehl Christi mitgeteilt werden.
Ein einiges geistliches Priestertum mit geistlichem Opfer und Amte, nicht zweierlei, wie die Papisten sagen, sei allen Christgläubigen gemein.
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Fußnoten
¹ Stark, Karl Friedrich: Die Reformation im unteren Allgäu : in Memmingen und dessen Umgebung, Halle a.S. : Verein für Reformationsgeschichte, 1895, Seite 13 f.