Ravensburg – Sehenswertes, Geschichte, Sagen und Mythen im „etwas anderen Portal zu Oberschwaben mit nützlichen Links, Fotos ….
Hier gibt es nützliche Linktipps, historische Ansichten und Postkarten, alte und neue Stadtpläne und Umgebungspläne, eigene Fotos, Insidertipps für Ausflugsziele und zu Sehenswürdigkeiten.
Ravensburg ist größte Stadt des gleichnamigen Landkreises im südlichen Oberschwaben. Die ehemalige Freie Reichsstadt liegt im Schussental und wurde aufgrund ihrer zahlreichen, gut erhaltenen mittelalterlichen Türme früher auch als „das schwäbische Nürnberg“ bezeichnet. Ravensburg ist über die Schnellstraße B30 („Oberschwabenschnellweg „) von Ulm über Biberach gut erreichbar. Über dieselbe Schnellstraße bis Friedrichshafen ist man in 15 Minuten am Bodensee (Luftlinie 17 Kilometer) – kürzer (und landschaftlich reizvoller) ist jedoch die Fahrt bis Kressbronn oder Langenargen.
Unterkapitel
- Allgemeines
- Kunst, Kultur und Brauchtum
- Geschichte
- Ausflüge und Sehenswertes
- Sagen, Mythen und Geschichten
- Volksglaube, Wetter und Gestirne
- Brauchtum
- Bartholomäustag (Rutenfest)
- Blutritt
- Butternudeln im Allgäu
- Das Ertränken
- Das Rutenfest in Ravensburg
- Der Ostertauf
- Der Pranger in Ravensburg
- Der Schwörtag in Ravensburg
- Narrenhaus in Ravensburg
- Primizfeier-Gesetz in Ravensburg
- Rebmanns-Sitten aus Ravensburg
- Verbot des Taufschmauses in Ravensburg
- Volkslaube, Aberglaube
- Der Ostertauf
- Ravensburg in der Literatur
- Literatur
Allgemeines
➥ Internetauftritt der Stadt Ravensburg
➥ Wikipedia: Ravensburg
➥ Wikipedia-Kategorie: Ravensburg
➥ Alemannische Wikipedia: Ravensburg
➥ Wikisource: Historische Quellen zu Ravensburg
Karten
➥ Luftlinie-org berechnet die Luftlinienentfernung
sowie die Straßenentfernung zwischen zwei Orten und stellt beide auf der Landkarte dar. Startort ist Hayingen, den Zielort müssen Sie noch wählen. Voreingetragen ist ➥ Bisoro in Burundi
Karte eingebunden aus OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL
Fotos & Abbildungen
Historische Karten und Ansichtskarten
Die Sammlung von historischen Ansichten und Ansichtskarten wurde nun so umfangreich, dass ich dafür eine eigene Seite erstellt habe.
➥ Hier geht’s zu den historischen Ansichten von Ravensburg
Fundquellen im Web zu Bildmaterial
➥ Bildersammlung auf Wikimedia-Commons
➥ Ravensburg auf Tumblr
➥ Ravensburg auf Pinterest
➥ Ravensburg auf Flickr
Kartonmodelle
Dieter Welz hat auf seiner Website ➥ https://www.wediul-kartonmodelle.de/modellkatalog.htm einige Kartonmodelle zur Verfügung gestellt.
Filmbeiträge
➥ Rutenfestumzug 1962 – Bericht vom SWR
Kunst, Kultur und Brauchtum
➥ Kultur und Sehenswürdigkeiten (Wikipedia)
➥ Ravensburg auf ‚Bildindex‘
➥ Ravensburg auf ‚Google-Art‘
➥ Ravensburg auf ‚Zeno-Org‘
Geschichte
Allgemein
Im Spätmittelalter war Ravensburg Sitz der Großen Ravensburger Handelsgesellschaft, der damals führenden deutschen Handelsgesellschaft, die in ganz Europa Niederlassungen hatte (noch vor den Fuggern). Ende des 14. Jahrhunderts entstand in Ravensburg eine bedeutende Papierproduktion, die ihre Blütezeit im 16. Jahrhundert hatte. Im Mittelalter galt Ravensburg als größter Papierlieferant nördlich der Alpen und war neben Nürnberg die zweite Stadt, die in Deutschland überhaupt Papier herstellte. 1544 wurde auf Betreiben der Zünfte die Reformation eingeführt. Dabei gab es zunächst große Differenzen zwischen den Anhängern Luthers und Zwinglis, doch konnten sich die Lutheraner schließlich durchsetzen.
Das historische Stadtbild konnte trotz eines Teilabbruchs der alten Stadtmauer, deren Steine im 19. Jahrhundert zum Bau des Bahnhofs und zum Bau von Fabriken verwendet wurden, erhalten werden. Im Zweiten Weltkrieg blieb Ravensburg wegen seiner strategischen und rüstungsindustriellen Bedeutungslosigkeit und auch dank eines großen, von Schweizern geführten Versorgungszentrums des Roten Kreuzes von größeren Angriffen der alliierten Luftwaffe verschont.
Von 2009 bis 2013 entstand in der Ravensburger Innenstadt ein „Museumsviertel“ mit vier neuen Museen:
- In der Marktstraße wurde am 4. Juli 2009 mit dem Museum Humpis-Quartier eines der größten kulturhistorischen Museen der Region Bodensee-Oberschwaben eröffnet.[36] Das größte und besterhaltene spätmittelalterliche Wohnquartier in Südwestdeutschland, dessen Errichtung von der Fernhandelsfamilie Humpis um 1380 begonnen wurde, besteht aus sieben Gebäuden, in denen heute reichsstädtische Geschichte und Kultur authentisch präsentiert werden soll. Man folgt dem Kaufmann Hans Humpis in die Zeit, als die „Große Ravensburger Handelsgesellschaft“ Geschäfte mit ganz Europa betrieb, sowie weiteren Ravensburgern, die in späteren Zeiten im Quartier wohnten.
- Das Museum Ravensburger an der Ecke Marktstraße/Burgstraße zeigt am ehemaligen Verlagssitz Bücher und Spiele aus der Geschichte des Ravensburger Verlags bzw. Otto-Maier-Verlags. Das Gebäude, direkt gegenüber dem Humpis-Quartier gelegen und einst Wohnhaus der Fernhandelsfamilie Möttelin, wurde 2009/2010 grundlegend umgebaut und im Mai 2010 als Museum eröffnet.
- Das Wirtschaftsmuseum Ravensburg in der Marktstraße ist eine Stiftung der Kreissparkasse Ravensburg und wurde am 27. Oktober 2012 eröffnet.[37]
- Das Kunstmuseum Ravensburg mit Dauer- und Wechselausstellungen moderner Kunst wurde im März 2013 eröffnet (Architekturbüro Lederer + Ragnarsdóttir + Oei, Stuttgart). Es befindet sich in der Burgstraße neben dem Museum Ravensburger.
(Informationen entnommen der Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ravensburg)
Geschenke der Stadt Ravensburg an Kaiser Ferdinand I
Anno 1563
Verehrt wurde dem Kaiser: ein hoher vergoldeter Becher im Wert von 66 fl. 40 kr., darin 200 fl. Gold; zwei Wägen mit 20 Säcken Haber; 2 Fuder Wein auf zwei Wägen, darunter 2 Faß roter alter, 2 Faß weißer alter und 2 Faß weißer neuer; ferner 8 Brennten mit Fisch, in jeder Brennten 8 oder 10 Stück ungefähr. Aehnliche Geschenke an Geld, Wein, Fischen, Haber erhielt auch das Gefolge je nach Rang und Standesgebühr: der Marschall, der Kanzler, die Vicekanzler, die Secretäre, die Fouriere, die Thürhüter, Lakaien und Trabanten, endlich die Hornetten, Trompeter, Trommelschläger und Pfeiffer. Der ganze Aufwand betrug 922 fl.
Eben 2, 173 ff. Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 311. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004577043
Hexenverbrennungen
„Die systematische Verfolgung, mit der schon um 1330 ein erster Versuch im Pyrenäengebiet gemacht worden war, nahm seit 1400 ihren Ausgang aus dem Alpengebiet, wo sich die Elemente des alten Volkswahns am zähesten erhalten hatten und der kombinierende Scharfsinn der spürenden Richter also am leichtesten durch die Frage auf der Folter die Realität des neuen, theologisch konstruierten Wahngebildes ermitteln konnte. Von da verbreitete sich der Wahn rasch nach Italien, nach Frankreich und nach Deutschland. Hier wurde die Verfolgung besonders gefördert durch Papst Innozenz‘ VIII. Bulle »Summis desiderantes affectibus« (1484).
(…)
Deshalb beauftragt der Papst die beiden Inquisitoren für Süd- und Norddeutschland, Heinrich Institoris und Jakob Sprenger, die jene Bulle am päpstlichen Hof erwirkt hatten, die Zauberer und Hexen auszuspähen, zu bestrafen und auszurotten, und befiehlt dem Bischof von Straßburg, Albrecht von Bayern, die Inquisitoren zu schützen und ihnen bei Ausführung ihres Auftrags hilfreiche Hand zu leisten. Institoris und Sprenger brachten den Hexenglauben in ein förmliches System, und ihr »Hexenhammer« (»Malleus maleficarum«. verfasst 1486, 1487 zum ersten Mal [in Straßburg], dann bis 1669 noch 28 mal gedruckt) wurde bald Gesetzbuch in Hexensachen und regelte das ganze ordentliche gerichtliche Verfahren gegen die Hexen.
(…)
Institoris allein ließ zu Konstanz und Ravensburg in kurzer Zeit 48 Weiber verbrennen, und bald wurde durch päpstliche Bullen von Alexander VI. Julius II., Leo X., Hadrian VI. und Clemens VII. die Hexenverfolgung auch für die übrigen europäischen Länder sanktioniert, der »Hexenhammer« durch die Ordensgenossen seiner Verfasser Bernard von Como (1508), Silvester Prierias (1520), Bartholomäus de Spina (1523) verteidigt. Ganze Gegenden wurden durch die Prozesse bedrängt, wie ein drückender Alp lag das Gespenst der Hexenfurcht auf dem Volk. Überall hatten geistliche und weltliche Gerichte ihre Späher. Die richterliche Untersuchung bezog sich vorzugsweise auf die sogenannte Hexenfahrt, den Hexensabbat, auch Hexenkultus, Hexenabendmahl genannt, und die Teilnahme der Inkulpatin daran.“
Auszug aus: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 299-302. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20006771491, Zu „Hexen“ siehe auch ➥ Hexenglaube
Wie Ravensburg Kaiser Leopold I. huldigt
Dem kaiserlichen Kommissär Hugo von Montfort, der die Eidesleistung entgegennehmen musste den 9. April 1660, geschahen folgende Ehrenbezeugungen: Vier Mitglieder des Rats: von Voland, de Gall, jun. Müller und Morell verrichteten in Mänteln die Aufwartung; Amts-Bürgermeister von Deuring gab das Handwasser; Stadtamtmann de Gall hielt das Becken; Rolleffel und v. Hummelberg das Handtuch; Franz Marx Precht war Trancheur.
Eben 2, 178. 179. Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 312. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000457706X
➥ Wikipedia – Ravensburg#Geschichte
➥ Merian: Topographia Sueviae: Ravenspurg
Ausflüge und Sehenswertes
➥ Wikivoyage: Ravensburg (Projekt der Wikimedia)
➥ Wikitravel: Ravensburg
➥ Tripadvisor: Ravensburg
Nachbargemeinden
➥ angrenzende Städte und Gemeinden (aus Wikipedia)
Teilorte / Teilgemeinden
➥ Ortschaften und Wohnplätze von Ravensburg (aus Wikipedia)
Sagen, Mythen und Geschichten
Burgen und Städte
Aus schwäbischem Blute ist das schwäbische Kaiserhaus hervorgegangen, auf der Veitsburg bei Ravensburg der rotbärtige Friederich geboren, der einst wieder kommen soll, um die Wiedergeburt Deutschlands zu feiern; die Zeit dieses Kaisers umfasst alle Blüte des hl. römischen Reiches deutscher Nation, an dem Namen Hohenstaufen hat sich alle Romantik empor gewunden. Aber während dieses Geschlecht mit dem Tode Konrads des Jungen ein blutiges Ende nahm, auf welschem Boden, dem sie von jeher den Vorzug gegeben vor germanischer Erde, stiegen aus alemannischen Gauen zwei neue Herrschergeschlechter hervor, welche von kleinen Anfängen den Ausgang nehmend, zu gewaltigen Gliedern des europäischen Staatenleibes erwuchsen. Das Haus Habsburg, den Deutschen dreimal zum Retter geworden, hat seine Wiege in der alemannischen Schweiz, das preußische Königshaus nennt den Hohenzollern seine Stammburg. Noch nicht genug. Schwäbische Welfen sitzen auf den Thronen von England und Hannover. Wäre der Schwabe nicht vor Allen berechtigt, auf seinen Namen stolz zu sein, wenn er nach den Burgen Habsburg und Hohenzollern, nach dem Hohenstaufen, nach Altdorf und Weingarten seine Blicke wendet?
Aber noch gar manche Burg stand auf schwäbischem Boden oder schaut jetzt traurig in Trümmern auf die lachende Landschaft hinaus, die sie einst beherrschte. Ihre Geschlechter deckt die Erde, darum starben auch sie ihnen nach. Mit ihnen ist die Erinnerung an gar vieles Leid, an so wenig Freude, wie es denn nicht anders nach Ordnung des Menschenlebens gesetzt ist, dahingeschwunden und manche reckenkühne Tat, manch schwerer Sieg über das arme Menschenherz, wert des Gedächtnisses, findet keinen erzählenden Mund mehr. Geisterhaft umweht und träumend versenkt sich der Wanderer, der auf solcher Stätte steht, in jene Zeiten hinein, die ihn so wehmütig anheimeln, und den stille gewordenen begleitet der ernste Gedanke von dannen, dass alle menschliche Herrlichkeit von heute.
Früher als die Klöster, so die Burgherrn gegründet, sind die Burgen zusammengebrochen. Doch folgten auch jene ihnen nach. Wo edle Ritter und schöne Frauen aus- und einzogen, wo fromme Mönche und Nonnen mitternächtiges Gebet für die Welt draußen zum Himmel empor sendeten, da ertönt nun das Hämmern und Schwirren der Fabriken, der Lärm der Kaserne, da seufzt in Reue der Züchtling. Doch nicht Arbeiter, nicht Landmann noch Bürger wünscht jene Zeit zurück, wo Viele einem Einzelnen mit Gut und Leib und Leben dienstbar waren. Denn was er heute erwirbt, darf er getrost sein Eigen nennen und dasselbe Recht schützt ihn nach Oben wie gegen seines Gleichen.
Deutschland war einst mächtig zur See. Der Welthandel lag in der Hand seiner Bürger. Das machte die Städte reich und Reichtum gibt Macht, und diese will unbeengt sein. Daher strebten sie nach Reichsunmittelbarkeit.
Schwaben ist mit Städten bedeckt; sie wollten frei sein. Als die Schweiz die lästige Herrschaft abgeschüttelt hatte, wären sie ihr gar zu gern beigetreten. Zwei Jahrhunderte dauerte der Kampf gegen die Landesherren. Doch zählte Schwaben die meisten Reichsstädte in deutschen Landen, im vorigen Jahrhunderte noch deren dreißig, zumeist auf württembergischem und bayerischem Gebiete belegen. Augsburg, Straßburg, Ulm bildeten die weltberühmte Dreizahl ihrer Königinnen. Auch diese Herrlichkeit ist vorüber. Doch sie stehen noch, die Städte, die gar oft mit Burgen und Klöstern in Hader geraten, während diese verkommen sind. Ja sie scheinen zum zweiten Male – Gott gebe, dass es nicht Herbst sei – zu blühen. Sollte auch für sie eine Zeit kommen, wo es heißt: sie waren?
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XXIV24-XXVI26. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004573404
Das Muttergottesbild auf der Mühlbruck
Vor vielen vielen Jahren, zur Zeit des Schwedenkrieges, soll mal die Schussen herab ein Marienbild geschwommen sein. Habe bei der jetzigen »Mühlbruck« gehalten und sei herausgezogen worden. Das Bild, schön gekleidet, brachte man in ein sog. Bildstöcklein. Später wollte man es in die Pfarrkirche übertragen, aber allemal war es wieder an seinem alten Orte. Es erhob sich, dem wunderbaren Bilde der Mutter Gottes zu Ehren, bald eine Kapelle, mit der später eine Kaplanei verbunden worden ist. (Mündlich von Ravensburg)
Im Sigmaringischen (Laiz) kam mal auch ein Muttergottesbild das Wasser herab, das aufgefangen worden ist. Auf der Vorbühne blieb das Bild, wollte man’s auf den Hochaltar stellen, so flog es auf seine alte Stelle. (Von Herrn Pfarrer von Sigmaringerdorf.)
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 379-380, Permalink:➥ http://www.zeno.org/nid/20004569067
Geisterhaftes Kegelspiel
Unter dem Salzstadel in Ravensburg soll ein goldenes Kegelspiel sein. Der Nachtwächter sah mal ganz in der Nähe, wie ihm eine goldene Kugel vor die Füße flog, einem goldenen Kegelspiel zueilte. Wie er darnach schauen wollte, bekam er eine Ohrfeige. Das Kegelspiel will man wiederholt gehört und die Kegel selbst gesehen haben.
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 245-246, Permalink:➥ http://www.zeno.org/nid/20004566319
Heinrich mit dem goldenen Pfluge
Eticho der Welf liebte die Freiheit dergestalt, dass er Heinrich, seinem Sohne, heftig abriet, er möchte kein Land vom Kaiser zu Lehen tragen. Heinrich aber, durch Zutun seiner Schwester Judith, die Ludwig dem Frommen die Hand gegeben hatte, tat sich in des Kaisers Schutz und Dienst und erwarb von ihm die Zusage, dass ihm so viel Landes geschenkt sein solle, als er mit seinem Pfluge zur Mittagszeit umgehen könne. Heinrich ließ darauf einen goldenen Pflug schmieden, den er unter seinem Kleide barg; und zur Mittagszeit, da der Kaiser Schlaf hielt, fing er an, das Land zu umziehen.
Er hatte auch an verschiedenen Orten Pferde bereit stehen, wenn sie ermüdeten, gleich umzuwechseln. Endlich, wie er eben einen Berg überreiten wollte, kam er an ein böses Mutterpferd, das gar nicht zu bezwingen war, so dass er es nicht besteigen konnte. Daher der Berg davon Mährenberg heißt bis auf den heutigen Tag; und die Ravensburger Herren das Recht behaupten, dass sie nicht genötigt werden können, Stuten zu besteigen.
Mittlerweile war der Kaiser aufgewacht, und Heinrich musste einhalten. Er ging mit seinem Pfluge an den Hof und erinnerte Ludwig an das gegebene Wort. Dieser hielt es auch; wiewohl es ihm leid tat, dass er so belistet und um ein großes Land gebracht worden. Seitdem führte Heinrich den Namen eines Herrn von Ravensburg; denn Ravensburg lag mit im umgepflügten Gebiet, da seine Vorfahren bloß Herren von Altorf geheißen hatten.
Als aber Eticho hörte, dass sich sein Sohn hatte belehnen lassen, machte er sich traurig auf aus Bayern, zog mit zwölfen seiner treusten Diener auf das Gebirg, ließ alle Zugänge sperren und blieb da bis in sein Lebensende. Späterhin hieß einer seiner Nachfahren, um Gewissheit dieser Sage zu erlangen, die Gräber auf dem Gebirg suchen und die Totenbeine ausgraben. Da er nun die Wahrheit völlig daran erkannt hatte, ließ er an dem Ort eine Kapelle bauen und sie da zusammen bestatten.
Quelle: Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Permalink:➥ http://www.zeno.org/nid/20004911121
Heinrich mit dem güldenen Wagen
Zu Zeiten König Ludwigs von Frankreich lebte in Schwaben Eticho der Welf (=Welf IV), ein reicher Herr, gesessen zu Ravensburg und Altorf; seine Gemahlin hieß Judith, Königstochter aus Engelland, und ihr Sohn Heinrich. Eticho war so reich und stolz, daß er einen güldenen Wagen im Schilde führte, und wollte sein Land weder von Kaiser noch König in Lehen nehmen lassen; verbot es auch Heinrich, seinem Sohne. Dieser aber, dessen Schwester Kaiser Ludwig vermählt war, ließ sich einmal von derselben bereden, dass er dem Kaiser ein Land abforderte und bat, ihm so viel zu verleihen, als er mit einem güldenen Wagen in einem Vormittag umfahren könnte in Bayern. Das geschah, Ludwig aber traute ihm nicht solchen Reichtum zu, daß er einen güldenen Wagen vermöchte. Da hatte Heinrich immer frische Pferde und umfuhr einen großen Fleck Lands und hatte einen güldenen Wagen im Schoß. Ward also des Kaisers Mann. Darum nahm sein Vater, im Zorn und aus Scham, sein edles Geschlecht so erniedrigt zu sehen, zwölf Edelleute zu sich, ging in einen Berg und blieb darinnen, vermachte das Loch, dass ihn niemand finden konnte. Das geschah bei dem Scherenzer1 Walde, darin verhärmte er sich mit den zwölf Edelleuten.
(siehe dazu auch unten: Shakespeare)
1 Scerenzerewald ist die älteste und beste Lesart; andere haben Scherendewald.
Quelle: Jacob und Wilhelm Grimm: Deutsche Sagen. Zwei Bände in einem Band. München [1965], S. 497. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004911113
Teufelshand im Stein
Die Brücke über die Schussen in Ravensburg wurde gebaut. Der Brückenbaumeister machte einen Bund mit dem Teufel; die erste Seele, welche die Brücke passiere, gehöre ihm, wenn er sie baue und das Werk vollende. So geschah es. Bald stand die Brücke da. Da ließ der Baumeister einen Hahn hinüber spazieren. Der Teufel war so erbost, dass er einen gewaltigen Stein auf die andere Seite der Schussen warf, worin seine Krallenhand eingedrückt war. Der Stein lag lange Zeit in der Nähe der Brücke.
[ähnlich: Sigmaringen-Inzigkofen: Teufelsbrücke] Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 273, Permalink:➥ http://www.zeno.org/nid/2000456684X
Volksglaube, Wetter und Gestirne
In der Ravensburger und Saulgauer Gegend
… bis gegen den See hinauf wird in der St. Andreasnacht (=Nacht zum 30. November) Blei gegossen und nackt die Stube ausgekehrt. Den Stubenteil, wo das Kruzifix hängt, muss man immer im Rücken haben. Mit dem linken Fuß muss man zuerst in’s Bett, aber ohne Weihwasser. Um 12 Uhr soll man zum Fenster hinaus schauen und einen Apfel essen.
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 341, Permalink:➥ http://www.zeno.org/nid/20004568753
Taufsitten in Ravensburg
»Wie viel Leut bei einem Westerlegen sein sollen in der Kindbett.« Es soll auch Niemand dem andern in kein Kindbett nichts schenken noch geben, noch keinen Hof in der Kindbett haben und wenn man das Kind entwestret, so soll man nit mehr Gastung haben, denn die Ammen und die Frauen die zu Gevatterinnen gewonnen sind über das Kind, und soll auch keine Frau die ander in der Kindbett sehen, denn die Gevattern und sonst die nächsten Freund.
Goth. vasti str. fem. = Kleid, plur. Kleidung; vasjan = kleiden, bekleiden. Graff III. 155: uuestiparn = neophytus, katechumenus. Es ist nach alter Sitte »westerlegen« = den Taüflingen ein Kleid bringen. In weiterer Bedeutung ist das Wort Wersterlegen für die Festlichkeit dabei gebraucht. Vgl. auch Schmid.
Ravensb. Statuten v. 14. Jahrh. Eben S. 466. Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 318-319. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004577159
Brauchtum
Bartholomäustag (Rutenfest)
(24. August, Mariä Himmelfahrt)
Am Montag nach Mariä Himmelfahrt, kurz vor Bartholomäi, wird zu Ravensburg das Rutenfest gehalten. Es ist eigentlich ein Fest für die Schuljugend, an dem aber auch ältere Leute Teil nehmen, so dass es ein eigentliches Volksfest wird. Es besteht hier seit alter Zeit und soll zum Andenken an eine Pest gefeiert werden, bei der man sich nicht mehr unmittelbar zu berühren und die Hand zu geben wagte, sondern sich nur noch mit Ruten grüßte. (Ein ähnliches Fest zur Erinnerung an eine Pest, welche viele Menschen hingerafft, wurde sonst auch in Tettnang gehalten.) Das Rutenfest besteht aus halbmilitärischen Auf- und Umzügen der Knaben und Mädchen, von denen die beiden, welche in der Schule am besten bestanden haben, König und Königin werden. Früher sollen immer fünf Königinnen und eine Oberstkönigin, so wie fünf Fähndriche und ein Oberstfähndrich, die Hauptrollen gespielt haben.
Die Feier beginnt Vormittags mit einem Zuge in die Kirche, dann geht’s auf die Höhe, ins Freie, wo nun Wettläufe, Armbrustschießen, Adlerschießen und andere derartige Spiele angestellt werden. Mit dem Rutenfest ist immer die Preisverteilung der Schüler verbunden. (Ravensburg)
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 3, Nr. 147, Link:➥ https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ
Blutritt
siehe
➥ oberschwabenschau.info(…)88250-weingarten-in-oberschwaben/#Der_Blutritt_zu_Weingarten
Butternudeln im Allgäu
So um die Mitte und Ausgangs Mai trifft man in Oberschwaben, besonders in der Gegend von Ravensburg, Leutkirch, Tettnang bis herab nach Biberach die sog. Butternudeln. Vermittelst einer Maschine, durch die sie getrieben werden, bekommt man nudelartige Striemen, die sich aber so künstlich ineinander und aufeinander legen, dass es oft eine zwei Pfund schwere Butterfigur gibt, die einer Krone ganz ähnlich ist. Ist sie fertig (nach oben zuspitzend), so wird Honig darauf geträufelt und die Nudel auf einem Teller präsentiert. Zu der Festlichkeit, wenn solche Butternudeln verzehrt werden, wird der Ortspfarrer eingeladen. Man hält diese Butternudeln besonders für kräftig und heilsam, weil da das Vieh schon gute Kräuter bekommt, und ohne diesen Erstlingssegen darf der Pfarrer nicht sein.
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 96. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004574729
Das Ertränken
In Ravensburg war ehedem die Sitte des Ertränkens daheim. Die Akten weisen 14 Ertränkungen in der Schussen mittelst Hinunterwerfens über die Mühlbruck auf. Im Jahr 1525 wurde Sebastian Zierlin von Nürnberg wegen Falschmünzerei folgendermassen verurtheilt:
»Und auf solch‘ sein Bekenntnuß und Urgicht und unserer Stadt Freiheit Sag, ist zu Recht erkannt und gesprochen: daß man ihn dem Nachrichter befehlen, der ihm seine Händ vor seinem Leib zusammenbinden und ihn hinaus vor die Stadt an die Schussen, da man solchs gewöhnlich pflegt zu thun, führen, ihm daselbst seine Händ und Füße zusammenbinden, in das Wasser werfen und darinn vom Leben zum Tod bringen soll. Gott gnad‘ der Seel!«
»Zue Costanz stal ain stallknecht, was ain dieb, groß guot; ward gehenckht und sein metz ertrenckht«.
Vill. Chronik II. 108a. 1532. Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 225-226. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004576268
Das Rutenfest in Ravensburg
Es ist sehr zu bedauern, dass über den eigentlichen Ursprung des Schuljugendfestes: »Rutenfest« genannt, und der Gebräuche desselben keine Nachrichten vorliegen. Manche leiten dieses Fest von dem im Jahre 1311 am Bartholomäustage dahier stattgehabten Turnier ab und gründen ihre Vermutung auf die Tatsache, dass diese Schulfeier von jeher in der Bartholomäiwoche mit den eingeführten kriegerischen Emblemen, als: Fahnen, Trommeln, Degen, Säbeln, Wehrgehängen, Federbüschen etc., abgehalten wurde. Andere hingegen schreiben die Einführung dieses Festes einer Seuche zu, die eine große Sterblichkeit unter der Schuljugend herbeiführte, so dass beim Nachlass der verheerenden Krankheit Eltern und Lehrer mit ihren verschont gebliebenen Kindern einen Festtag anstellten und mit grünen Zweigen in den Händen (woher der Name »Ruten« kommen soll) feierliche Umzüge hielten. Die Benennung »Ruten« will man aber auch von jener Seuche selbst, als einer über die Stadt verhängten Plage (Zuchtrute) herleiten.
Welche Ansicht der Wahrheit am nächsten liege, muss dahingestellt bleiben; genug, das Fest war von jeher zunächst ein Schuljugendfest und wurde jedes Mal am Montag nach Mariä Himmelfahrt mit folgenden Gebräuchen begangen:
Der erste Schüler hieß »Oberst Fähndrich«, die folgenden fünf »Fähndriche«; sie bekleideten sich mit Federhüten, Degen, Säbeln oder Hirschfängern und hatten eine weiße und blaue Fahne (die Farben der Stadt). Zwei Partims- (Sing-) Knaben waren Tambours.
Die erste Schülerin wurde »Oberst Königin«, die folgenden fünf »Königinnen« genannt und schmückten sich mit Kränzen und künstlichen Blumen. Am Festtag Morgens 4 Uhr begaben sich die Tambours vor die Wohnungen der Fähndriche und Königinnen, um sie durch das Rühren der Trommeln zu wecken. Vor 6 Uhr versammelten sich hierauf die Fähndriche bei dem Oberst Fähndrich und zogen dann, diesen an der Spitze, mit einem der Oberst-Königin gewidmeten Kränzchen und seidenen Band (was er gewöhnlich auf einem blinkenden Teller trug) unter Vortritt der Tambours in der Stadt herum und hierauf zu der, inzwischen ebenfalls von ihren Königinnen umgebenen Oberst-Königin. Hier entledigte sich der Oberst-Fähndrich mittelst einer kleinen Anrede seines Geschenkes an dieselbe, welche, den Gruß erwidernd, ihm zum Andenken eine mit Namenszügen von Perlen und goldenen oder silbernen Verzierungen, dann einem flatternden seidenen Bande versehene Zitrone auf die Degenspitze steckte. Nach hierauf eingenommenem Frühstück ging der Zug der Fähndriche, wie vorher mit dem Kränzchen, so jetzt mit der Zitrone, abermals durch einige Straßen der Stadt und zurück zum Oberst-Fähndrich.
Um 8 Uhr versammelten sich alle Schüler und Schülerinnen auf ihren Schulen und zogen von da aus in die Kirchen zum Schulfests-Gottesdienst, nach dessen Beendigung wieder auf die Schulen gezogen und hier den Lehrern von jedem Schüler, je nach Vermögen, ein kleines Geschenk, der sog. »Ruten-Pfenning«, übergeben wurde. Von hier aus begab man sich vor das Rathaus, von wo aus um 10 Uhr der Zug durch die Markt- und Herrengasse auf die Kuppelnau stattfand, welchem sich immer auch eine große Zahl Erwachsener anschloss und in den Gesang der üblichen geistlichen Lieder mit einstimmte. Während dieses Zuges schwangen die Fähndriche ihre Fahne vor dem Hause des Bürgermeisters, der Ratsherren und Honoratioren, wofür der Oberst-Fähndrich unter dem Namen »Schwenkgeld« Geschenke bekam, die zwar ihm allein zufielen, wogegen er die übrigen Fähndriche die Woche über mehrmals zu regaliren hatte, weshalb, da ein Gleiches auch von der Oberst-Königin gegen die übrigen Königinnen geschah, ein Sechstel des Schwenkgeldes der Oberst-Königin als einige Entschädigung überlassen werden musste. Während dieses Fahnenschwingens wurden vormals von einigen katholischen Schülern noch kleinere Fähnchen und Reife geschwungen, auf deren inneren Rand sie ein volles Gläschen Wein setzten, ohne solches bei Schwingung des Reifs zu verlieren oder vom Wein etwas zu verschütten! Auf der Kuppelnau angelangt, wurde nach altem Herkommen unter die Schuljugend weißes Brot und Papier (je einem Kind zwei sog. Murren und zwei Bogen Schreibpapier) ausgeteilt, worauf man sich nach Hause begab.
Mittags 12 Uhr hielten die obrigkeitlichen Mitglieder, städtischen Bediensteten und übrigen Honoratioren mit ihren Frauen in der auf der Kuppelnau errichteten Laubhütte ein Gastmahl126 und waren, sowie die folgende Zeit des Tages über der größte Teil der Einwohnerschaft (was dem Feste zugleich die Eigenschaft eines Volksfestes gab), Zeuge sowohl des jugendlichen Verdienstes, das sich durch die nach dem Mahle vorgenommene Schulprämien-Verteilung kund gab, als auch der jugendlichen Freuden, welche durch freiwillige Beiträge an Kleiderstoffen, nützlichen Gerätschaften etc. bereitet und teils zum Wettrennen (Springen), teils zur Lotterie (Ziehen) bestimmt wurden. Ersteres geschah gewöhnlich nach der Prämienverteilung dadurch, dass man jene Gegenstände einzeln an mehrere Reihen in die Erde gepflanzter Stöcke (später an ausgespannte Seile) hing und auf ein von dem betreffenden Lehrer gegebenes Zeichen (eins, zwei, drei: lauft!) die Schüler und Schülerinnen je klassenweise danach springen und haschen ließ. Was ein Kind erfasste, blieb sein; da jedoch mancher gewandtere Bursche mehrere Stücke erbeutete, während mancher Schwächere oder im Springen Gestürzte leer ausging, so wurde die Anordnung getroffen, dass jedes nur Ein Stück behalten dürfe, und da immer gerade so viele Stücke ausgehangen wurden, als die Zahl der in Einem Tempo Springenden betrug, so konnte Keines mehr leer ausgehen.
Die gewöhnlich am folgenden Tage vorgenommene Lotterie (das Ziehen) war für die kleineren, zum Wettrennen noch nicht fähigen Kinder bestimmt. Eine Lotterie ohne Niete, mithin so viele Kinder, so viele Preise. Jeder Preis erhielt eine Nummer, eben so viele Nummern wurden auf einzelne besondere Zettelchen geschrieben, solche dann zusammengewickelt und in einen Hut geworfen; derjenige Preis nun, welcher die von einem Kinde gezogene Nummer trug, gehörte demselben. An andern Gelegenheiten, sich zu ergötzen, fehlte es, besonders den Erwachsenen und der größeren Schuljugend, nicht, wozu besonders auch das Würfeln um Porzellangeschirre, das Ringschlagen, das Plumpsackspielen, Tanzmusik etc. gehörten. Wein- und Bierschenken, Zuckerbäcker, Obsthändlerinnen, Würste-Austrägerinnen etc. sorgten für den Gaumen, überhaupt gab sich Jung und Alt, wer es vermochte, besonders am ersten Festtage, ganz der Freude hin.
Abends 6 Uhr erfolgte dann der feierliche Heimzug unter Absingung passender Lieder; die Kinder begaben sich, von den Erwachsenen begleitet, auf ihre Schulen, wo selbst noch ein entsprechendes Gebet gehalten, ein Danklied gesungen und dann von den Schulen aus der Oberst-Fähndrich und die Oberst-Königin unter fortwährendem Gesang nach Hause begleitet wurden, wo dann freilich der eingerissene Missbrauch einen Vollauf erheischte, der bis in die späte Nacht dauerte und unbemittelteren Eltern des Oberst-Fähndrichs und der Oberst-Königin oft wehe tun musste. Dieser Umstand und die nach und nach eingeschlichene Ausdehnung des Festes auf die ganze Woche, ja selbst bis auf den Montag der folgenden Woche einschlüssig (das sog. »Rutenbegraben«), veranlasste mehrfältige obrigkeitliche Verbots-Verordnungen, zu welchen wir außer den Dekreten von 1765 und 1768 auch die neueren Verfügungen von 1787 und 1788 zählen, welche jegliches Übermaß in welch‘ immer einer Beziehung, sowie alles der Eigenschaft und Würde des Festes unziemliche Schwelgen und Schmarotzen bei Strafe untersagten.
Das gemeinschaftliche Schuljugendfest wird fortwährend, gewissermaßen auch als Volksfest alljährlich im Monate August am Montag nach Mariä Himmelfahrt gehalten. Im Jahre 1826 stiftete Verfasser fünf neue Gesänge an die Stelle der seit 1809 gehabten alten Lieder, um auch zu Veredlung dieser Feier ein Scherflein beizutragen. Einen wesentlichen, veredelnden Zuwachs aber erhielt das Fest seit der Reorganisation der lateinischen und Realschule dadurch, dass die Schüler dieser Lehranstalten je am Mittwoch der Schulfests-Woche Vormittags, unter Leitung ihrer Lehrer und unter Mitwirkung der dramatischen Gesellschaft ein Deklamatorium, teils ernsten, teils komischen Inhalts, verbunden mit eigentlichen Jugendschauspielen, aufführen, wobei das hierzu dienende städtische Schauspielhaus gewöhnlich gedrängt voll von Zuhörern angetroffen wird.
An diesen Teil des Festes reiht sich am nämlichen Tage Nachmittags das den erwähnten Schülern gewidmete Vogelschießen auf der Kuppelnau, eine wahre Volksfreude.
Die Schüler, nachdem sie sich gewöhnlich mehrere Wochen vorher schon mit ihren Armbrüsten eingeübt haben, ziehen dann gewöhnlich Mittags 1 Uhr vom Schulgebäude aus in echt militärischer Haltung und nun mit einer durch die Bemühungen des Kapellmeisters der Bürgergarde-Musik, Hahn, gebildeten eigenen Musik von Kameraden aus ihrer Mitte auf den Festplatz, woselbst ein auf eine hohe Stange gepflanzter Doppeladler mit Zepter und Reichsapfel zum Herunterschießen ihrer harrt. Dieser Adler besteht nämlich aus lauter lösbaren Teilen, wovon jeder derselben auf der hinteren Seite nummeriert ist. Ebenso sind auch die Preise, bestehend in Stoffen zu Kleidungsstücken, Schulgeräten etc., nummeriert. Diejenigen Nummern nun, welche ein Schüler geschossen, werden ihm von diesen Gegenständen zu Teil. Nach beendigtem Schießen marschiert das junge Schützencorps mit den errungenen, gewöhnlich schön und reichlich ausfallenden Preisen, um die Armbrusten gehängt, mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel wieder zur Stadt zurück, durch einige Straßen derselben vor das Schulgebäude und begibt sich daselbst auseinander.
Dieses Rapier (von französisch rapière ‚Degen‘, W.A.) haben die Schulen der Güte der Fabrikbesitzer zu verdanken, von denen sie solches acht Tage vorher bei ihren Auszügen nach den Papiermühlen, wobei ebenfalls gesungen wird, empfangen.
Eine obrigkeitlich entworfene Speisenvorschrift spricht von Suppe mit Carviol (=Blumenkohl) und Hühnermägen; Lungen und Brieseln (=Hirn) in saurer Soße mit Zitronen und aufgelegter gerösteter Leber; Rindfleisch mit Zugehör, Sauerkraut mit geräucherten Zungen und Schweinefleisch, Carviol mit gebackenen Hühnern, Kalbsbraten, Schinken, Salat; gespicktem Wildbret mit Tabaksrollen; Gänsebraten und Salat; Brot- und Weichseltorten (=Sauerkirschen), feinem Obst, Trauben und Konfekt, Kaffee mit Rahm und verschiedenen Weinen.
Jeder gab, wozu ihn sein Herz und die Liebe zu jugendlichen, unschuldigen Freuden ermahnte; der Kaufmann, der Professionist Stoffe aus ihren Läden; andere Gewerbsleute Produkte ihrer Hände; der nicht Gewerb- oder Handeltreibende ließ zu diesem Behuf da oder dort holen, was ihn gut und nützlich dünkte und so wurden auf diese Weise immer eine schöne Partie ordentlicher Sächelchen zusammengebracht. Jedes Stück erhielt von den Lehrern, welche mit ihren Gattinnen die Preise ordneten, den Namen des Gebers angeheftet, damit der Empfänger sich des Danks bei demselben entledigen konnte!
Das ehemalige Karmeliten-Kloster wurde im Jahr 1825 mit einem Aufwand von 20-22,000 fl. zu einem allgemeinen Schulhause umgeschaffen.
Nach Ebens Geschichte von Ravensburg. Mündlich. Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 270-276. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000457673X
Der Ostertauf
Den Ostertauf vom Karsamstag behält man in der Gegend von Wangen, Leutkirch, Ravensburg das ganze Jahr hindurch auf. Man besprengt sich am Andreasabend, in der Christnacht und anderen Nächten, von denen man glaubt, sie seien nicht geheuer. Wenn kleine Kinder mit dem Schnaufen herb tun, was in gewissen Gegenden vom »Schrexle« herrühren soll, so besprengt man sie gleich mit dem Ostertauf und so wird ihnen geholfen.
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 83-84., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004574540
Der Pranger in Ravensburg
Ein gewisser Simon Keller aus Schaffhausen wurde a. 1645 wegen »Diebstahls auf den Pranger in das Halseisen gestellt, dann mit entblößtem Leib in der Stadt herum geführt und mit Ruten gestrichen, sofort auf den Kreuzwegen verrufen und ihm zu guter Letzt die Stadt Ravensburg und deren Gerichte auf zwanzig Meilen Wegs in der Runde auf einen Tag und 100 Jahre verboten«
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 226-227. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004576284
Der Schwörtag in Ravensburg
Am Pfingstdienstag versammelten sich Magistrat und Gericht auf dem Rathaus und begaben sich von hier aus in feierlichem Zuge nach dem Waaghaus, an dessen Portal bei der Hauptwache die Kontingents- und Garnisonssoldaten aufgestellt waren, um den Zug zu salutieren. Auf den Tribünen nahmen die Ratsmitglieder Platz, die Gerichtsherrn auf den Stühlen. Die ganze Bürgerschaft musste um 7 Uhr in schwarzen Mänteln und Seitengewehren erscheinen. Nach dem Gericht ging es in die Kirche zur Predigt. Nachmittags war Schützenbelustigung auf der Kuppelnau und hierzu von der Stadt der sog. Schwördukaten verliehen. Der Rest des Tages verging in geselligen Vereinen. In jedem Hause aß man an diesem Tage »Zwiebeldünneten«.
Vgl. Eben, Gesch. v. Ravensburg S. 483 ff., Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 190-191., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004575636
Narrenhaus in Ravensburg
Ein Ratsbescheid v. 1665 bei Eben II. 27. 28 heißt:
»Wann sie sich des Vollsaufens nicht bemäßige, soll sie für’s Narrenhaus gestellt und ihr eine Flasche um den Hals gehängt werden«.
Ratsprotokoll 1665., Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 233-234., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004576438
Primizfeier-Gesetz in Ravensburg
»Wer seine erste Mess hier haben soll.«
Es soll auch fürbass kein Pfaff seine erste Mess in unserer Stadt nicht singen, er sei denn in unserm Kirchsberg geboren oder erzogen fünf Jahr oder mehr; er wolle denn einen Altar oder eine Kapelle hier besingen.
Ravensb. Kirchenordnung, 14. Jahrh., Eben 472., Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 209., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004575946
Rebmanns-Sitten aus Ravensburg
Die Söhne der Rebleute waren gehalten, ein Jahr in der Fremde zu arbeiten, das folgende Jahr aber ein Stück Reben allein und ohne alle Beihülfe zu bauen. Ohne dieses erfüllt zu haben, durfte kein junger Rebmann heiraten. An diesem Brauch wurde so fest gehalten, daß einer Wittwe Sohn zwar in Gnaden daheim bleiben durfte, aber mit dem Beisatz, »er solle die nächsten drei Jahre sich mit einem Weibe zu melden nicht unterstehen, sondern bei seiner Mutter im ledigen Stand arbeiten«.
Vgl. Eben, Ravensburg II. S. 8., Quelle:Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 206., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004575865
Verbot des Taufschmauses in Ravensburg
In den Ravensburger Statuten und Ordnungen vom 14. Jahrhundert bei Eben S. 466 ist verboten zu zechen: »und soll auch desselben Tags zu keinem Wein gehen.«
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 319., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004577167
Volkslaube, Aberglaube
Der Ostertauf
Den Ostertauf vom Charsamstag behält man in der Gegend von Wangen, Leutkirch, Ravensburg das ganze Jahr hindurch auf. Man besprengt sich am Andreasabend, in der Christnacht und andern Nächten, von denen man glaubt, sie seien nicht geheuer. Wenn kleine Kinder mit dem Schnaufen herb tun, was in gewissen Gegenden vom »Schrexle« herrühren soll, so besprengt man sie gleich mit dem Ostertauf, und so wird ihnen geholfen.
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 83-84., Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004574540
Ravensburg in der Literatur
Shakespeare: König Richard II
Sogar Shakespeare kannte Ravensburg. In König Richard II, Zweiter Aufzug, Zweite Szene ist von „Ravenspurg“ die Rede:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Shakespeare,+William/Historien/K%C3%B6nig+Richard+II./Zweiter+Aufzug/Zweite+Szene?hl=ravenspurg
Ebenso in der Vierten Szene:
http://www.zeno.org/Literatur/M/Shakespeare,+William/Historien/K%C3%B6nig+Richard+II./Zweiter+Aufzug/Vierte+Szene?hl=ravenspurg
Anmerkung: Welf IV, Herzog von Bayern, (1030-1101) hatte seinen Sitz auch in Altorf (Ravensburg und war mit Judith, der Tochter des Grafen Balduin V. von Flandern, Witwe des Earls Tostig von Northumberland, verheiratet. https://de.wikipedia.org/wiki/Welf_IV. Im 2.Aufzug erwähnt Shakespeare kurz vor Ravenspurg auch Northumberland. Richard II lebte allerdings 200 Jahre später.
siehe dazu auch oben: Heinrich mit dem goldenen Pfluge / Heinrich mit dem goldenen Wagen
Wie die sieben Schwaben vor einem Galgen vorbeigehen und einen Gehenkten befreien
Außer Ravensburg kamen die sieben Schwaben vor einem Galgen vorbei. Du musst aber wissen, wenn du es nicht schon weißt, günstiger Leser! dass es nirgends mehr Galgen gibt im ganzen deutschen Reich, als im Schwabenland; woraus du jedoch nicht den Schluss machen darfst, dass dort die Spitzbuben zu Haus seien, sondern sie laufen eben aus allen übrigen Gegenden Deutschlands zusammen, wo sie wissen, dass sie Niemand fängt und hängt. Der Ravensburger Galgen stand aber nur selten leer, und war zu derselbigen Zeit der berühmteste nach dem Buchloer, an dem meistens ein halb Dutzend zugleich hingen. Und so pampelte denn auch einer an jenem Galgen, und er schien noch ein Frischling und nicht über einen Monat alt zu sein. Da fiel dem Spiegelschwaben ein, dass ein Diebsfinger geheime Kräfte habe, und man könne zu Geld kommen, ohne dass man es, was man so nennt, stehle.
Er wollte daher dem Patron einen Finger abschneiden, vermeinend, dass er ihm doch nimmer weh tue; er kraxselte den Galgen hinauf, und setzte sich grattlings auf die Schultern des armen Sünders. Da brach der Strick, und er fiel mit samt dem Toten herunter, der, weil er ganz starr war, aufrecht an das Lander sich hinlehnte, als wollte er drüber steigen; und der Spiegelschwab saß noch auf ihm. Das sahen die andern Gesellen; und im ersten Schrecken vermeinten sie, der Schächer sei lebendig geworden, und wolle ihnen nachlaufen. Und sie rannten davon, wie Spitzbuben, ohne umzuschauen, und rannten immer mehr, da sie hörten, dass wirklich einer hinter ihnen her trotte, – es war aber der Spiegelschwab, der auch nicht säumte – und sie wären vielleicht fortgerannt bis ans Ende der Welt, wenn ihnen nicht endlich der Schnaufer ausgegangen wäre. Da sahen sie nun wohl, dass Niemand hinter ihnen her sei; aber nehmen ließen sie sich’s nicht, es sei dem wirklich so gewesen, und der Spiegelschwab war derselben Meinung. »Der hat sicher den Gescheidteren gemacht, und ist nach Haus gelaufen; und die Ravensburger mögen sehen, wie sie ihn wieder bekommen« – so sagte einer; ich sag’s aber nicht, wer es gesagt hat.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 171-172. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004480074
¹ Texte zusammengefasst aus Wikipedia
³ Die historischen Texte habe ich zur besseren Lesbarkeit „sachte“ an die gültige Rechtschreibung angepasst, historisch überholte Begriffe jedoch belassen. Zahlreiche historische Postkarten habe ich retuschiert, Flecken entfernt und einige farblich angepasst oder coloriert.
Literatur
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