Reichstag zu Augsburg 1530
Unterkapitel
Quellen zum Reichstag zu Augsburg 1530
Hier sammle ich verschiedene Texte, die den Reichstag zu Augsburg 1530 beschreiben. Es handelt sich um „Beifang“ bei der Suche nach örtlichen Sagen und Mythen Oberschwabens.
Den folgenden Text von Hans Wilhelm Kirchhof (1525-1605) habe ich zur besseren Lesbarkeit transkribiert und sachte an die heutige Schrift und Rechtschreibung angepasst, dabei den Duktus weitgehend beibehalten. Quelle siehe Fußnote 1, Copyright: BY-NC-SA
Vorgeschichte
Kaiser Karl V. wurde 1530 in Bologna (=“Bononia“) von Papst Clemens VII zum Kaiser des Deutschen Reiches gekrönt und war dann zum Reichstag nach Augsburg aufgebrochen – auf dem auch über die Lehre Luthers und die Reformation entschieden werden sollte.
Zusatzinformation auf Wikipedia
➥ Kategorie Reformation (Deutschland)
Kaiser Caroli zog von Bononia nach Augsburg¹ ²
„Danach macht sich der Kaiser auf, nämlich anno 1530, in Deutschland den Weg zu nehmen, auf den großen Reichstag gen ➥ Augsburg zu ziehen. Kam also durch der Venediger Land heraus, die ihm viel Ehr erboten, etliche laufende Weinbrunnen, so lang er bei ihnen gewesen ist, gemacht und gehen lassen; darzu ihn mit allem Hofgesinde ganz frei allenthalben ausquittieret und gehalten. Als er nun gen Innsbruck rücket und von dannen am Montag den 6 Juni auf Prag, teilet er sich, Nachtlager und Proviant halber, auf zwei Straßen, auf München und Augsburg zu.
Ist also selbigen Tags gen Schwatz gekommen, alda sind ihm bei 5000 Erzknappen auf eine halbe Meile entgegen gezogen, wohl gerüstet, haben sich in zwei Haufen gegeneinander in Schlachtordnung geteilt, etwa dreihundert Schritt voneinander, allweg 11 Mann in ein Glied gestellt; bei 1600 Buben waren verordnet, hinten an den Haufen zu fallen, ein Spiegelfechten zu machen, und dem Kaiser in den Flecken zu geleiten. Daselbst ist der Kaiser von den Bergherrn ehrlich empfangen und mit einem silbern dicken Pfennig, siebenzehn hundert Gulden wert, verehrt, der wunderbarlich mit einem Adler in der Mitte und mit alle seinen Königreichen und Landwappen außen herum geprägt gewesen ist. Da hat er das Bergwerk alles besichtigt, von dannen bis gen Kopfstein auf dem Wasser gefahren. Da sind ihm entgegen geritten Herzog Wilhelm und Ludwig, beide Fürsten zu Bayern, bis gen Rosenheim, und dann weiter bis gen München begleitet.
Unterwegs, den 9, 10 Juni, haben diese Fürsten sehr lustige Jagden ausgerichtet, an drei Orten drei mal. Allda sind oftmal vier oder fünfhundert Stück Wild und Hirsch gesehen worden. Freitag in der Pfingstwochen ist der Adel, Kaufleute, Bürgerschaft und Landvolk aus Ober- und Nieder-Bayern dem Kaiser mit solchem Triumph und Ehren entgegen gezogen und ihn empfangen, als sonst kaum, sonst an einem andern Ort, nämlich also: fast hundert Stück Geschütze auf Rädern bei einer halben Meile Wegs außer der Stadt München auf ein gelegenen Platz geführt, alles Volk zu Ross und Fuß fast wohl geputzt mit Federbüschen und andern Liberey, Heerpauken, Trompeten etc. Daneben nach gehaltener Musterung wurden in einer Schlachtordnung fünfhundert und fünfzig Pferde neben das Fußvolk geführt. Vom gemeinen Volk ist gewesen in dem verlorenen und Haupthaufen ungefähr 1600.
Nachdem nun der Kaiser und König mit viel Kardinälen, Bischöfen, Fürsten und Herrn dahin gekommen sind, ist vor dem Haufen ein fast musterliches Schloss aus Leintuch, zwölf Ellen lang, breit und hoch, mit seinen anhängenden Türmen und Basteien fast wirklich gebaut, mit ausgesteckten Fähnlein, nebenzu mit etlichen Knechten und Handgeschütz besetzt; welche die hieraußen mehrmals mit einem feindlichen Geschrei und Sturm angelaufen, die aber in der Besatzung zum Teil herausgefallen, gegeneinander gescharmützelt und geschossen, und sich so so feindlich gegeneinander gebart, wodurch auch etliche in diesem Scherz umkamen.
Beide, der Kaiser und König, als sie sich dem Haufen näherten, ist das Hagel und Handgeschütz abgangen, zum letzten das grobe Geschütz nach gemaltem Schloss von Tuch und sonst gezimmert überzogen und steinfarben angestrichen gewesen und es also zu Haufen gefallen. Als man sich nun zum Einzug gewendet, hat im Mittelweg ein fliegender Drache in den Lüften fast wirklich zugericht geschwebt, so lang bis der Zug vorüber gewesen ist. Nahend bei der Stadt haben sich etliche Fischergesellen, in blaue und weiße Leinenhosen und Wams gekleidet, zu einem umlaufenden angestrichenem Fass, so im Wasser auf einer Stangen aufgerichtet, gestochen, und zum Teil in das Wasser gefallen; ist fast lustig und lächerlich zu sehen gewesen.
Wie man über die Isarbrücken kommen, hat man auf den Türmen und Mauern gewöhnliche Freudenschüsse getan. Und sind sie mit großer Pracht, der hier lang wäre zu erzählen, eingezogen. Zu des Kaisers rechten Seiten sein Bruder der König, zur linken aber der päpstliche Legat Campegius, in einem roten Scharlach, mit einem vorgeführten Kreuz, geritten. Dem Kaiser ist das Schwert und zwei gekrönte Säulen vorgeführt worden. Auch die Herolde mit ihren Paludamenten vorgeritten, neben viel Fürsten, Bischöfen und Herren. Als sie nun in die Stadt kommen, etwa zweihundert Schritt vom Tor, war auf einer Bühne lieblich, künstlich und wohl geordnet, dass männiglich verwundert und nicht wohl möglich zu verbessern gewesen wäre, die Historia Esther agieret, danach abermal über 200 Schritt die Geschichte Thomyris, die dem König Cyro sein abgeschlagen Haupt in einen Zuber voll Blut stößt. Und zum dritten in der Burggasse die Geschichte Cambysis Persae mit dem ungerechten Richter; dies alles mit so lebendigen artigen Posen. Auch auf dem Platz ein Haus von Holzwerk und Leinwand mit etliche hundert Schlüsselschützen zugerichtet, zum Freudenfeuer angezündet und zu Pulver verbrannt.
Dieses Bankett allhier hat vier Tage gewährt. Etliche fürstliche Tänze in des Herzogs Lustgarten und Jagden gehalten, da hat der Kaiser mit des Herzogen von München Gemahl den ersten Vortanz gehabt. Und am 14 Juni aufgebrochen auf Augsburg zu, sind aber über Nacht im Kloster Fürstenfeld verblieben.
Auf den 15 hujus ritten alle Kurfürsten, Fürsten und Herrn, zu Augsburg versammelt, dem Kaiser entgegen. Und als sie bis ungefähr fünfzig oder sechzig Schritt zum Kaiser genaht, sind sie allzumal zu Fuß von ihren Rossen abgestanden und ihm entgegen gegangen, denselbigen zu empfangen. Desgleichen tat auch der Kaiser und König eilends, wiewohl ihnen das verwehrt und vorzukommen geeilet ward. Er aber, der Kaiser, reichte erstlich den Kurfürsten, so auch allen Fürsten, die Hand, und erzeigte sich gegeneinander ganz freundlich. Nachdem empfing der Kardinal und Erzbischof von Mainz amtshalber, als des römischen Reichs Erzkanzler und Kurfürst, von wegen aller andern Kurfürsten und Fürsten, den Kaiser mit einer zierlichen wohlgesetzten Rede, darauf im Namen des Kaisers Pfalzgraf Friederich freundlich antwortete und dankte.
Jetzt ist der Kaiser nahend bis zum Stadttor gekommen, sind die Bürgermeister und Rat dem Kaiser zum drittenmal zu Fuß gefallen und denselbigen, wie sich gebührt, empfangen. Und also neben dem Kaiser zu Fuß in die Stadt gegangen. Bei anderthalb hundert Pferden wohl angetan, von Bürgern, Söldnern und Kaufleuten von Augsburg, darunter etliche Kürassiere. Vier Fähnlein Fußvolk angenommen, so auch bei 2000 Bürger und Einwohner der Stadt dem Kaiser entgegen gezogen. Danach ist der Kaiser, wie sich diese zu beiden Seiten geteilt, und in Seide und Samt, so auch ihre Rüstung und Wehren aufs lustigste gewesen, zwischen ihnen hingezogen. Hierauf hat man etliche große Geschütze nach einem Ziel abgehen lassen.
Der Einzug währte von drei Uhr an bis in die Nacht. Unter dem Tor haben vier des Rats einen fast köstlichen Himmel getragen, darunter der Kaiser bis mitten in die Stadt geritten. Daselbst ihm der Bischof von Augsburg samt der ganzen Klerisei mit der Prozession und dem Himmel, welchen sechs Turmherrn getragen, entgegen kommen, darunter sie ihn mit großer Reverenz empfangend bis vor die Turmkirch geleitet. Allda ist der Kaiser abgestiegen, in die Kirche zu gehen, daselbst ihn der Bischof eingesegnet und Te deum laudamus zu singen angefangen. Nachmals ist der Kaiser auf die Pfalz, als sein Losament, gezogen, dergleichen ein jeder nach seinem Quartier.
Donnerstag den 16 Juni, am Tage Corporis Christi, ist der Kaiser selbst mit allen Kurfürsten, Fürsten etc., ausgenommen Herzog Hans von Sachsen, Herzog von Lüneburg, Markgraf Georg von Brandenburg und der Landgraf zu Hessen, mit der Prozession gegangen. Der Kardinal von Mainz hat die Monstranzen unter dem Himmel den sechs Fürsten getragen und oft umgewechselt, der König ist dem Bischof zur rechten, und Markgraf Joachim zur linken Seiten gegangen. Außerhalb des Himmels der Kaiser bloßes Haupt allein, mit einem köstlichen brennenden Windlicht. Danach alle geistlichen Kurfürsten, Fürsten etc., vor der Monstranz alle weltlichen Kurfürsten, Fürsten etc., beider Maiestäten Hofmeister, Ehrenholden, Trompeter, Heerpauker etc., ganz vorn die Priesterschaft und alles Hofgesinde, jedes mit einem brennenden Windlicht.
Am 26 Juni hat der Kaiser auf dem Weinmarkt etlichen Fürsten Regalia und Lehen unter der Fahne geliehen. Sein Geschmück und Kleidung ist dieses Tags auf 300.000 Gulden geschätzt worden. Anders mehr hier übergangen.
Den 5 Septembris hat König Ferdinandus etliche Lehen, das Herzogtum Osterreich belangend, empfangen, eine kleine Meile von Augsburg auf einer Wiese und weiten Platz im Feld, ungefähr vom Schloß Wollenburg. Im hinausziehen der Herrn wurde der Markgraf von Baden hart auf ein Bein geschlagen und verletzt von einem Ross. Ob gedachten Tags haben sich zwei Haufen, der eine in rot und gelb, der andere in braun und weiß, zum ritterlichen Schimpf geschickt; alle Kleidung und Rossdecken von Damast zugerüstet. Mittlerer Zeit, ehe diese zwei Geschwader aufgezogen, haben sich vier Paar Stecher vom Adel länger denn eine Stund gebraucht und viel Kurzweil angerichtet. Darauf sind beide gedachte Geschwader, eins dem Kaiser, das andere dem König zugetan, darbei sie beide persönlich gewesen, alles Kürassiere, mit langen, leichten Spießen aufgezogen, deren jeder ein Tartschen, daran sein Wappen gemalt, geführt.
Der Kaiser hat auf seiner Seiten eitel hispanische Fürsten und Herrn gehabt, doch darneben auch Herzog Henrich von Braunschweig; beim König aber eitel Deutsche. Beide Teile, auf siebzig Personen angeschlagen, haben erstlich die Spieß mit einander gebrochen, darnach mit den Schwertern, wie gebräuchlich, gehandelt. Nachdem ist das hinausgeführte Feldgeschütz abgegangen, darüber ein unvorsichtiger Büchsenmeister, der geschwind wieder fertig werden wollte, tot geblieben, und sonst noch andere mehr über dieser Herrnlust sind umgekommen. Zu abends nach dem Einzug hat der Kaiser fast alle Reichsfürsten zu Gast geladen, mit großem Gepränge und Unkosten, darneben viel Freude mit Tanzen und andern vollbracht.
Ohne Zweifel sind bei dieser Pracht
viele Leut‘ gewesen, groß geacht.
Wie mächtig war mancher im Volk,
der einherzog gleich wie ein Wock,
Herren über Völker, Städte und Mark,
wie unzählbar waren jung und stark,
die auch dünkten, es wollte ihnen gebühren,
mit ihrem Kopf dem Himmel rühren.
Wo ist nun einer von so viel?
Hinweg sind sie mit Stumpf und Stiel.
Wunder, dass jemand stolz sein will.“
Fußnoten
¹ Kirchhof, Hans Wilhelm, 1525-1605 in: Wendunmuth. 2, Oesterley, Hermann (Hrg), 1833-1891, Tübingen : Litterarischer Verein in Stuttgart
➥ https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10737745?page=67
Sprachlich überarbeitet und sachte an heutige Schreibweise angepasst durch Wolfgang Autenrieth 2023
² Am 24. Februar 1530 wurde Karl V. von Papst Clemens VII. in Bologna zum Kaiser gekrönt. „Bononia“ ist der antike Name von Bologna
3 Quelle: ➥ https://www.bayerische-staatszeitung.de/fileadmin/imgs/Staatszeitung/Kultur/2017/06jun/Verlesung_der_Augsburger_Konfession.jpg