Reformation in Memmingen

siehe auch Reformation in Oberschwaben

Über die Reformation in Memmingen und über die Geschehnisse 1524 sowie den Verlauf berichtet Karl Friedrich Stark¹

„Er wäre nicht der erste gewesen, der sich entweder zum Widerruf verstehen oder in Kerkerhaft hätte schmachten müssen. Bisher war es dem Rat immer noch gelungen, die Rolle eines Vermittlers zwischen beiden Parteien zu führen; jetzt trat die Forderung, sich zu entscheiden, mit wem er es halten wolle, immer dringender an ihn heran. Zunächst beschloss man, zwei Abgeordnete, den Hans Keller und Bernhard Strigel, an den Bischof zu senden, um ihn zu vermögen, entweder die Vorladung zurück zu nehmen, oder Schappeler in Begleitung zweier Freunde nach Augsburg kommen zu lassen. Die Abgeordneten hoben hervor, das Schappeler in der Stadt sehr beliebt sei, einen durchaus erbaulichen Wandel führe und nichts, denn das Wort Gottes predige. Alle Vorstellungen waren vergebens. Schappeler wurde in den Bann getan. Noch ein anderes Ereignis hatte in jener Zeit die Bürgerschaft in Aufregung vesetzt. Der Antonierpräzeptor forderte den Barfüßermönch Johann Wingler, welcher von Lenzfried bei Kempten nach Memmingen gekommen war, um eine Sammlung vorzunehmen, auf, bei St. Martin eine Predigt zu halten. Er nahm das Anerbieten gern an und verteidigte mit dem höchsten Eifer den Kultus der Maria und der Heiligen. Diese Predigt verursachte eine große Bewegung, weil man darin eine Herausforderung Schappelers fand. Dr. Wolfhart und Hans Lodweber forderten den Mönch auf, mit Schappeler zu disputieren; Schappeler selbst drang ebenfalls darauf, widrigenfalls er ihn am Sonntag für einen Ketzer erklären werde. Wintzler beschwerte sich beim Rat, welcher klug die Sache zu erledigen verstand, indem er dem Mönch ein Gefährt anbot, um ihn möglichst bald aus der Stadt zu bringen, und dem Schappeler es untersagte, „Stupfworte” gegen Wintzler vorzubringen.

Am Abend des 28. Februar 1524 fand man an der St. Martinskirche einen Zettel angeschlagen, wodurch Schappeler in den Bann getan wurde. Nun war die Frage: Was wird der Rat tun? Erkennt er den Bann an und sagt sich los von Schappeler? Oder verweigert er dem Bischof den Gehorsam und hält es mit dem beliebten Prediger? Mit aller Klugheit lies sich hier kein Ausweg mehr finden, wie bisher. Es hieß: Entweder — oder. Und der Rat entschied sich hier für Schappeler. Sofort lies er den Bannzettel an der Martinskirche herunterreißen und kündete damit dem Bischof den Gehorsam auf. Die Freunde und Anhänger Schappelers spotteten über den Bann. Trotzdem der Würfel gefallen war, hielt es der Rat nicht für gut, die evangelische Partei allzu sehr zu begünstigen, mit Rücksicht auf den Augsburger Bischof, mit dem man es nicht ganz verderben wollte, weil er schon mit einem Einschreiten des schwäbischen Bundes gedroht hatte. Um nicht einem etwaigen feindlichen Ueberfall ausgesetzt zu sein, machte Memmingen den Versuch, eine Verbindung mit den oberschwäbischen Städten anzuknüpfen, der aber scheiterte. Der Rat hatte eine sehr schwierige Stellung, die Erbitterung zwischen beiden Parteien wuchs von Tag zu Tag.¹

(…) Der Zulauf zu Schappeler3 Predigten wurde immer größer, in Scharen ftrömten die Leute aus den benachbarten Dör— fern herein, um die neue Lehre Fennen zu lernen. (..) Zugleich untersagte (der Rat) dem Pfarrer Megerich, den Prediger von St. Martin zu schmähen; „er solle ungeschickte Reden vermeiden“.

Um am Weihnachtsfeste 1524 nachmittags es zu verhindern, daß Helfer Mösch eine evangelische Predigt in der Frauenkirche halte, zog Megerich die Vesper so lange hinaus, dass es beinahe dunkel wurde. Dadurch machte er die Kirchenbesucher unwillig, es entstand ein Tumult in der Kirche, so dass Megerich in Lebensgefahr geriet und sich nur dadurch retten konnte, daß er sich zu einer Disputation mit Schappeler bereit erklärte.Mit diesem Versprechen war die aufgeregte Menge zufrieden. Das Religionsgespräch wurde auf den 2. Januar 1525 anberaumt. Der Rat ließ dazu alle Welt- und Klostergeistlichen einladen und ernannte den Dr. Wolfhart zum Vorsitzenden. Die Disputation fand auf dem Rathause statt und währte fünf Tage. Dr. Schappeler legte sieben Artikel vor, nach denen er bisher schon gelehrt und gepredigt hatte, und erbot sich, dieselben aus der heiligen Schrift zu beweisen. Diese Artikel waren:

1) Die Ohrenbeichte, welche bisher mit Zwang des Gewissens den Priestern abgelegt werden musste, sei nicht nötig, sondern die zu Gott treulich geschehene heilsam.

2) Die Anrufung der Mutter und der Heiligen Gottes mit kirchlicher Pracht sei unzulässig.

3) Den Zehnten aus göttlichem Rechte zu geben, wisse das neue Testament und Gesetz nicht zu sagen.

4) Die Messe, das Nachtmahl Christi genannt, sei kein Opfer, sondern ein Wiedergedächtnis der gewissen Verheisung der Verzeihung der Sünden, von Gott uns gemacht und durch den Tod seines einigen Sohnes bestätigt.

5) Aus der Schrift wisse man von keinem Fegefeuer zu sagen.

6) Das heilige Sakrament des Altars solle ganz, in. beiderlei Gestalt und nicht halb, allen Chriften, so es begehren, nach dem Worte und Befehl Christi mitgeteilt werden.

7) Ein einiges geistliches Priestertum mit geistlichem Opfer und Amte, nicht zweierlei, wie die Papisten sagen, sei allen Christgläubigen gemein.

Bildersturm in Memmingen

„Am 1. Juli 1531 kamen Butzer und Dekolampadius nach Memmingen, um das Kirchenwesen zu visitieren. Die Verhandlungen hatten die Hauptgrundsätze der Reformation gegenüber der Lehre und dem Kultus der römischen Kirche zum Gegenstand. Von hier aus reisten die beiden Reformatoren nach Biberach, wo Oekolampadius an Blarer schrieb: „Deine Memminger haben uns mit seltener Herzlichkeit empfangen, behandelt und entlassen. sie zeigen viele Spuren einer wahren und aufrichtigen Frömmigkeit; doch hatten wir gehofft, ihre Kirche in einem reineren, Christo mehr entsprechenden Zustand zu finden. Denn außer den Götzenbildern, welche noch an den alten Stellen stehen, fanden wir zwei Taufsteine, Hostien mit brennenden Kerzen; dieses alles hätte der Rat schon längst, wenn er nicht so ängstlich wäre, abstellen mögen.” Dieses Schreiben wurde der Anlass, dass man die Altäre entfernte und an ihre Stelle Tische stellte. Die Bilder wurden aus der Kirche hinausgeworfen und die schönen, geschnitzten Stühle im Chore der Martinskirche verstümmelt, welche heute noch ein Zeugnis jener beklagenswerten Bilderstürmerei sind. Zur Ehre der Stadt muss jedoch bemerkt werden, das der Rat nur den Auftrag gegeben hatte, die Bilder und Altäre zu entfernen, das weitere Zerstörungswerk aber gegen seine Weisung und ohne seine Genehmigung angerichtet worden war. Bald waren sämtliche Kirchen kahl und jeglichen Schmuckes beraubt, mit Ausnahme der St. Sörgenkapelle; die Familie Befferer, deren Ahnen sie gestiftet hatten, suchten die Kunstwerke darin zu erhalten, aber ihre Fürsprache war vergebens. Die Bilder mussten entfernt werden. |

Es war gut, das dieser Bilderstürmerei bald Einhalt getan wurde, sonst wäre wohl noch manches Unheil angerichtet worden. Wie viel wäre unterblieben, wie manche Kunstgegenstände unversehrt erhalten worden, wenn Memmingen sich zwei Jahre früher zur Augsburger Konfession bekannt hätte! Auf dem Konvente zu Schweinfurt im Jahre 1532 nahm es dieselbe an und hatte nun an dem am 23. Juni 1532 zu Nürnberg geschlossenen Religionsfrieden teil. ²

Die Reformation im unteren Allgäu : in Memmingen und dessen Umgebung, S.33


Fußnoten

¹ Stark, Karl Friedrich: Die Reformation im unteren Allgäu : in Memmingen und dessen Umgebung, Halle a.S. : Verein für Reformationsgeschichte, 1895, Seite 13 f.
https://archive.org/details/diereformationim0000star/page/16/mode/2up

² a.a.O. S. 33

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