Wie wurde Isny evangelisch?

Zur Reformation in Isny:
Domherr Johannes Guldin stiftete 1462 „allen glöbigen seien ze trost und der welt zuo underwisung des wegs zuo der ewigen sälikeit“ eine Prädikatur für die Kirche in Isny. Prädikaturen waren Predigerstellen zur Ergänzung der Priesterstelle. Als Magister Konrad Frick im Jahre 1518 seinen Dienst als Prediger in der Stadt Isny antrat, hatten Martin Luthers 95 Thesen 1517 gegen den Ablasshandel vom 31. Oktober im ganzen Reich Aufsehen erregt.

Nicht nur der römische Klerus, auch die katholische Kirche im Reich erregte Ärger. Viele Geistliche taten ihren Dienst nur mangelhaft. “Was ihnen an Bildung und religiöser Tiefe fehlte, das suchten sie zu ersetzen durch lärmenden Vortrag, rohe Übertreibung des Ausdrucks, durch kirchliche Fabeln und weltliche Possen“.  Zwischen dem ➥ Kloster St. Georg in Isny und der „reichsfreien Stadt“ war es im Spätmittelalter öfters zu Streitigkeiten gekommen – besonders wegen dem Verhalten der Mönche und des Pfarrers. So wurde kritisiert, dass der amtierende Pfarrer Wilhelm Steudlin durch seinen liederlichen Lebenswandel nicht vertrauenswürdig sei: „Uß sippschaft und nit dem ansehen“ sei er, Neffe des Abts Georg, zu diesem Amt gekommen. Die Mönche waren zudem wohl auch dem Trunk und der Liebelei nicht abgeneigt. Nicht nur aus diesem Grund fand der Gedanke der Reformation in Isny schnell Verbreitung. 

Isny war eine der ersten Reichsstädte, die evangelisch wurden. Magister Konrad Frick hatte im Jahre 1518 seinen Dienst als Prediger der Stadt Isny angetreten – kurz zuvor hatte Luther 1517 seine Thesen gegen den Ablasshandel an die Türe in Wittenberg geschlagen – die sich über den neu erfundenen Buchdruck von Guttenberg über das ganze Reich verteilten. Damals waren diese „Prädikaturen“ Predigerstellen zur Ergänzung der Priesterstelle. Während die Priester die Messe auf Latein abhielten, sprachen die Prediger auf Deutsch zur Gemeinde. Frick war von Luther und Zwingli beeinflusst – und Isny wurde bereits ab 1522 protestantisch geprägt.²

Wie das damals genau ablief, ist hier beschrieben:
Reformation und Gegenreformation – wie Isny evangelisch wurde

„Von da an ging die Reformation in Isny, deren Hauptförderer der reiche und für die neue Lehre und ihre Prediger opferwillige Rathherr Peter Buffler war, rasch dem Siege entgegen. Schon 1526 fielen Seelengottesdienst, Weihwasser, Lichtmeßkerze, Processionen, Litaneien, Kreuzgänge, das Hl. Öl und die Priesterbruderschaft. Der Abt goß nur Öl in das Feuer, als er um seine Rechte an der Stadtkirche zu wahren den Helfern die Besoldung zurückhielt und für die gen Isny eingepfarrten Landleute in seiner Klosterkirche einen katholischen Gottesdienst forderte.“¹

Isny wurde eines der Zentren der Reformation in Süddeutschland. Alle Bürger innerhalb der Stadtmauer waren nun durch Ratsbeschluss protestantisch. 1527 wurde Paul Fagius durch Vermittlung Bucers und des Konstanzer Reformators Ambrosius Blarer, der auch in Isny gewirkt hat, die Rektorenstelle der Lateinschule in Isny übertragen.

Bildersturm

Der Bildersturm auf die St.Georgs-Kirche 1534

Auch bei ihnen trug die Glaubensänderung zuerst zwinglisches Gewand; das hinderte sie aber nicht, daneben 1530 sich zur Augsburger Confession zu verpflichten. Das Festhalten an Zwingli’s Richtung hatte in Isny dieselben Folgen wie in Memmingen und Kempten. Es kam auch in Isny, nachdem vorher in dieser Stadt ebenfalls Bußer gewirkt hatte, zur Abschaffung der Messe und zum Bildersturme, selbst die erst 1521 von Peter Buffler neu erbaute schöne Kapelle auf dem Gottesacker wurde jetzt auf den Rath des Ambros Blarer von ihrem Erbauer selbst niedergerissen. (…) war die Gefahr für das Kloster zu Ende April so groß geworden daß auf Betreiben des Kast vogtes des Truchsessen Wilhelm der Schwäbische Bund die Stadt zur Ruhe mahnte und der Kaiser ihr geradezu verbot in das Kloster einzudringen da Bilder und Altäre zu stürmen und den katholischen Gottesdienst abzustellen.“¹

Quellen zu Paul Fagius:
Paul Fagius, Reformator in Isny
Paul Fagius – Der Reformator

1528 vertritt Paul Fagius die Stadt Isny auf dem Religionsgespräch in Bern. Er lernt dort Huldrych Zwingli kennen, mit dem er von da an in stetem Kontakt bleibt. Ebenso ist Fagius daran beteiligt, dass Isny 1529 in Speyer an der ➥ Protestaktion der evangelischen Stände teilnimmt. Isny wurde zu einem Zentrum der Reformation im Allgäu. 1531 trat Isny dem ➥ Schmalkaldischen Bund bei.²

„Erst 1534 konnte die Stadt ihr Vorhaben zur Ausführung bringen. Als nämlich Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Ulrich von Württemberg nach der Eroberung dieses Fürstentums mit ihrem siegreichen Heere am 19 Juni d. J. an der Donau um Ehingen und Nördlingen das Lager aufschlugen, wagte kein Stand in Oberschwaben ihnen Widerstand zu leisten. Auch Truchsess Wilhelm, der als Kastvogt das Kloster zu schirmen verpflichtet war, wagte nicht seine Trauchburger Bauern mit denen er den Isnyern weit überlegen gewesen wäre aufzubieten, denn die Stadt war ja als Glied des Schmalkaldischen Bundes mit jenen beiden Fürsten verbündet. Er und sein Sohn Christoph begnügten sich an die Stadt die Mahnung das Kloster in Ruhe zu lassen wiederholt zu richten. So war das Kloster hilflos der Stadt preisgegeben. Sie säumte nicht diese Lage sofort auszunützen. Am 27. Juni 1534 forderte der Rat den Abt auf zu widerlegen, dass die Messe und die Bilder nicht der größte Gräuel vor Gott seien könne, der Abt das nicht so müsse er der Rat als christliche Obrigkeit tun müsse, was er Gott und der Gemeinde schuldig sei. Am 1. Juli berief er den großen Rat und die Zünfte und mit großer Mehrheit beschloss die gesamte Bürgerschaft innerhalb der Stadt, also auch im Kloster, Messe und Bilder abzuschaffen. Gegen diesen Beschluss legte der Abt, als er ihm mitgeteilt wurde, Protest ein – ja er hielt sogar um seinen Konvent zu ermutigen, am 3. Juli selbst bei offenen Kirchentüren das Frühamt. Aus unbekanntem Grunde kam aber der Beschluss der Bürgerschaft erst am 6. Juli zur Ausführung; am Morgen dieses Tages drang eine Rotte in die Klosterkirche ein und wütete gegen die Bilder, Reliquien und Altäre. Auch jetzt bewahrte der Abt seine Standhaftigkeit und rettete selbst im letzten Augenblicke noch aus dem Sakramentshäuschen das Allerheiligste. Schon begann Hans von Euw, der Rädelsführer der Bilderstürmer, auch dieses Kunstwerk zu zertrümmern, als ein Ratsherr der Stadt ihn davon abstehen hieß. Auch die Schilde, Wappen und Banner der Kastvögte und der Klosterstifter wollte derselbe Hans von Euw herabreissen, musste es aber auf Befehl eines Zunftmeisters unterlassen. Zu Mittag war das Werk der Zerstörung vollendet.“¹

Eine weitere Schilderung findet sich auf ➥ https://www.wkgo.de/cms/article/print/268

1555 wurde die Nikolaikirche endgültig der Stadt und damit dem protestantischen Gottesdienst übergeben.“²

Zerstörung der Friedhofskapelle 1531

Peter Buffler, reicher Isnyer Bürger und Ratsherr, hatte 1521 eine Kapelle auf dem Gottesacker gestiftet und erbauen lassen. Diese wurde von Isnyer Bürgern Anfang März 1531 – mit Billigung Bufflers – wieder abgebrochen und zerstört. Kurz zuvor – am 2. Februar 1531 war Isny dem Schmalkaldischen Bund beigetreten. Der Grund für den Abriss dieser – mit Versammlungsraum, Gewölbe, Säulen und Turm recht stattlichen Kapelle – ist ein Rätsel. In der Kapelle befand sich auch ein „Frauenaltar“. Der Zeitpunkt der Entstehung könnte mit dem Spätwerk Strigels übereinstimmen. War der ➥ Strigel-Altar von Buffler für diese Kapelle bei Bernhard Strigel in Auftrag gegeben worden?

Der Anlass dafür war eine Anordnung und Provokation des Klosterabts, der die Isnyer Räte sehr erboste. Scharff zufolge, S.47 gab der Abt bekannt:
„(…) Was aber den Plan der Yßner betreffe, die Messe auch im Gotteshaus abzuschaffen und auszumustern, so wolle er ihnen hiemit entgegen treten. Die Yßner sollten wissen daß ihnen damals wo Yßni noch ein Dorf war wo es also noch keine Stadt und noch nit mit einer Mauer umgeben war keinerlei Gerechtigkeiten jemals zugestanden haben, auch jezt stehen ihnen solche nit zu, weßhalb sie in Betreff der Messe nichts zu verordnen hätten.
Wir brauchen nicht erst zu sagen daß alle diese ernsten Reclamationen das Werk des Umsturzes nicht zu hindern vermochten, im Gegentheil wurde die Lage von Tag zu Tag kritischer und der Fanatismus immer ärger. Die nächste Zielscheibe desselben war die – von dem Ratsherrn Peter Buffler im Jahre 1521 auf sein und des gesammten Stadtes Ansuchen mit Genehmigung des Abtes auf dem Gottesacker erbaute Kapelle. Dieselbe wurde jetzt im Frühjahr 1531 auf Anrathen Blarer’s des Freundes Bufflers von den erleuchteten Gottesmännern zu Jsny abgebrochen und zerstört, ohne daß der Abt den Abbruch der Kapelle oder wie man vorgab die Umwandlung derselben in ein Seelenhaus abzuwehren vermochte. Auch der schriftliche Befehl des Truchsessen vom 17. März an Bürgermeister und Rath, sie sollten diese Gebäu unverändert bleiben lassen, da er laut versiegelten Revers in der Sache zuständig sei, hatte keinen Erfolg. Die Kapelle wurde von Grund aus zerstört und man glaubte noch ehrlich zu sein wenn man die schönen steinernen Pfeiler und Säulen zu den Roßställen wozu sie es verwendet haben gebrauchte, anstatt solche in einem Gott geweihten Bethaus für die Liebe der abgestorbenen kristlichen Seelen stehen zu lassen.“

Fußnoten von Scharff:
*Dieselbe stand auf der Stelle die jetzt den städtischen Katholiken als Begräbnißplatz angewiesen ist.
*(Fußnote) Der Abbruch der sehr schönen Kapelle scheint nicht auf einmal geschehen zu sein – wie aus einem an Truchseß Wilhelm abgefaßten Berichte vom 16. März erhellt; denn es heißt dort:“c.c sie haben das Gewölb im Chor, sogar den Thurm mehr als halb, auch den Frauenaltar abgebrochen u.s.w.“3

Prädikantenbibliothek und Hebraica

Die Kirchengeschichte von Isny weist interessante „Nuancen“ auf. So wurden in Isny zahlreiche hebräische Schriften gedruckt. In Isny begründete Pfarrer Paul Fagius (geb.1504 in Rheinzabern; † 13. November 1549 in Cambridge) mit Hilfe des Handelsherrn Peter Buffler die erste hebräische Druckerei in Deutschland zusammen mit dem jüdischen Grammatiker und Herausgeber Elijah Levita, der extra von Venedig nach Isny gewandert war, weil er hier zusammen mit einem Fachmann drucken konnte. Sie arbeiteten zwei Jahre lang zusammen.

Fagius hatte als Graecist und Hebraist einen hervorragenden Ruf als Kenner der hebräischen wie der chaldäischen Sprache. Die Druckwerke, die zwischen 1540 und 1542 entstanden sind, befinden sich in der Evangelischen Prädikantenbibliothek St. Nikolai. Eines der Werke, das bei dieser Zusammenarbeit herausgegeben wurde, ist das Buch Shemot Devarim, ein altjiddisch-hebräisch-lateinisch-deutsches Wörterbuch (Isny 1542).
In Isny wurden damals einige der ersten Bücher auf deutschem Boden mit hebräischen Lettern gedruckt und verlegt.
Bei der Umgestaltung der Nikolaikirche wurden einige Glasfenster ersetzt, die im 19.Jahrhundert gestaltet wurden. So eines der zentralen Fenster mit Reformator Luther – und dem darüber schwebenden „Judenstern“ als Zeichen der Verbundenheit zur hebräischen Geschichte.

Chorfenster der Nikolaikirche vor 1970 mit Bildnis von Luther
Chorfenster der Nikolaikirche vor 1970 mit Bildnis von Luther

Die Geschichte, wie Isny evangelisch wurde, welche Auseinandersetzungen mit dem Kloster geführt wurden und mit welcher Verve und Beharrlichkeit der Isnyer Rat die Loslösung vom Kloster betrieb, ist in der ➥ Zusammenfassung von Pfarrer Schmid detailgenau beschrieben.

Nach der Reformation war Isny innerhalb der Stadtmauern bis 1803 ausschließlich evangelisch, die Nikolaikirche war evangelische Stadtkirche – und ist es bis heute.

Texte zur Reformation in Isny

Reformation und Gegenreformation – wie Isny evangelisch wurde
Paul Fagius, Reformator in Isny
Paul Fagius – Der Reformator

Caplan Bernhard Scharff: Geschichte der Reformation der ehemaligen Reichsstadt Isny, 1871
Online bei books.google

Procurator M.Weberbeck: Sammlung denkwürdigster Begebenheiten der Stadt u. des Klosters Isny, 1855
Online bei books.google

Katholische und evangelische Gebiete in Isny

1534 wurden beim „Bildersturm“ die Gemälde und Figuren der St.Georgskirche zerstört. Zur Geschichte von St.Georg und der Abtei existiert ein Eintrag in der englischen Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/St._George%27s_Abbey,_Isny

Zitat aus Wikipedia:
„Das Kloster selbst blieb bis 1803 katholisch. Dadurch kam es über die Jahrhunderte immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und Katholiken. Erst der ➥ Westfälische Frieden sorgte 1648 für eine klare Trennung: Protestanten „intra muros“ und Katholiken „extra muros“. Dem katholischen Kloster gehörten z. B. zwei Mühlen in der Stadt sowie die ländlich und von Handwerkern (besonders Webern) geprägte Siedlung auf der „Viehweid“, die Anfang des 19. Jahrhunderts zur eigenständigen Kommune „Isny-Vorstadt“ wurde und sich erst 1911 mit der Stadt Isny zusammenschloss.

Seit 1803 konnten wieder Katholiken auf dem Gebiet der ehemaligen protestantischen Reichsstadt wohnen. Für diese wurde nun die ehemalige Klosterkirche St. Georg wieder zur Pfarrkirche. In den Folgejahren kam es zunehmend zu Spannungen zwischen den alteingesessenen Katholiken der ehemaligen Klosterpfarrei und den „Stadtkatholiken“. Deswegen wurde 1888 die zweite Stadtpfarrei St. Maria auf dem Gebiet der ehemaligen Reichsstadt errichtet. Zur Kirchengemeinde St. Georg gehörten nunmehr wieder nur die alten Pfarrgebiete aus der Zeit des Klosters. Somit wurde das einige Jahre später entstehende Bauwerk von St. Maria ein wichtiges Zeugnis für diese neue katholische Gemeinde. Ein Platz wurde östlich der Altstadt außerhalb der Stadtmauer gefunden, so dass sie an der Kemptener Straße in Solitärlage platziert werden konnte.

Weitere Kapitel über Isny

Fußnoten

¹ Baumann, Geschichte des Allgäus, Band 3, 1894, S.378 ff.
https://books.google.de/books?id=WXTnC0FhHXcC&printsec=frontcover&dq=Geschichte+des+Allg%C3%A4us

3 Bernard Scharff: Geschichte der Reformation der ehemaligen Reichsstadt Isny, grösstentheils aus archivalisschen Quellen gesammelt und verfaßt von Caplan Bernard Scharff, Präfes des katholischen Gesellenvereins in Isny, Waldsee, Druck und Verlag von Carl Liebel 1871 (104 Seiten)
https://books.google.de/books?id=EZUKAAAAIAAJ&printsec=frontcover

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