Weingarten in Oberschwaben (ehemals Altdorf) – Sehenswertes, Geschichte und Insidertipps. Das etwas andere Portal zu Weingarten. Hier gibt es nützliche Links, (alte und neue) Karten, Fotos, Ausflugsziele, Sagen, Mythen, Geschichten und Gebräuche

Allgemeines

Internetauftritt der Stadt / Gemeinde
Wikipediaeintrag
Alemannische Wikipedia
Wikisource: Historische Quellen und Schriften

Historische Lexikoneinträge

Weingarten (Meyers, 1909)
Stadt im württemberg. Donaukreis, Oberamt Ravensburg, an der Dampfstraßenbahn Ravensburg-W., 485 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, Synagoge, Rettungsanstalt, Porzellanfabrik, Flachsspinnerei, eine Maschinenfabrik, Holzmanufaktur, Preßhefenfabrikation und Branntweinbrennerei, Strumpfstrickerei und (1905) mit der Garnison (ein Infanterieregiment Nr. 124) 7159 Einw., davon 1291 Evangelische und 3 Juden. Weingarten ist 1865 aus dem Flecken Altdorf und dem Schloß Weingarten gebildet worden.

Das prachtvolle Schloß Weingarten (jetzt Kaserne) war vormals Sitz einer Reichsabtei des Benediktinerordens, die, als Frauenkloster 920 von den Welfen in Altdorf gegründet, 1047 in ein Mönchskloster umgewandelt, 1053 nach einem Brand in das Stammschloß der welfischen Familie (das gegenwärtige Gebäude) verlegt, 1803 aufgehoben wurde und 1806 an Württemberg fiel.

Die Abtei (ehemals mit berühmter Bibliothek, besonders mit wertvollen Handschriften der Minnesinger) umfaßte ein Gebiet von 330 qkm (6 QM.). In der Gruft der 1715–25 im Jesuitenstil erbauten Klosterkirche ruhen die Ahnen des Welfenhauses. Darin findet sich eine der größten Orgeln (mit 6666 Pfeifen und 75 Registern), ein Welfendenkmal (1859 vom König Georg V. von Hannover errichtet) und unter den Reliquien ein »Tropfen vom Blute Christi«, der die Veranlassung zum jährlichen »Blutritt«, einer Prozession zu Pferde, gegeben hat. Zu Weingarten ward 22. April 1525 ein Vertrag zwischen den aufständischen Bauern und dem Truchseß von Waldburg geschlossen.
Quelle: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 485.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20007682948

Weingarten (Pierer, 1865)

Schloß im Oberamte Ravensburg im württembergischen Donaukreise; war früher eine freie, 1053 von den Guelfen gestiftete Benedictinerabtei (einst mit berühmter Bibliothek), mit einem Gebiet von 6 QM. u. 11,000 Ew.; hat Wallfahrtskirche (Zum Blute Christi), kam 1803 an den Fürsten von Nassau-Diez, 1806 unter württembergische Hoheit u. ist jetzt Waisenhaus. In der dasigen Klosterkirche ist die Gruft der Ahnen der Guelfen; darin sind beigesetzt: Heinrich mit dem goldenen Pflug u. seine Gemahlin Hatta; Rudolf, Heinrich, Welf II.; Welf III.; Welf IV., Herzog von Baiern (st. 1101) u. seine Gemahlin Juditha; Welf V., Heinrich der Schwarze (Großvater Heinrichs des Löwen, Stammvater der Häuser Braunschweig u. Hannover); Wilphild u. Sophia, Schwestern der Juditha, der Mutter des Kaisers Friedrich I.; am 21. Mai 1860 wurde die vom König von Hannover erneuerte Gruft geweiht.
Quelle: Pierer’s Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 49.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20011268719

Karten

Luftlinie-org berechnet die Luftlinienentfernung
sowie die Straßenentfernung zwischen zwei Orten und stellt beide auf der Landkarte dar. Startort ist Weingarten, den Zielort müssen Sie noch wählen. Voreingetragen ist ➥ Bisoro in Burundi


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Fotos & Abbildungen

Weingarten, Strumpffabrik Kutter und Basilika
Weingarten, Strumpffabrik Kutter und Basilika, Postkarte von Eugen Felle um 1900, gemeinfrei
Weingarten Kirchstrasse
Weingarten Kirchstrasse, Postkarte um 1900
Gruss aus Weingarten
Gruss aus Weingarten, Postkarte um 1900
Weingarten, Kloster und Kirche
Weingarten, Kloster und Kirche, Postkarte um 1900
Hosanaglocke
Hosanaglocke – größte Glocke Würrtembergs, Postkarte um 1900

 

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Filme in der ARD-Retro-Mediathek (Filmbeiträge der 60er-Jahre)

Kunst, Kultur und Brauchtum

Kultur und Sehenswürdigkeiten (Wikipedia)
Abbildungen auf ‚Bildindex‘
➥ Bilder auf ‚Google-Art‘
Weingarten auf ‚Zeno-Org‘
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(Karten, Archivmaterialien und Luftaufnahmen vom Landesarchiv Baden-Württemberg)
Alphabetisch sortiertes Verzeichnis auf www.kloester-bw.de
Beschreibungen vom Landesarchiv Baden-Württemberg

Geschichte

Ortsbeschreibung von Merian: ➥ https://de.wikisource.org/wiki/Topographia_Sueviae:_Weingarten

Ausflüge und Sehenswertes

Wikivoyage – Projekt der Wikimedia
Wikitravel – der freie Reiseführer

Webcams

Webcams in Weingarten und Umgebung

Nachbargemeinden

angrenzende Städte und Gemeinden (aus Wikipedia)

Teilgemeinden und Ortschaften

Ortschaften und Wohnplätze von Weingarten (aus Wikipedia)

Sagen, Mythen und Geschichten

Burgen und Städte

Aus schwäbischem Blute ist das schwäbische Kaiserhaus hervorgegangen, auf der Veitsburg bei Ravensburg der rothbärtige Friederich geboren, der einst wieder kommen soll, um die Wiedergeburt Deutschlands zu feiern; die Zeit dieses Kaisers umfaßt alle Blüthe des hl. römischen Reiches deutscher Nation, an dem Namen Hohenstaufen hat sich alle Romantik emporgewunden. Aber während dieses Geschlecht mit dem Tode Konrads des Jungen ein blutiges Ende nahm, auf wälschem Boden, dem sie von jeher den Vorzug gegeben vor germanischer Erde, stiegen aus alamannischen Gauen zwei neue Herrschergeschlechter hervor, welche von kleinen Anfängen den Ausgang nehmend, zu gewaltigen Gliedern des europäischen Staatenleibes erwuchsen. Das Haus Habsburg, den Deutschen dreimal zum Retter geworden, hat seine Wiege in der alamannischen Schweiz, das preußische Königshaus nennt den Hohenzollern seine Stammburg. Noch nicht genug. Schwäbische Welfen sitzen auf den Thronen von England und Hannover. Wäre der Schwabe nicht vor Allen berechtiget, auf seinen Namen stolz zu sein, wenn er nach den Burgen Habsburg und Hohenzollern, nach dem Hohenstaufen, nach Altdorf und Weingarten seine Blicke wendet?

Aber noch gar manche Burg stand auf schwäbischem Boden oder schaut jetzt traurig in Trümmern auf die lachende Landschaft hinaus, die sie einst beherrschte. Ihre Geschlechter deckt die Erde, darum starben auch sie ihnen nach. Mit ihnen ist die Erinnerung an gar vieles Leid, an so wenig Freude, wie es denn nicht anders nach Ordnung des Menschenlebens gesetzt ist, dahingeschwunden und manche reckenkühne That, manch schwerer Sieg über das arme Menschenherz, werth des Gedächtnisses, findet keinen erzählenden Mund mehr. Geisterhaft umweht und träumend versenkt sich der Wanderer, der auf solcher Stätte steht, in jene Zeiten hinein, die ihn so wehmüthig anheimeln, und den stille gewordenen begleitet der ernste Gedanke von dannen, daß alle menschliche Herrlichkeit von heute.

Früher als die Klöster, so die Burgherrn gegründet, sind die Burgen zusammengebrochen. Doch folgten auch jene ihnen nach. Wo edle Ritter und schöne Frauen aus- und einzogen, wo fromme Mönche und Nonnen mitternächtiges Gebet für die Welt draußen zum Himmel emporsendeten, da ertönt nun das Hämmern und Schwirren der Fabriken, der Lärm der Kaserne, da seufzt in Reue der Züchtling. Doch nicht Arbeiter, nicht Landmann noch Bürger wünscht jene Zeit zurück, wo Viele einem Einzelnen mit Gut und Leib und Leben dienstbar waren. Denn was er heute erwirbt, darf er getrost sein Eigen nennen und dasselbe Recht schützt ihn nach Oben wie gegen seines Gleichen.

Deutschland war einst mächtig zur See. Der Welthandel lag in der Hand seiner Bürger. Das machte die Städte reich und Reichthum gibt Macht, und diese will unbeengt sein. Daher strebten sie nach Reichsunmittelbarkeit.

Schwaben ist mit Städten bedeckt; sie wollten frei sein. Als die Schweiz die lästige Herrschaft abgeschüttelt hatte, wären sie ihr gar zu gern beigetreten. Zwei Jahrhunderte dauerte der Kampf gegen die Landesherren. Doch zählte Schwaben die meisten Reichsstädte in deutschen Landen, im vorigen Jahrhunderte noch deren dreißig, zumeist auf würtembergischem und bayerischem Gebiete belegen. Augsburg, Straßburg, Ulm bildeten die weltberühmte Dreizahl ihrer Königinnen. Auch diese Herrlichkeit ist vorüber. Doch sie stehen noch, die Städte, die gar oft mit Burgen und Klöstern in Hader gerathen, während diese verkommen sind. Ja sie scheinen zum zweitenmale – Gott gebe, daß es nicht Herbst sei – zu blühen. Sollte auch für sie eine Zeit kommen, wo es heißt: sie waren?
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. XXIV24-XXVI26.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004573404

Die zwölf Knaben (Welfensage)

Zu der reichen Gräfin von Altdorf im Schussenthale kam einst ein armes Weib und bat um eine Gabe für sich und ihre hungernden Kinder. Da wies die Gräfin aber das Weib ab und sagte: „Wenn du keine Kinder ernähren kannst, so solltest du auch keine haben und hättest gar nicht heiraten sollen!“ Das erbitterte die arme Frau und sie wünschte der Gräfin, dass sie zwölf Kinder zumal gebären möge. Nicht lange nachher geschah es auch wirklich, dass die Gräfin mit zwölf Knaben niederkam. Darüber entsetzte sie sich gar sehr und da ihr Gemahl eben ausgegangen war, so schickte sie auf der Stelle ihre Magd mit elf Knaben fort, dass sie dieselben in die Scherzach werfen sollte. So aber Jemand sie anhalte und befrage möge sie nur sagen: sie müsse junge Hunde ertränken.
Die Magd war bereits mit ihrem Korbe bis in die Nähe des Mühlbachs gekommen, da traf sich’s, dass gerade der Graf des Wegs daher kam und sie fragte wohin sie wolle und was sie da habe? Mit der Ausrede, welche die Magd vorbrachte, begnügte der Graf sich nicht; er wollte die Hunde selbst sehen; und kurz und gut, er erfuhr die ganze Geschichte indem die Magd ihm Alles gestand. Darauf befahl er der Magd tiefes Schweigen; sie solle der Gräfin sagen, dass sie ihren Auftrag vollzogen habe. Dann ließ er die elf Knaben zu einem Müller tragen, der in der Nähe an der Scherzach wohnte und empfahl namentlich der Müllerin die Kleinen zu sorgfältiger Pflege. Die Knaben gediehen auch alle miteinander vortrefflich und als sie so das siebente (Andre sagen das zwölfte) Jahr erreicht hatten, veranstaltete der Graf ein großes Gastmahl, wozu viele vornehme Gäste geladen wurden. Während des Essens brachte der Graf wie zufällig das Gespräch auf verschiedene Verbrechen und fragte die Gäste nach der Reihe, welche Strafe sie für das und das Vergehen ansehen würden, worauf dann ein Jeder freimütig seine Meinung äußerte. So kam denn auch die Reihe an seine Gemahlin und der Graf fragte sie, welche Strafe doch wohl eine Mutter verdiene die elf Kinder umgebracht. „Ei, die verdiente,“ sagte die Gräfin rasch „dass man sie lebendig in Öl siede.“ „So hast du selbst dir dein Urteil gesprochen!“ versetzte der Graf und öffnete eine Nebentür, durch welche er die elf Knaben hereintreten ließ und nun die ganze Geschichte seinen Gästen vortrug. Die Gräfin fiel ihm zu Füßen und bat um Gnade, die sie auch er halten haben soll. Vor dem Rathause zu Altdorf sind die zwölf Knaben nebst dem Müller und der Müllerin abgebildet, ebenso auf einem alten Ölbilde im Innern des Hauses. (Mündlich aus Altdorf)
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 2, Nr.371, Link: https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ

Welfensage

Ein im Ratause zu Altdorf befindliches Holzgemälde, das die Vorführung von elf Knaben bei einem solennen Gastmahle des Grafen darstellt, enthält folgende Inschrift:
»Eine unerhörte Historia von dem Ursprung und Namen der Quelphen, vor Zeiten Grafen und Herren zu Altdorff im Allgäu, nachmals Fürsten in Baiern, dergleichen von Anbeginn der Welt nie gehört noch vernommen worden; Isenbard, Graf zu Altdorf, lebt in Anno 780. Seine Gemahlin Irmentrudis brachte auf einmal zwölf Kinder zur Welt und wollte elfe davon gleich als die junge Hunde lassen in’s Wasser werfen.«
Ähnliche Bilder sah ich mehrere in Oberschwaben, z.B. auch bei Ulm in Delmensingen, die früher, scheint es, verbreiteter gewesen sein müssen.
(…) Beachtenswert sind die Anmerkungen Panzers zu dieser Art Sagen, I. S. 335-341. Ist nicht die Welfensage eines alten Naturcults Überrest? Sollte die Zahl zwölf nicht auf die zwölf Monate gehen? Bemerken will ich, dass man die Mühle, in der die elf Welfen auferzogen worden, jetzt noch zeigt, es sei die Griesle-Mühle. An der Fastnacht hat man ehedem diese Geschichte in Weingarten aufgeführt mit den sonderbarsten Sitten aller Art. (…)
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 223, Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004565827

Welfensage

Eine weitere Tradition von des Welfennamens Ursprung berichtet: »Isenbard habe während seines Aufenthalts am Hofe Karls des Großen die Nachricht von der Geburt eines Sohnes mit dem Verlangen seiner Gattin erhalten, sobald als möglich nach Hause zurückzukehren. Auf seine Bitte um Urlaub, soll Karl lächelnd geäußert haben: ›Es lohne sich wohl der Mühe, wegen der Geburt eines jungen Welfs so sehr nach Hause zu eilen!‹ Isenbard, schnell besonnen, habe hierauf Karln gebeten, das Kind aus der Taufe zu heben und beteuert, dass er diesen seinen Sohn nicht anders als nach des Kaisers Ausdruck ›Welf‹ nennen werde.«
[Leipziger allgem. hist. Lexikon. Art. »Isenbard«. Bucel. hist. Agilolf. pag. 363. Anonym. Weing. apud Hess pag. 5 et 6. Dieser gibt jedoch nicht an, welcher Kaiser es gewesen sei. Isenbard führt er auch nicht namentlich auf. Eben’s Ravensburg. I S. 54 u. 55.]
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 223-224, Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004565835

Welfensage (extended)

Die Sage von dem Ursprunge der Zollern’schen Grafen von den Welfen

Herr Isenbard, Graf zu Altorff (so ehemals ein Dorf in Schwaben gewesen, wo jetzt das Kloster Weingarten ist), welcher um das Jahr Christi 780 gelebt und Caroli M. Feldherr gewesen, hatte Frauen Irmentraud, eine junge und hitzige Dame, der Kaiserin Hildegard Schwester, zur Gemahlin. Indem nun ein armes Weib drei Kinder auf einmal zur Welt geboren, hat diese Gräfin sie öffentlich für eine Ehebrecherin gescholten und davor gehalten, dass von einem Manne nicht zwei oder drei Kinder auf einmal könnten gezeugt werden, und hat die Frau Gräfin bei ihrem Herrn Gemahl es dahin gebracht, dass das unglückliche Weib in einen Sack gesteckt, auch als eine Ehebrecherin ins Wasser geworfen und ersäuft worden. Folgendes Jahr wurde die Frau Gräfin schwanger und gebar in ihres Herrn Abwesenheit zwölf schöne junge Söhnlein, welche aber, wie leicht zu ermessen, von geringer Leibesgröße sein können. Die seltene Begebenheit verursachte bei dem anwesenden Frauenzimmer einen Schrecken, bei der Frau Gräfin aber eine heftige Ehrfurcht und Scham. Sie bedachte bald, dass manniglich ihre Keuschheit in Zweifel ziehen und sie unordentlicher Liebe beschuldigen würde, gleich wie sie vor so weniger Zeit mit großem Eifer selbst andern getan.

Die heftigen Gemütsbewegungen setzten der ohnedem kranken Gräfin Leben und Verstand in Gefahr. Ihren guten Ruf und Nahmen wollte sie erhalten, sollte gleich alle mütterliche Treu und Liebe nebst der Seelen Seligkeit selbst darüber vergessen werden. Sie ließ die Kinder vor sich bringen,[10] wählte eins unter so vielen, welches sie behalten wollte, und befahl ihrer Wärterin mit ganz ergrimmtem und boshaftem Gemüt, die übrigen elf an den nächsten Fluss zu tragen und ins Wasser zu werfen. Die Wärterin, welche mehr Gehorsam als Verstand und Gottseligkeit hatte, eilte selbst mit den unglückseligen Kindern fort, warf sie schichtenweis in die Bademulde und lief dem Wasser zu. Allein Gott wachte für diese Verlassenen, welcher es durch seine Regierung so gefügt, dass der tapfere Graf Isenbard eben nach Haus und dieser Kindesmörderin, ehe sie es vermutete, auf den Hals kam. Er liebte seine Irmentraud sehr inniglich, und lief entweder aus Begierde, nach seiner Gemahlin Zustand zu fragen, oder aus kluger Haus-Sorgfaltigkeit auf sie zu und wollte wissen, was sie trage.

Wer dürfte aber eine alte Dirne ohne Antwort vermuten? Sie war hurtiger zu sagen, dass es junge Hunde wären, so sie ins Wasser tragen wollte, als dass der Graf eine Unwahrheit hätte besorgen können. Doch trieb ihn eine heimliche Regung, die Hunde zu sehen, ob vielleicht selbige von guter Art und zur Jagd möchten abzurichten sein. Allein die Alte wusste ihm mit rauen Worten zu begegnen, es stände ihm als einem großen Herrn übel an, sich um solche unflätige Dinge zu bemühen; er sollte nach etwas Schöneren sehen, der hündliche Anblick könnte einem großen Herrn Ekel erregen und in schwere Krankheit stürzen, er habe bisher Hunde genug gehabt und könne diese untüchtigen wohl entraten. Wer muss nicht bekennen, dass Gott hier Alles regiert, nachdem der Graf auf diese ungeschliffene Worte nur desto begieriger worden, die angegebene Hunde zu besehen? Er zwang die Alte, die Decke hinweg zu nehmen. Was Wunder aber findet er? So viel schöne, zwar von geringen und kleinen Gliedern, doch wohl proportionierte lebhafte Kinder. Die Barmherzigkeit gegen die unschuldigen Märtyrer und der Zorn über die unbarmherzige Hunde-Mutter geriet in Wettstreit; doch wollte er erstlich von der Alten die Eltern dieser Armseligen erforschen, welche, weil ihr eine grausame Todesart angedroht war, anfing alles umständlich, und was die Gräfin zu dieser Grausamkeit bewogen, zu erzählen.

Der fromme Herr, dem nun der Unschuldigen Elend noch mehr schmerzte, wusste vor Mitleiden, Verdruss und Scham vor der Gemahlin Grausamkeit fast nicht, was er in so verwirrtem Stand vornehmen sollte, resolvierte sich doch endlich, am ersten die Kinder zu retten und das übrige bis auf bequeme Gelegenheit zu verschieben, übergab die Kinder dem daselbst wohnenden und wohlhabenden Müller mit Befehl, ihrer wohl pflegen zu lassen, und befahl der Alten, sie solle nur ohne Furcht zu ihrer Frauen wiederkehren und dass sie die Kinder ins Wasser geworfen, erzählen.

Sechs Jahre sind inzwischen verstrichen und die armen Findelkinder ziemlich erwachsen, als der Herr Vater sie heimlich auf einerlei Weise gar artig bekleiden und in das Schloss zu Weingarten (welches hernach zum Kloster geworden) bringen, ein kostbares Banquet anrichten, auch seine und der Frau Gemahlin nächste Freunde dahin einladen lassen.
Als man allerdings abgespeist, brachte der Graf das rare Schauspiel, welches vielleicht der glücklichen Veränderungen und Affectenwechsel halber nicht viel seines Gleichen gehabt. Es hatte die Frau Mutter ihr junges Herrlein in schönen Purpur bekleidet, und der Graf hatte heimlich für die übrigen elf Brüder auch dergleichen Kleider verfertigen lassen; in welchem Habit sie[11] dann sämtlich in den Speise-Saal traten, sowohl an Kleidern als Gliedern und allem Ansehen einander so ähnlich, dass manniglich sie vor leibliche Brüder halten konnte. Sie machten dem Befehl gemäß einen höflichen Reverenz, und der Graf stand auf, zeigte mit Fingern auf die liebreichen Kinder und fragte seine werte Gäste, mit welcher Straff man eine Mutter belegen sollte, welche dergleichen elf schöne und holdselige Kinder hätte zu erwürgen befohlen? Das böse Gewissen ist ein grausamer Henker, und von solchem wurde Frau Irmentraud dermaßen gefoltert, dass sie anfing zu erblassen, bald zitterten alle Glieder und endlich fiel sie halbtot vom Stuhl in tiefe Ohnmacht.

Das anwesende Frauenzimmer erschrak heftig, eilte doch mit allerhand kräftigen Wassern, die vor tot liegende zu erquicken, welche sich auch bald aufmachte und zu des Grafen Füßen wieder niederfiel, welchen sie nebst der sämtlichen anwesenden hohen Freundschaft mit Vergießung vieler Tränen um Christi Willen um Verzeihung bat. Sie setzte beweglich hinzu, dass sie nicht sowohl aus Bosheit als Einfalt und Torheit diesen Fehler begangen. Sie erzählte, wie die Begebenheit mit der armen Frauen und deren drei geborenen Kindern sie hierzu gebracht und wie sie nicht durch Hochmut, sondern aus Unwissenheit gefehlt. Sie bat inständig, man solle bedenken, dass sie diesen schweren Fall schon oft bereut und mit vielem Seufzen Gott abgebetet und dass sie diese sechs Jahre hier niemand mit einer fröhlichen Miene würde gesehen haben.

Die reuige Bekenntnis und Abbitte des begangenen Fehlers hat eine sonderliche Versöhnungskraft in sich und edle Gemüter sind zur Verzeihung gern geneigt, wenn sie eine Demut spüren. Daher geschah es, dass alle Anwesende mit denen häufig hervorquellenden Tränen Mitleiden hatten. Sie erwogen sämtlich, dass, obgleich die Anschläge und Taten verdammlich, doch der Ausgang und Erfolg glück- und erfreulich gewesen. Sie traten in die Reihe um den tapfern Grafen Isenbard und baten, dass er diesen Fehler der unglücklichen Frauen vergeben wollte. Diesem nach bückte sich der vorhin fast unbeweglich stehende Graf Isenbard, hob die vor ihm kniende und weinende Gemahlin von der Erde auf. Er dankte zuvörderst mit aufgehobenen Händen dem wunderbaren Gott, der alles so glücklich regiert. Dann wendete er die Rede auf die Frau Gemahlin; und Euch, meine liebe Irmentraud, sagte er, wollen wir sämtlich vor unschuldig halten, weil es meistens aus Einfalt und Übereilung hergerührt.

Endlich weil seltsame Begebenheiten ein beständig währendes Gedächtnis bei denen Nachkommen verdienen; also wurde von der ganzen Gesellschaft für gut befunden, dass diese junge Grafen zu ewigem Gedächtnis dieser Wundergeschichte die Welfen (Wölfe, junge Hunde), oder wie es andere ausreden, Guelphi, Veliphi (nach Andern bedeutet es Zwölf, die Zahl der geborenen Kinder) sollten genannt werden, wiewohl die Elfe bald hernach ohne Erben wieder verstorben, und nur der Einige, welcher von der Mutter erzogen worden, das Geschlecht fortgeflanzt, welches aber so hoch durch Gottes Segen gestiegen, dass nicht nur dessen Tochter Juditha Ludovici Pii andere Gemahlin worden, von welcher Kaiser Carolus Calvus, sondern auch die männliche Descendenten, Conradus, von dem die Herzogen und Könige in Burgund, auch die französischen Könige, dann ferner Rudolphus, von dem die Herzogen zu Bayern alten Geschlechtes und jetzige Braunschweigische herstammen. Von dieser Welfischen hohen Familie[12] wollen viele alte und neue Scribenten die Abstammung des Hauses Zollern herleiten, so den Welf oder Hund, so anfänglich im Schild gestanden, auf den Helm gesetzt.

Sie haben auch Graf Isenbard selbst für den Zollerischen Stammvater angesetzt, welcher nebst Guelfo I. Thassilonem gezeugt, und diesem sei das Hohenzollerische Territorium zugefallen, daher selbiger Thassilo für den ersten Urheber dieses preiswürdigen Geschlechts zu zählen. Man hat aber gleichwohl aus beider Häuser gegen einander geführten Meinung abgenommen, dass das Zollerische Haus von denen Welfen nicht abstamme. Aus den bewährtesten Geschichtschreibern ist bekannt, dass eine grausame Erbfeindschaft zwischen denen beiden Factionen, der Welfischen und Gibellinischen oder Weiblingischen (vom Kaiser Conradi III. Geburtsort Weiblingen, so jetzt dem Herzog von Würtemberg zugehört, also genannt) entstanden, welche viel Jahre lang Deutschland und Italien in Unruh gesetzt, in welcher jegliche Familie nicht nur ihre Verwandten, sondern alle Bekannten, so viel möglich, sich anhängig gemacht, um sich bei der höchsten Macht zu schützen und die gegenseitige Fraction zu stürzen.

Weil nun sowohl das Haus Zollern als die Burggrafen zu Nürnberg, auch sogar die Colonnensische Familie in Italien, jederzeit gut Gibellinisch oder kaiserlich gewesen, also könne man wohl ermessen, dass diese Häuser nicht von denen Welfen abgestammt, sie würden sonst ihres eigenen Hauses, welches das mächtigste in ganz Europa gewesen, Untergang nicht gesucht und sich selbst Schaden zugefügt haben.
Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 1, Glogau 1868/71, S. 10-13.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004936183

Laurasitz

Auf dem Weg von Weingarten nach Schlier ist der »Laurasitz« im Laurathal. Da sitzt ein Geist, eine Gräfin Laura »auf dem Sitz«, welche mit goldenen Kugeln und silbernen Kegeln kegelt. Das geschieht alle Nacht von 12 bis 1 Uhr. (Mündlich von Weingarten)
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 7. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004560787

Laura’s Erlösung

Fräulein Laura mit ihrem weißen Kleid, einen Bund Schlüssel an ihr hängend und ein Wasserkrüglein in der Hand, erscheint in den heiligen Zeiten an einem unscheinbaren Brünnlein an der Scherzach (ganz in der Nähe der Brücke, die auf den Hallersberg führt, der Griesle-Mühle gegenüber) und schöpft Wasser, sprechend: »Ich muss eine Linde tränken, und zwar so lange, bis der Baum erstarkt ist. Alsdann wird aus diesem Baum eine Wiege gefertigt, und dasjenige Kind, welches in derselben gewiegt und auferzogen wird, erlangt von Gott die Gnade, mich erlösen zu können.« Und dann setzt sie ihren Weg dem Laurathal zu fort.
Quelle: Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 7. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004560795

Brauchtum und Volksglaube

Blutritt

Am Tage nach der Himmelfahrt Christi wird in Weingarten bei Altdorf der berühmte Blutritt gehalten. Der eingefasste Tropfen vom heiligen Blut wird in feierlicher Prozession durch die Felder getragen und das Korn gesegnet, dass kein Wetter ihm schadet. Diese Prozession geht seit alter Zeit immer durch die Scheuer eines Bauers in der Nähe von Weingarten. Die meisten Teilnehmer erscheinen zu Pferde und in militärischer Kleidung, mit Fahnen, Musik u.s.w. Einer hat die Heilige Blutglocke, die während des Segens beständig geläutet wird. Der Pater Custos, der sonst das heilige Blut trug, ritt immer auf einem Schimmel und war weiß gekleidet. Auch den Pferden bringt dieser Blutritt Gedeihen. (Weingarten, Altdorf)
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 3, Nr. 84, Link: https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ

Der Blutritt zu Weingarten

Ursprung

Weil das Reichsgotteshaus Weingarten auf das Jahr 1090 am Freitag nach dem Feste der Himmelfahrt Christi, der damals auf den 31. Mai fiel, durch eine feierliche Übergabe von der Königin Juditha, Herzog Guelph des IV. Gemahlin, das hl. Blut empfangen, so wurde dieser Tag zum Andenken dieser unschätzbaren Schenkung und zur Ehre dieses kostbaren Wertes unserer Erlösung von dieser Zeit an mit der Prozession gefeiert, die hernach von Jahr zu Jahr dergestalt angewachsen und so prächtig geworden, dergleichen man nicht bald an andern Orten zu sehen bekommt. Die Menge der Wallfahrer und Zuseher ist so groß, dass die ganze Nachbarschaft kaum erklecket, sie unterzubringen und ihnen Unterhalt zu verschaffen.

Die Zeit, in welcher diese Prozession durch lauter Reiter um die nahe gelegenen Felder herum angefangen, ist eigentlich nicht mehr zu bestimmen, weil die vielen Veränderungen, Feuersbrünste, Kriegsunruhen und andere Unglücksfälle unserer Neugierde die Urkunden davon entrissen. So viel ist gewiss, dass schon im Anfange des 16. Jahrhunderts dieser Ritt als eine von Alters her übliche Gewohnheit im Schwung gewesen. Es sind noch zwei Briefe vorhanden, der eine vom Jahre 1529 den 5. Mai, der andere den 14. Brachmonat 1546 geschrieben, worin sich nach der damaligen Mundart die »Gotzlüth beklagen, das niemand von Ravensburg, welche Stadt damals wegen der Reformation in voller Gärung war, um das heilig Blut durch die Stadt zu führen gebeten habe, wie der Brauch von Alther her gewesen. Auf das seien sie freitags hin gegen der Stadt, zu dem Bild in der holen Gassen geritten, und darnach gegen dem Kammerbriel und das ganze Feld um, wie von Alther her. Es sei auch kein Mensch von Ravensburg mitgeritten noch gangen. Der Landrichter sei selbst mitgeritten, und sonst gar viel Volk, das sie der von Ravensburg nicht bedurft haben«, woraus zu sehen, dass diese Prozession damals schon lange üblich und zahlreich gewesen, auch der Zug durch die Reichsstadt Ravensburg gegangen sei.

Wachstum

Nach und nach wurden die Wallfahrer zu Fuß von der Ordnung in der Prozession ausgeschlossen, und die Anzahl der Reiter nahm dergestalt zu, dass man zu unsern Zeiten schon über 7000 Mann gezählt hat. Um den Zug zu verherrlichen, teilten sie sich in abgesonderte Compagnien ein, und Einige fingen an, sich nach Art der Soldaten im Feld zu montieren. Die Erste davon war die Reichsstadt Biberach, welche aus Antrieb der edlen Herren von Brandenburg, aus deren Familie jederzeit einer die Rittmeisterstelle bekleidet, zwo Compagnien blaue Dragoner aufgestellt. Dieses Beispiel ahmten sogleich Altshausen und andere umliegende Herrschaften nach. Es wurde darüber ein ordentliches Reglement eingeführt und der Rang beibehalten nach dem Alter, wie jede Compagnie zuerst der Prozession beigetreten, davon die Herren Studenten bisher den ersten behauptet haben. Die Truppen haben ihre Ober- und Unteroffiziere, Feldpatres, Feldmusik, kostbar gestickte Standarten und beinahe Alles, was in’s Feld erfordert wird.

Am Vorabend des hl. Blutfreitags, an dem Fest der Himmelfahrt unseres Herrn, rückten die entfernteren Compagnien ein und nahmen ihr Quartier teils in den benachbarten Orten, teils im hiesigen Flecken Altdorf. Die Husaren von Altshausen schlagen ihr ordentliches Lager auf, halten ihre Feldwachen und bringen die Nacht unter Zelten zu.

Die einzelnen Reiter, die weder montiert, noch zu einer bestimmten Compagnie gehören, stoßen den folgenden Tag zu den irregulären und unmontierten Truppen.

Die Feierlichkeit nimmt ihren Anfang am Freitag in der Früh um 6 Uhr. Der ganze hochwürdige Convent verfügt sich zu dem hl. Blutaltar, allwo ein jeweiliger R.P. Custos, mit einem Chorrock, Stola und rotsamtenem, mit Gold schön gesticktem Velum angetan, das hl. Blut in einem silbernen Behältnis an den Hals hängt, und unter Absingung der Antiphone: Salvator mundi etc., unter Läutung der Glocken und Abfeuerung der Böller sich in den äußern Hof des Klosters verfügt und zu Pferd sitzt, wo ihn schon eine zahlreiche Menge Reiter erwarten. Von hier aus geschieht der Zug durch den Flecken gegen Ravensburg in die umliegenden Felder in folgender Ordnung:

Ausritt

1) Compagnie der Herren Studenten mit Pauken und Trompeten und entblößtem Gewehre, welches alle übrigen Truppen beobachten.
2) Reichsgotteshaus Weingart: Zehentamt.
3) Bediente in der Livree und Herren Beamte des Gotteshauses.
4) Reiter-Contingent des löbl. Stands Weingarten.
5) Die bürgerliche Schützencompagnie des löbl. Fleckens Altdorf, blau und rot, die das hl. Blut als eine Wache zu Fuß begleitet.
6) Trompeten und Pauken.
7) Ein römisch gekleideter Reiter mit einer Lanze, der den Soldaten Longinus vorstellt, welcher die Seite des Erlösers mit einem Speer eröffnet hat.[256]
8) R.P. Custos mit dem hl. Blut. Vor und nach ihm reiten 6 geharnischte Männer, und zu beiden Seiten 4 Reiter in Göllern, deren jeder eine schöne Standarte führt.
9) Einige Herren Geistliche, die das hl. Blut zu Pferde begleiten.
10) Flecken Altdorfische Compagnie leichter Reiterei, blau und gelb.
11) Landvogteiische.
12) Landvogteiische.
13) Landvogteiische.
14) Graf Wolfeggische.
15) Stadt Ravensburgisches Jägercorps.
16) Graf Wurzachische Dragoner, gelb und schwarz.
17) Stadt Waldseeische Grenadiere zu Pferd, rot u. blau.
18) Graf Waldseeische Dragoner, mit rot und grünen Aufschlägen.
19) Heiligenbergische mit Göllern und roten Aufschlägen. Diese Compagnie bestand aus: 1 Lieutenant, 2 Fähndrichen, 1 Feldwebel, 1 Korporal, 2 Pfeifer, 2 Tambours und 26 Schützen; diese 35 Mann bekamen nach dem Umritt aus der Großkellerei des Klosters 2 Eimer Wein.
20) Stadt Biberachische Dragoner, blau und rot.
21) Stadt Biberachische Dragoner, blau und rot.
22) Altshausische gelbe Husaren.
Graf Zeilische sind einige Jahre her ausgeblieben.
23) Bettenreuthe, Freiherr von Rehlingische.
24) Erdingische Grenadiere zu Pferd, rot und blau.
Stadt Saulgauische sind ebenfalls ausgeblieben.
25) Graf Königsegg-Aulendorfische Grenadiere zu Pferd.
26) Graf Königseggwaldische Dragoner, rot und gelb mit der Musik.
27) Amtzell, Freiherr von Reichlingische, grün und rot.
28) Reichs-Gotteshaus Weingartische.
Während des Zugs werden vier Mal die heiligen Evangelien abgelesen und die Feldfrüchte mit dem hl. Blut gesegnet, damit sie Gott vor Ungewitter bewahre.

Das Volk macht den Umgang haufenweise zu Fuß mit und drängt sich dergestalt, dass zu verwundern ist, dass unter so vielen Leuten und Pferden keine größeren Unglücksfälle entstehen, denn die zuweilen geschehenen Fälle und Stürzungen sind allezeit ohne bedenkliche Folgen abgelaufen, welche Gnade dem besonderen Schutze Gottes in Ansehung des hl. Blutes zugeschrieben wird. Zu Hofs, unweit dem Dorfe Baierfurt, geht der ganze Zug durch eine Scheuer, worin die Reiter füglich abgezählt werden.

Nahe bei dem Flecken Altdorf wird ein Gezelt aufgerichtet, worunter sich R.P. Custos mit dem hl. Blut verweilet, bis alle Truppen vorüber und sich zum Einzug in die Ordnung gestellt haben.

Unterdessen beschäftigt man sich in der Kirche mit Lesung sehr vieler hl. Messen, mit Beichten und Communiziren, mit Trinken von dem mit dem hl. Blut gesegneten Weine, und Gewinnung des vollkommenen Ablasses, den Papst Clemens X. verliehen hat, bis ein Zeichen mit der Glocke gegeben wird, auf welches sich Seine Hochwürden und Gnaden Herr Reichsprälat, oder ein anderer mit einer hohen Würde bekleideter Gast mit hochpriesterlichen, rotsamtenen und reich mit Gold gestickten Kleidern angetan, unter Vortretung vieler Herren Geistlichen und des ganzen hochwürdigen Convents, des Ceremonienmeisters und 4 Leviten unter einem ebenfalls rotsamtenen und prächtig gestickten Himmel, mit Kreuz und Fahnen außer das Thor erhebt, um allda unter einer aufgeschlagenen[258] Bühne das hl. Blut zu empfangen. Das Infanterie-Contingent des löbl. Standes Weingarten macht von beiden Seiten Spalier und steht den anrückenden Truppen jedesmal in’s Gewehr. Hierauf wird das hl. Blut gleichsam im Triumph eingeführt, welcher Eingang in folgender Ordnung geschieht:

Eintritt

Zuerst kommt die hochwürdige Geistlichkeit von Altdorf, welche mit Kreuz und Fahnen dem hl. Blut außer dem Flecken entgegen gegangen. Hierauf meldet ein jeweiliger Wachtmeister der Studenten-Compagnie durch ein mit dem Degen gemachtes Compliment an, dass Alles in Ordnung sei und die Truppen anrücken.

Den Zug eröffnet wiederum die Compagnie der Herren Studenten; dann folgen die übrigen Compagnien wie beim Austritt.

Sobald das hl. Blut bei der Bühne anlangt, übernimmt dasselbe R.P. Untercustos und überreicht es Sr. Hochwürden und Gnaden Herrn Officianten, der es auf den Knien empfängt und damit über das Volk den Segen gibt. Hierauf geht die Prozession durch den Klosterhof mitten durch die Compagnien, die von allen Seiten Spalier bilden, unter beständiger Musik, Ertönung aller Glocken, Abfeuerung der Böller, unter Absingung des LXXIX. Psalms unterhalb zur Kirche hinein bis vor den Hochaltar, allwo der letzte Segen gegeben und die Feierlichkeit mit dem hl. Bluthochamt beschlossen wird.

Das Gefäß für das hl. Blut war von gediegenem arabischem Gold und mit guten Steinen besetzt; der Wert desselben betrug circa 70,000 Gulden.
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 259.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004576705

Von dem heiligen Blutritt, so an dem nächsten Freitag nach der Auffahrt Christi zu Weingarten jährlich gehalten ward bis zum Jahr 1700

Der hl. Blut-Ritt, eine herrliche Prozession, in welcher an dem Freitag nach der Auffahrt Christi (als an dem Titular- und Principal-Fest der hl. Blut-Bruderschaft, allwo dessen Brüder und Schwestern einen vollkommenen Ablass zu gewinnen haben) das heiligste Blut durch den Löbl. Flecken Altdorf, und sofort durch die nächst gelegenen Felder jährlich herumgetragen, und darmit die Benachbarte Landschaft mit viermal wiederholter Verrichtung der gewiss ausbündig-schönen und kräftigen Wetter-Gebetern gesegnet wird.

Diese Procession wird der H. Blut-Ritt genannt, nicht als wann keine Fußgänger sich dabei einfindeten; sondern weilen nur die Reitende in ein wohl eingerichte Ordnung aufgeteilt werden, und solche bis zu End des Umgangs zu erhalten sich emsig angelegen sein lassen: da indessen besagte Fußgänger, so gemeinglich ein zwei-, drei- oder vier-mal größere Anzahl ausmachen, den ausgesteckten Processions-Weg mit eifrigst- und auferbäulichistem Beten zwar durchwandern, aber dabei kein gewissen Platz oder Stellung beobachten, sondern vor- nach- und neben dem Hl. Blut gehen, wie einen jeden sein Willen und Andacht anleitet.

Gedachte Reiterei wird in soviel Truppen und Compagnieen eingeteilt, als soviel Herrschaften und Ämter sind, die ihre Untertanen das heiligste Blut an diesem Tag sonderlich zu beehren und zu verehren hierher beordern. Eine jede Compagnie prangt mit einem klingenden Spiel, wie auch mit sowohl kostbarlich-gestickten, als schön-ausgearbeiteten Standarti, und befleißet sich, soviel bei einem diesfalls ungeübten Volk möglich, ein in dem Krieg gebräuchliche Ordnung zu halten, welches dann überaus angenehm, und sehr anmütig anzusehen vorfallet.

Die Anzahl dieser Reitenden Hl. Blut-Wahlfahrteren, wann der Krieg, oder eine ansteckende Seuche kein Hindernis machen, ist jährlich groß, und zwar dergestalt, dass sie bei unseren letzteren Zeiten um ein merkliches angewachsen und Abzählungen nur etlicher Jahren, so wir aufgezeichnet gefunden, leichtlich zu erachten.

Anno 1646 H. Blut-Reitter 1400. Anno 1679 haben den H. Blut-Ritt vermehrt und geziert 2 durch die Nachbarschaft in das Quartier herum gelegte Compagnien, eine von dem Haranthischen, die andere von dem Trautmansdorfischen Regiment.
Anno 1699, H., Blut-Reiter, 1180.
Anno 1716, H., Blut-Reiter, 3334.
Anno 1719, H., Blut-Reiter, 3280.
Anno 1720, H., Blut-Reiter, 4287.
Anno 1721, H., Blut-Reiter, 3724.
Anno 1722, H., Blut-Reiter, 4843.
Anno 1724, H., Blut-Reiter, 4054.
Anno 1725, H., Blut-Reiter, 4296.
Anno 1726, H., Blut-Reiter, 5045.
Anno 1732, H., Blut-Reiter, 5524.
Anno 1733, H., Blut-Reiter, 5325.

In dem letzt-verwichenen Jahr 1734 hat sich die Anzahl der Reitenden auf 5444 erstreckt, unangesehen, dass zu selbiger Zeit die große Kriegs-Gefährlichkeiten immerdar stark anhalteten. Vor anderen haben diesem unseren H. Blut-Ritt ein besondere Zierde und Ansehen gemacht Seine Hochgräfl. Excellenz, der Hochgebohren Herr Carl Seyfrid des Heil. Röm. Reichs Graf zu Königsegg, und Rothenfels, Freiherr zu Aulendorf, Ebenweyler, und Wald etc. der Röm. Kaiserl. auch Königl. Catholischen Majestät wirklicher geheimer Rat, Cammerer und Land-Vogt in Ober- und Niederen-Schwaben etc., da hochdieselbe mit ihrer ganzen Hofstatt, und kostbaren Equipage die völlige Procession hindurch das heiligiste Blut mit großer Auferbäulichkeit persönlich zu Pferd begleitet haben. Und damit das ganze Hochgräfl. Haus Königsegg Aulendorf an einem so Volkreichen Tag öffentlich zeigte, mit was großer Hochachtung es dem zu Weingarten aufbehaltenen heiligisten Herz- und Seiten-Blut Christi Jesu zugetan sei, haben oben-ersagt Herrn Grafen Landt-Vogtens von Königsegg Herr Bruder, der Hochwürdige, Hochgebohrene Herr Joan. Ernestus des H. Röm. Reichs Graf von Königsegg Aulendorf etc. bei der Erz- und Hoch-Stifter Cölle und Costantz Canonicus Capitulares des aus den Feldern zurück kommende heiligiste Blut in Priesterlichen Paramentis solenniter empfangen, und sodann auf Weis und Art, wie gleich hernach solle gemeldet werden, mit zartister Andacht in die Kirchen übertragen.

Übrigens ist sich bei dieser jährlichen H. Blut-Procession nicht wenig zu verwundern, dass währender solcher in so großem Getümmel, bei so vielen entweder unerfahrenen oder ungewohnten Reitern kein sonders zugestandenes Unglück bisher bemerkt worden; da doch manches Mal höchst-gefährliche Fall und Pferd-Stürzungen geschehen, dass alle Zusehende erstaunt, wann die Gefallene oder Gestürzte gesund und unverletzt aufgestanden, und ohne alle Verhindernis wie vor, so nach mit anderen fortgeritten sind.

Mehr berührte Procession nimmt den Anfang Morgen Früh um 6 Uhr, und erstreckt sich wegen ihrem teils Reitend- teils Gehenden Volkreichen Zug bis gegen- oder auch über 11 Uhr, da doch sonsten der ganze Umgangs-Kreis in einer Stund beiläuffig durchlaufen werden könnte. In der Wiederkunft wird das hochheilige Blut von dem ganzen Weingartischen Convent, und dessen jeweiligen Hochwürdigen Herrn Prälaten (wann nicht etwa einem Geistlichen hohen Ehren-Gast solche herrliche Kirchen-Function zu verrichten angetragen wird) in Pontificalibus andächtig empfangen, durch die ganze in schönster Ordnung gestellte Reiterei unter Absingung des 79. Psalmen: Qni. Regis Israël, intende: offentlich in die Kirchen getragen, und sodann darmit über das allgemeine liebe Vaterland, sonderlich über das anwesende fromme Christen-Volk der letzte Segen gegeben, mithin die Procession zwar geendiget, aber der Anfang gemacht eines höchst-feierlichen Hoch-Amts von unserem gegenwärtigen heiligisten Seiten-Blut Christi Jesu, welches schon vor- und von vielen Jahren her beobachtet worden.

Erster Theil. Gründlicher Bericht von dem Allerheiligisten Seiten-Blut Christi Jesu Welches In dem Gotteshauß Weingarten schon von langer Zeit her Ehrerbiethigst aufbehalten, und andächtigst verehret wird. Altdorff 1735. S. 144. § 1.
Quelle: Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 259-263.
Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004576713

Funkenringe

In Weingarten, Wangen und sonst in Oberschwaben werden am Funkensonntag Funkenringe gebacken, das Stück für einen Kreuzer. Sie haben etwa die Form der Laugenbrezeln, werden dann aber mit frischem Teig überschüttet und so in Schmalz gebacken, wodurch der Ring größer und zackig wird.
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 3, Nr. 25, Link: https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ

Gumpiger Donnerstag

(11) Der letzte Donnerstag vor der Fastnacht heißt zu Altdorf bei Weingarten und sonst der „gumpige Donnerstag“. An diesem Tage wird öffentlich angezeigt, was man in der Fastnacht aufführen will und dabei wird vor dem Rathause ein Tanz gehalten. Daher der Name (Gumpen, d. i. Springen, hüpfen) – In Friedingen a. d. D. heißt dieser Tag der „schmozige Donnerstag“, weil man an demselben gewöhnlich die Schweine schlachtet. (Schmoz d. i. Fett)
(12) Der Freitag, der auf den gumpigen Donnerstag folgt, heißt der „bromige Freitag“. So wie man Morgens aufsteht, sucht man einander das Gesicht schwarz und rußig zu machen. (B’ramen, rußig machen, Schmid Schwäb. Wtb. S 423)
(13) Der Samstag, der auf den bromigen Freitag folgt, wird in Altdorf und sonst der „schmalzige Samstag“ genannt. An diesem Tage sollen die Hexen und bösen Weiber Kuchen backen. (Altdorf, Tettnang)
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 3, Nr.11-13, Link: https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ

Wetterglocken

In den meisten katholischen Gemeinden, besonders in Oberschwaben, wird bei einem Gewitter geläutet um Hagel und Wetterschaden zu vertreiben. – Manche Kirchen haben besondere Glocken dazu, z. B. das Kloster Weingarten bei Altdorf die sogenannte „heilige Blutglocke“, die während eines Gewitters gezogen wird. In Wurmlingen läutet man mit der Glocke auf dem Remigiusberge und wenn man das früh genug tut, so trifft die Markung nie ein Wetterschaden. Indes sind die benachbarten Ortschaften, z.B. Jesingen oft unzufrieden damit, weil sie glauben, dass mit dem Gewitter zugleich der Regen vertrieben werde. Die Mönche in der Rohrhalde wollten für diese Glocke zwei Reihen Kronthaler geben, die von der Wurmlinger Kapelle bis in die Rohrhalde bei Kiebingen Stück an Stück hingelegt werden sollten. Allein die Gemeinde willigte nicht ein. (Mündlich)
Quelle: Ernst Heinrich Meier: Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben, Stuttgart 1852, Band 1, Nr.291, Link: https://books.google.de/books?id=i1sKAAAAIAAJ

Balladen

Der Welfen Ursprung

Zu Altorf wars in Schwaben, auf hohem Söller stand
Die stolze Gräfin, schaute mit ihren Fraun‘ ins Land,
Und unten an der Pforte da sitzt ein niedres Weib,
Drei Säugling auf dem Schooße, einander gleich von Leib.

Da rief die stolze Gräfin: Ha seht die Freche dort,
Zur Schau trägt sie die Schande, mir fehlt dafür das Wort,
Sagt, ob in Ehren jemals ein Weib Drillinge trug!
Man blieb die Antwort schuldig, als so die Gräfin frug!

Wohl höret es die Arme, die bettelnd saß im Thor;
Sie blickte nassen Auges zum Söller wohl empor.
Ob sie zu Gott gebetet, ob sie zum Bösen rief?
O viel vermag ein Seufzer, entpreßt dem Herzen tief!

Und nicht viel Monde gingen seit jenem Wort daher,
Da fühlet sich die Gräfin so bang und gar so schwer,
Zu Hülfe muß man rufen eine kluge Frau bei Nacht:
Da ist sie bald genesen – doch hört, was sie gebracht.

Sie bracht‘ in Kindesnöthen nicht Drillinge zur Welt,
Nein zwölf der Kinder waren’s, ich sage zwölf! das fällt
Nicht vor in Zukunft wieder, wie’s nicht zuvor geschehn,
Und war des Himmels Fügung für jenes Worts Vergehn!

Und sie erkannt es also: sie that die Hand aufs Herz,
Und sprach mit heißen Thränen in ihrem wilden Schmerz:
Ich kann es nicht ertragen, den Schimpf und Spott der Welt –
Ich oder diese! ehe der Graf kehrt aus dem Feld!

Da hieß sie elf der Kinder ertränken in den Fluß,
Nur Eines will sie retten, doch als sie wählen muß,
Sie will das schönste, stärkste, und fand sie alle gleich,
Da flossen ihre Thränen, fast ward das Herz ihr weich!

Sie schließt das Aug‘ und greifet nun rückwärts abgewandt,
Da hielt sie Eins, die andern hat herzlos sie entsandt,
Nie will ich davon hören! Herab vom höchsten Bord,
Und wo die Flut am tiefsten – geht – Nie davon ein Wort!

Da kehrte nun vom Kriegen der Graf Warin, und ritt
Den Fluß entlang im Walde, da hört er stillen Tritt,
Hört leise Worte flüstern – ihm schien’s nach Diebesart –
Er hielt sein Roß, da hat er ein Frauenpaar gewahrt.

Die Eine sprach: nun stürzen wir sie vom Fels herab!
Die andre sprach: nein retten wir sie von Tod und Grab!
Da trat der Graf dazwischen: Was giebts, ihr Hexen hier?
Wen wollet ihr ersäufen: Sie sprachen: jung Gethier!

Laßt sehn! In eurem Korbe, laßt sehen, was es ist!
Was wimmert da, was zappelt? Sie sprachen: Herr, so wißt,
Eine Hündin hat gewelfet, s’sind Welfen, Hündelein!
Er rief: Ich will sie sehen! Soll keins ersäufet sein!

Da langten nach einander elf Knäblein sie hervor,
Das sah der Graf mit Staunen – das Eine Weib nun schwor:
Es sei bei Einer Bäurin solch Segen eingekehrt
Sie aber unvermögend, daß sie die Kinder ernährt.

Da ließ er Fackeln zünden und als im hellen Licht
Er nun gesehn die Knäblein, sprach er: So ist es nicht!
Die Kinder, gleich einander, wie Eines Nestes Brut,
Sie sind von hohen Eltern, sie sind ein edles Blut!

Und brachte sie zum Müller, der soll sie ihm erziehn,
Dazu hat er des Goldes und Landes ihm verliehn,
Und wenn sie aufgewachsen, so bring er sie zum Schloß –
Dann ritt des Weges weiter der Graf mit seinem Roß.

Und ritt zu einem Priester: tauft mir die Kindelein!
Der Priester sprach, wie sollen sie denn geheißen sein?
Er sann ein wenig, sprach dann: So taufst sie alle elf,
Wie sie die Frau geheißen, tauft sie mit Namen: Welf!

Und jetzt zu seinem Schlosse sich wendet Graf Warin,
Da eine Freudenfahne sah auf dem Thurm er ziehn,
Und ihn empfängt die Gräfin, den Säugling auf dem Arm,
Da schlug sein Herz wohl freudig und war wohl frei von Harm.

O Segen über Segen, so rief er jubelnd aus,
Ich hab‘ elf Pflegekinder gewonnen schon dadrauß,
Nun ist es voll das Dutzend, und dieses Kind ist mein,
O Fraue, süße Fraue, was konnte schöner sein!

Der Frau war solche Rede ein Dolchstich erst ins Herz,
Dann fand sie Fassung wieder, und mildert sich ihr Schmerz;
Sie sprach: Sie sind gerettet! sie leben, sind nicht todt,
Sind in des Vaters Händen und haben keine Noth!

Der Graf nun aber wiegte mit Vaterglück den Sohn,
Da kamen ihm Gedanken und ist die Freud‘ entflohn.
Denn wie er recht in’s Antlitz dem lieben Knäbchen sah,
Wie es den andern gleiche, mit Staunen sah er da.

Er ging in finsterm Sinnen wohl lange Zeit umher,
Sein Haupt zur Erde neigt‘ er gedankenvoll und schwer,
Da hört er manches raunen, verschwiegnes Flüstern hallt,
Da mußt‘ er denken dessen, was sich begab im Wald.

Das Knäblein nun wuchs munter, und war des Vaters Lust –
Und saß auf seinen Knieen und spielt‘ an seiner Brust.
Nicht minder nun auch wuchsen die andern Knäbelein,
Und sah der Graf mit Freude sie alle zwölf gedeihn.

Jetzt ließ er Kleider schaffen von hellem Scharlachroth,
Verbrämt mit Gold und Pelzwerk, die er dem Einen bot,
Und die er bot den andern – und nun am Ostertag,
ließ er aufs Schloß sie kommen, als er des Mahles pflag.

Es freute sich die Gräfin des Sohns im schönen Kleid,
Und wich ob solcher Freude im Herzen all ihr Leid;
Wie herrlich prangt der Knabe vom Hut bis zu den Schuh’n!
Da öffnen sich auf einmal des Saales Flügel nun.

Eintreten, schau, elf Knaben, in hellem Scharlachkleid
Mit Gold verbrämt und Pelzwerk – elf Brüder ohne Streit,
So gleichen all einander an Größ‘ und Wuchs und Art,
Sie gleichen auch dem Zwölften, wie Allen klar da ward.

Der Zwölfte sah’s mit Jubel, und händeklatschend sprang
Zur Mutter er – die nieder mit Schmerzensaufschrei sank.
Als sie emporgeblicket da sprach der Graf also:
Frau, das sind meine Söhne, deß bin ich wahrlich froh!

Im Ehebruch erzeuget hab‘ ich die Kinder sieh –
Nein, nein, so rief die Gräfin und fiel vor ihm aufs Knie.
Der Graf sprach: was verdienet ein Weib, die Tobesnoth
Gab ihres Leibes Kindern – Sie rief: den Tod, den Tod!

Der Graf sprach: was verdienet ein Weib, die elfmal das
An elf so lieben Kindern gethan? nun sagt mir, was?
Da sprach der Ritter ält’ster: Seht hier, die Kinder stehn,
Gott ließ im Himmel selber darüber Gnad ergehn!

Da ward der Graf nun heiter, ihr Weinen stillt die Frau,
Und alles war im Saale beglückt ob solcher Schau.
Von Augen und von Locken, von Mund und Angesicht
Wie waren doch so gleich sie, man unterschied sie nicht.

Und als die Fürstin suchte ihr wohlbekanntes Kind,
Da hat sie fehlgegriffen, sie fand’s nicht so geschwind.
Der Graf rief: Gott gelobet! Gott wandt‘ es alles gut,
Da schauet meine Welfen, schaut meine Welfenbrut.

Quelle: Otto Friedrich Gruppe: Sagen und Geschichten des deutschen Volkes aus dem Munde seiner Dichter, 1854
Link: https://www.google.de/books/edition/Sagen_und_geschichten_des_deutschen_volk/Wlc_AAAAIAAJ

 

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