Augsburgs Sagen und Balladen
Augsburgs Sagen und Balladen sind auf dieser separaten Seite gesammelt – es sind zu viele.
Teilkapitel / Gliederung dieser Seite
- Sagen und Mythen
- Altomünster
- Attila vor Augsburg
- Das schöne Elselein von Augsburg
- Der Glockengießer zu Augsburg
- Der heilige Ulrich mit dem Fisch
- Der Ritter von Bogen
- Der steinerne Mann zu Augsburg
- Die Sage von der Wehmutter
- Die traurige Hochzeit
- Frevel an St.Ulrichstag
- Gunzenlech
- Herzogs Arnoldi Tod
- Klara Dettin
- Wie die sieben Schwaben nach Augsburg kommen, und sich allda Waffen holen.
- Zum »Da hinab« in Augsburg
- Balladen und Gedichte
- Brauchtum
Sagen und Mythen
Altomünster
Maria-Alto-Münster, sive templum et monast. S. Altonis. Frisingae 1730 p. 3.
Als der heilige Alto aus Schottland nach Bayern gekommen, fing er an in der Gegend von Augsburg das Leben eines Einsiedlers zu führen. Da soll ihn der König Pipin aufgesucht, ihm auch einen Forst zu eigen geschenkt haben, denselben nach seinem Willen zu gebrauchen. Nun machte sich der Heilige, ergriffen von glühendem Verlangen der Ehre Gottes, an das Fällen der Bäume. Weil aber solches viel Zeit erfordert hätte, auch dem heiligen Mann die Arbeiter fehlten, so zog er mit seinem Messer einen Kreis um die Bäume, worauf diese von selbst niederstürzten. Darauf kamen die Vögel des Waldes herbei und halfen dem Heiligen, indem sie mit ihren Schnäbeln die zerbrochenen Äste und Zweiglein bei Seite schafften. Diese Sage hat sich bis auf den heutigen Tag (1730) erhalten.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 230. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679400
Attila vor Augsburg
Da der wilde Etzel mit seinem Hunnenheere schlimmer noch als das wilde Gejäg die Fluren des Lechgebietes überströmte, nahte er auch der alten Römerkaiserstadt Augsburg, der Augusta Vindelicorum, und wollte mit wenigen Gefährten den Lech durchreiten. Wie er nun an des Alpenstromes flaches Ufer kam und sein Ross schon den Huf erhob, in das Wasser zu treten, da rauschte das Wasser gewaltiglich, und es hob sich aus dem Grunde ein Riesenweib, grauenhaft und furchtbar anzusehen, dass das Ross entsetzt zurücksprang und der König im Sattel wankte. Und die graue Stromfei sah ihn aus hohlen Augen an mit starrem Todesblick, reckte den gespenstigen Arm lang aus gegen den König und sprach nichts als diese Worte: Retro Attila! Retro Attila! Retro Attila! – und sank wieder nieder, und über ihrem flatternden Nixenhaar schlossen sich rauschend die Gewässer. Da packten den König nie gefühlte Schauer an, und er starrte hin, und sprach kein Wort, und wandte sein Ross, und ritt nicht über den Lech.
Bald hernach ist die schreckliche Hunnenschlacht am Lech erfolgt, in welcher Sankt Ulrich, hernachmals der Schutzpatron der Stadt Augsburg, damals als heldenmütiger Bischof noch im irdischen Leben wandelnd, dem Christenheere vorkämpfte und ihm zum Siege half und deutsche Einheit die fremdländischen Barbarenhorden in ihre Heimat zurückjagte – was nicht von ihnen das Lechfeld mit seinem Blute und seinen Leichen düngte.
Quelle: Ludwig Bechstein: Deutsches Sagenbuch. Meersburg und Leipzig 1930, S. 620. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004544161
Das schöne Elselein von Augsburg
Selbe war eine kunstreiche Sängerin und Lautenmeisterin des sechszehnten Jahrhunderts. Ihres Ruhmes sind die Zeitbücher voll, ohne dass sie jedoch über ihre Lebensverhältnisse nähere Aufschlüsse geben. Der Sage nach wurde schön Elselein zugleich mit den Töchtern der Augsburgischen Geschlechter dem Kaiser vorgestellt, um ihre Kunst hören zu lassen. Der ganze Hof war von ihrem Gesange über die Maßen entzückt. Als sie geendet und die Jungfrauen entlassen wurden, musste der Schatzmeister des Kaisers jeder ein goldenes Ringlein schenken, für schön Elselein aber zog der Kaiser selbsteigen den kostbarsten Ring vom Finger, und gebot dem Vornehmsten seiner Begleitung, sie zum Tanze zu führen. Alte Reime lobpreisen die Künstlerin in nachstehender Art:
Ließ sich schön Elslein hören frei
Mit Saitenspiel und Melodei
Heimlich verborgen an ein’m Ort,
Dass ihre Stimme nur ward g’hort,
Gar mancher schwur ein Kreuz und Eid,
Wie dass ein engelische Freud
Vom Himmel sich begeben hätt‘
Und lieblich musiciren thät‘.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 238. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679532
Der Glockengießer zu Augsburg
Schon im Jahre 989 stand auf dem Perlachplatze zu Augsburg ein Wartturm, der 1036 eine Sturmglocke erhielt, da seine Lage sehr geeignet für die Feuerwache und zur Beobachtung heranrückender Feinde war. Statt dieser Glocke kam 1348 eine viel größere hinauf, zu welcher nur zwei Ratsabgeordnete den Schlüssel hatten. Sie wurde nur bei Hinrichtungen und am jährlichen Ratswahltage geläutet.
Es geht eine Sage, warum sie bei Hinrichtungen geläutet wurde. Während die Metallmassen für diese Glocke im Schmelzen waren, entfernte sich der Glockengießer und hinterließ seinem Lehrlinge den ausdrücklichen Befehl, Nichts anzurühren und Alles liegen zu lassen, wie es war. Der Meister aber ließ den Lehrling zu lange warten. Dieser hielt die Glockenspeise für reif zum Gusse, zog den Zapfen und ließ das flüssige Metall in die Form auslaufen. Das Werk gelang, aber der Meister war unterdessen dazu gekommen und hatte im ersten Zorn über die Missachtung seiner Befehle den Lehrling erschlagen. Als er nun für seine Missetat zum Tode geführt werden sollte, erbat er sich als letzte Gunst, die von ihm gegossene Glocke möge ihn auf seinem letzten Gange mit ihrem Schalle begleiten. Die Bitte wurde gewährt und seit der Zeit die Glocke bei Hinrichtungen geläutet.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 439-440. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671353
Der heilige Ulrich mit dem Fisch
Einmal saß der heilige Ulrich in stiller Zelle des St. Afrastiftes zu Augsburg, vertieft in dem Lesen der heiligen Schriften. Da läutete es an der Pforte des Hauses und Konrad, des Bischofs lieber Bruder von Konstanz, ward angemeldet. Freudigen Herzens umarmte ihn der Bischof, weil er ihn lange nicht gesehen und unterhielt sich mit ihm in vertraulichen Gesprächen. Auch wurde ein mäßiges Mahl bereitet, den willkommenen Gast zu erfrischen. Während sie noch bei Tische saßen, kam ein Bote des Herzogs von Bayern, welcher ein Schreiben seines Herrn überbrachte. Der Bischof befahl, den Boten auf’s beste zu bewirten und ließ ihm, im Augenblicke nicht bedenkend, dass Fasttag war, gebratenes Fleisch vorsetzen. Der Bote ließ sich das schmecken und nahm auch soviel davon mit auf die Reise, als er konnte. Unterwegs aber bedachte er, wie er den frommen Bischof von Augsburg in der guten Meinung und Achtung seines Herzogs herabsetzen sollte. Also begab er sich mit dem noch übrigen Stück von Braten an den Hof und zeigte es seinem gnädigen Herrn mit den Worten: »Sehet doch her, das sind die Fastenspeisen des frommen Ulrich zu Augsburg!« In dem Augenblick aber, da ihm das Wort entfahren hielt er keinen Braten, sondern einen gebratenen Fisch in Händen, also dass er selbst vor Bestürzung kaum seinen Augen traute. Der Herzog aber erkannte wohl das Gottesgericht, wodurch die Ehre des frommen Bischofs gerettet, die Schande des Verleumders aber aufgedeckt worden. Der Diener bereute es jedoch von Herzen, einen Heiligen Gottes gelästert zu haben und bat den Herzog kniefällig um Verzeihung.
Zum Angedenken an diese Begebenheit wurde der heilige Ulrich allezeit auf Bildwerken mit einem Fischlein in der Hand vorgestellt.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 48-49. http://www.zeno.org/nid/20005667712
Der Ritter von Bogen
Von F.A.Lehner
Zu Augsburg der berühmten, der lustigen Schwabenstadt,
Wo’s viele reiche Weber, viel schöne Jungfern hat,
Da ward nicht des Gewinnes, nicht süßer Lust gedacht,
Denn heute wollt‘ man schlagen die Magyarenschlacht.
Ein heller Sonnenmorgen wars an Sankt Lorenz Tag,
Als betend auf den Knieen Heer und Gemeinde lag;
Sankt Ulrich sang das Hochamt und segnete das Heer
Und reichte den Leib des Herrn den frommen Kriegern umher.
Als von dem heiligen Mahle nun Alles erquicket war,
Da öffnet‘ man die Pforte, ausrückte Schaar für Schaar.
Wie glänzten weiß im Lechfeld die vielen tausend Gezelt‘!
Wie lagen unabsehbar der Feinde Haufen gesellt!
»Es sollen unsere Rosse all Flüsse saufen aus,
All Städte auch zerstampfen bis auf das letzte Haus.
Bricht nicht die Erde zusammen, stürzt nicht der Himmel ein,
Soll keine Macht vermögen zu Schaden uns zu sein!«
So hatten sie geprahlet in frevlem Übermut,
So hatten sie gehauset rings mit entmenschter Wut;
Wohl eine breite Straße voll Leichen und voll Brand
Lief hinter den Barbaren durchs öde Bayernland.
»Sankt Lorenz!« betet der König Herr Otto in frommem Mut:
»Du machtest heidnisch Dräuen zu Schanden mit Deinem Blut.
Ein Bistum Dir zu Ehren zu Merseburg will ich weih’n,
Willst Du heut gegen die Heiden auch mein Mitstreiter sein!«
Jetzt stellt er getrosten Sinnes den heiligen Heerbann auf,
Voran die wackern Bayern, die Franken und Sachsen drauf,
Zuletzt die tapfern Schwaben. Dann zieht er tausend herfür,
Des Heeres Heldenblüthe zur Wache für sein Panier.
Im Lechfeld ragt ein Hügel nur wenig über den Plan,
Doch schweift von ihm das Auge bis fern zum Gebirge hinan;
Darauf mit seinen tausend Recken der König steigt,
Von wannen sein Feldherrnauge frei über das Schlachtfeld fleugt.
Da trabt auf schmuckem Rösslein ein junger Gesell herbei,
Es flattern goldene Locken ihm um den Nacken frei,
Sein offenes blaues Auge blickt heiter und kühn in die Welt,
Ihm klirrt an der Schulter ein Köcher, einen schwanken Bogen er hält.
Der König spricht im Scherze: »Was kannst denn du, du Fant?
Du führst nicht Schild noch Lanze, dich deckt kein Stahlgewand
Und heut setzt’s derbe Hiebe; dein Milchgesicht, hab Acht!
Dass dir ein wilder Hunne es nicht voll Narben macht.«
»Herr König! ich kann schießen, vergebt mein dreistes Wort;
Und stürzt‘ ich manche Gemse von ihrem Felsenhort,
Und holt‘ ich manchen Adler herab mir aus der Luft,
So träf‘ ich, eh‘ er mich träfe, wohl auch einen Hunnenschuft.«
»Nun bist du solch ein Schütze, du kannst’s beweisen heut‘,
Du magst wohl mit mir reiten, doch schau, dass dich’s nicht reut,
Du find’st hier gnug des Wildes, doch ist es nicht zum Scherz,
Sie führen selber Pfeile und treffen gut in’s Herz.«
Da sprengt ein schneller Bote auf schnaubendem Hengst heran:
»Herr König! bei den Schwaben ists schon gegangen an;
Auf flüchtigem Ross umritten die Ungarn unsere Reih’n,
Und fallen ins Hintertreffen wie Wetterstrahl herein!«
»Ha! da gilt’s nicht zu säumen,« rief Otto zornentbrannt,
»Reicht mir die heilige Lanze und folgt mir unverwandt.«
Hinbrausen die jungen Recken sprühend vor Kampfesglut,
Die goldenen Sporen triefen von der edlen Rosse Blut.
Wie jauchzen da die Schwaben beim Nah’n der Heldenschaar!
Wie stürzen sie ermutigt aufs Neu in die Gefahr!
Wie sausen die Eisenspeere, wie dröhnet der Schwerter Schlag!
Da neigt sich wohl manchem Reiter zum Abend sein letzter Tag.
Die grimmen Feinde stutzen und weichen dem ersten Stoß,
Doch stürmen sie bald wieder mit frischer Wut drauf los;
Ein Häuptling, schwarz und hässlich, als wär er der Höll‘ entstammt,
Der hatt‘ mit heidnischen Schwüren der Seinen Groll entflammt.
Das hätte den deutschen Helden bald herbe Not gebracht,
War auch der Mut unbeugsam, es drängte die Übermacht,
Da ritt der junge Schütze zum König wieder heran,
Mit blitzendem Aug‘ und Wangen rotglühend hub er an:
»Herr König! wollt erlauben, so lös‘ ich nun mein Wort.
Am meisten bringt uns Schaden der schwarze Heide dort,
Ich prüfte gern den Bogen an einem würdigen Wild;
Mich däucht, der wär das rechte, so Ihr auch so gewillt.«
Kaum hatt‘ er das gesprochen, so flog er ins Gewühl,
Er spannte straff den Bogen und faßte scharf sein Ziel.
Der Pfeil schwirrt‘ von der Sehne und blitzte durch die Luft,
Und wie vom Strahl getroffen sank nieder der schwarze Schuft.
Da packte blasser Schrecken die andern allzumal,
Sie hatten flugs vernommen des Führers jähen Fall,
Sie stoben auseinander, wie diebischer Dohlen Schwarm,
Hat eine der Stein getroffen von eines Knaben Arm.
Doch unter dem Heldenhaufen erhob sich Jubelgeschrei,
Sie brachten im Triumphe den Schützen zum König herbei.
Der sprach: »Es kommt euch Allen der Preis der Mannheit zu,
Den rechten Fleck getroffen hast trefflicher Junge du.«
Er hatt‘ noch nicht geendet, als neu Getümmel begann,
Es schwoll zu mächtigem Brausen wie Sturmesgebrüll heran.
Die ungrischen Kolbenträger die wogten daher gemach,
Sie hatten sich zugeschworen, zu rächen der Reiter Schmach.
»Herr Konrad! Ihr scheint zu glauben, das sei ein Stück für Euch,
Dass Ihr dem grimmen Feinde nicht gönnet den ersten Streich;
Nun Gott mit Euch, Herr Eidam, auf Eurer schweren Bahn,
Der Sieg sei Eurem Schwerte wie sonsten untertan!«
So wandt‘ mit scherzendem Vorwurf der König dem Herzog ein,
Der auf Befehl nicht harrend auf eigne Faust fuhr drein;
Drauf sprengt er zu seinem Hügel mit seiner Schaar zurück,
Den Heldenlauf des Eidams begleitend mit frohem Blick.
Dort sieht er, wie in die Feinde der Franken Herzog fällt,
Wie wildes Berggewässer, von Wolkenbruch geschwellt,
Das rollt wohl Felsenblöcke, bricht Eichen von tausend Jahr, –
So schwemmt die Barbarenhorden die stürmische Frankenschaar.
Wie schwingt der Tod die Sense, wie mäht er grässlich drein!
Wie Weizen vor dem Schnitter so sinken der Ungarn Reih’n;
Herr Konrad, der Heldenherzog ficht in der ersten Zahl,
Bewundernswert als Feldherr, ruhmvoll als Krieger zumal.
Auf einmal sieht man mitten im Feindesschwarm ihn steh’n
Er hat der Hunnen Führer zum Ziel sich auserseh’n,
Er schwingt die Eisenstange gewaltig auf ihn los,
Doch von dem guten Schilde prallt machtlos ab ihr Stoß.
Da trifft sein Ross zur Seite ein scharfer Pickenstich,
Es bäumt sich hoch und rücklings begräbts ihn unter sich,
Nun stürzet wie ein Tiger, sein Gegner auf ihn ein
Und bohrt die eigene Lanze ihm in das Herz hinein.
Des Königs Antlitz färbte sich plötzlich leichenblass,
Ein Schreckensruf entfuhr ihm, sein Auge wurde nass;
»Auf! meine braven Jungen, hinunter ins Gefecht!
Wer ist’s, der mir den Herzog, den teuren Eidam rächt?«
Wie Falken aus den Lüften im Stoß die Beute fahn,
So fallen die jungen Recken das Heer der Ungarn an,
Sie setzen über Leichen und Lebende hinweg
Und Jedes Waffe sucht nur nach Einem Herz den Weg.
Die Ungarn hatten erspähet, wohin ihr Sinnen stand,
Und drum den Führer umzogen mit zehnfacher Mannenwand;
Der Mut war ihnen gewachsen durch Konrads jähen Tod,
Drum fiel vor ihrem Walle manch Held in Todesnot.
Da kam ein Pfeil geflogen, woher – ward nicht geseh’n,
Der Heiden Führer wankte, es war um ihn gescheh’n,
Ein Blutstrom aus dem Munde ergoß sich auf sein Ross,
Ihm war durch die Kehle gefahren das tödtliche Geschoss.
Bestürzung packt die Feinde, die Freunde Verwundrung an:
»Wer hat den Preis errungen, wer hats uns vorgetan?«
Dieweil sich Keiner zeigte, entbrannt‘ ein neuer Strauß,
Wer dem Gefall’nen ziehe die glänzende Rüstung aus.
»Wer reitet dort so eilig zurück aus dem Gefecht?
Er scheint hieher zu lenken, der kommt mir eben recht.
Ha! Ihr seids, junger Schütze! Wo ist der Kampfesmut? sprecht!«
»Herr König, wollt‘ verzeihen, der Herzog ist gerächt.«
Der König reicht dem Schützen gerührt die Rechte hin;
»Vergib, du braver Knabe, trägst wahrlich hohen Sinn;
Ich will’s Dir treu gedenken, will Gott uns Sieg verleih’n,
Doch wohl ein gut Stück Arbeit muss noch vollendet sein.«
»Herr König, schaut, sie fliehen! wie schlagen die Franken drein,
Die wollen ihrem Herzog ein Totenopfer weih’n.
Doch dort vom Lech her woget ein neues Meer herauf,
Es möcht mich schier bedünken, sie stunden vom Tode auf.«
»So reite fort im Fluge hin, wo die Bayern steh’n,
Sie sollen gen mein Banner der Speere Spitzen dreh’n,
Und mit der einen Flanke hart streifen des Leches Rand;
So dürft‘ wohl bald kein Heide mehr auferstehn vom Sand.«
Als wie vom Sturm entführet fliegt nun der Schütze fort,
Er trifft wie eine Mauer die Bayern an ihrem Ort.
»Ihr Bayern, auf! die Reihe der Ehre ist an euch!
Vernehmt des Königs Willen und wendet euch sogleich.«
»Das Blut der Weiber und Kinder, das schreit zu unsrem Ohr,
Die Flamme unsrer Häuser, die lodert klagend empor,
Sie hat uns grässlich geleuchtet zu unsrer herben Not,
Euch schein‘ sie zur Leichenfeier nochmal so blutigrot.«
Wie man beim lustigen Jagen den grünen Wald umstellt,
Damit kein Hirsch entwische den Jägern froh gesellt;
So pflanzen flugs die Bayern wohl einen dichten Haag,
dass von dem Ungarwilde kein Stück entrinnen mag.
Es brüllen laut die Hörner, es braust die wilde Jagd,
Die Heiden sehn sich plötzlich von allen Seiten gepackt,
Vom roten Feindesblute der grüne Lech schwillt an,
Das ward von den edlen Bayern zur Wiedervergeltung getan.
Schon weichen sie aller Orten und schaun sich um nach Flucht,
Durchs dichte Waffengehege wird die umsonst versucht;
Es will sie Verzweiflung fassen, so ratlos stehn sie da,
Derweil beim Christenheere schon schallet Victoria!
»Gepriesen sei der Herre,« rief König Otto aus,
»Nun dürft‘ uns kaum mehr welken des Sieges Ehrenstrauß;
Doch schau dort! wie ein Knäuel ballt sich der flüchtige Feind –
Inmitten des Streitergeheges, womit wir ihn umzäunt.«
Des Schützen Falkenauge, das hatt‘ es schon erspäht:
»Ein grauer Heidenpriester, Herr König! drinnen steht,
Ein greulich Götzenbildnis er hoch in der Rechten hat,
Mich däucht, er will sie spornen zu Wahnsinns mutiger Tat.«
»Du hast nicht falsch gesehen, sie schließen feste Reih’n!
Sie stürmen durchs Gehege, sie brechen gen mich herein.
Das war, mein Götzenpfäfflein, nicht schlecht von dir erdacht,
Du meinst mit meinem Blute am End noch zu wenden die Schlacht.«
Noch war mit seiner Rede der König nicht zu End,
So war auf Windesflügeln der Schütze schon fortgerennt:
»Wär durch noch dichtern Speerwald dein Anblick mir geraubt,
Mein Pfeil würd‘ dennoch finden den Pfad zu Deinem Haupt.«
Es traf voll stummen Entsetzens ein Schlag die Stürmer sofort:
Da lag in seinem Blute der Hoffnung letzter Hort;
Nun bannt tatlose Verzweiflung sie fest an ihrem Ort,
Sie bieten sonder Sträuben die Brust entgegen dem Mord.
Wohl sechzigtausend sanken am Lech in ewigen Schlaf,
Die Andern ohn‘ Erbarmen Verfolgers Waffe traf,
Nur sieben sind entkommen zum fernen Donaustrand,
Den Untergang der Ihren zu melden im Heimatland.
Was strömt nach Einem Punkte wohl alle Welt heran?
Was hemmt das Siegsfrohlocken in seiner freudigen Bahn?
Das Schwert in seiner Rechten der deutsche König steht
Inmitten auf dem Schlachtfeld, darüber sein Banner weht.
Und vor ihm kniet, bescheiden den Blick zur Erde gewandt,
Der junge lockige Schütze, den Bogen in der Hand;
Ob ihm hält segnend die Hände Ulrich der heilige Greis
Und um ihn stehn die Helden in feierlichem Kreis.
Ihm rührt das Schwert des Königs den Nacken mit leichtem Schlag:
»Empfang den Lohn des Bravsten an diesem Ehrentag!
Dreimal hast du den Bogen zu herrlichem Schuss gespannt,
Drum sei von dieser Stunde der Ritter von Bogen genannt!«
»Drei Bogen führ‘ im Schilde zum ewigen Ehrenmal,
Von deinen Meisterschüssen verkünden sie die Zahl,
Sie sollen den späten Enkeln erzählen die Mär dabei
Welch herrlicher Schütz ihr Ahnherr dereinst gewesen sei.«
Da sprach der Bischof Ulrich, der heilige Gottesknecht:
»Es segne Gott der Herre so dich, als dein Geschlecht,
dass nie eu’r Auge ziele nach einem schlechten Zweck,
dass eurer Pfeile Spitze stets treffe den rechten Fleck.«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 323-329. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005680700
Der steinerne Mann zu Augsburg
Es war um die Zeit von November Anno 1634 bis März des Jahres 1635, als der bayrische Generalfeldmarschall von Wahl die Stadt Augsburg, welche von den Schweden unter Johann Georg aus dem Winkel besetzt war, belagerte. Von Tag zu Tage stieg die Not in der bedrängten Stadt. Der kleine Vorrat von Lebensmitteln war in Kurzem aufgezehrt, so dass bereits viele Menschen dem sichern Hungertode entgegensahen. Das konnte natürlich den Belagerern nicht unbekannt bleiben, und in der Tat baute der feindliche General darauf seine Hoffnung baldiger Übergabe. In solcher Bedrängnis kam ein braver Bäckermeister Namens Konrad Hackher auf folgenden Einfall. Er nahm einen stattlichen Laib Brot, ging auf der Stadtmauer spazieren und zeigte ihn lustig und singend den vor den Wällen gelagerten Feinden. Darob gerieten die Soldaten, so sich dessen gar nicht versehen hatten, in Wut und richteten alsbald eine Feldschlange nach dem Verwegenen. Leider traf die Kugel und riss dem Braven den Arm mit dem Brotlaibe weg, so dass er wenige Tage darnach verschied. Seine Mitbürger aber ließen zum Andenken einen steinernen Mann mit einem Laib Brote aufstellen, wie solcher noch heutiges Tags am unteren Graben in Augsburg zu sehen ist.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 237. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679516
Die Sage von der Wehmutter
Ein verwünschtes Gespenst zu Augsburg ist die Wehmutter, welche vor Zeiten die neugebornen Kinder heimlich im Namen des Teufels getauft hat. Man sagte, sie lasse sich in Gestalt eines Kalbes sehen, welches blöckend auf der Straße liege. Die Leute hüteten sich, solches Blöcken nachzumachen, weil man glaubte, sich dadurch die Wehmutter ins Haus zu ziehen.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 237-238. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679524
Die traurige Hochzeit
Von Just. Kerner
Zu Augsburg in dem hohen Saal
Herr Fugger hielt sein Hochzeitmahl.
Kunigunde hieß die junge Braut,
Saß krank und bleich, gab keinen Laut.
Zwölf goldene Becher gingen herum,
Nichts trank Herr Fugger so bleich und stumm.
Zwölf Blumenkörbe bot man umher,
Die Braut verlangte kein Blümlein mehr.
Zwölf Harfner lockten zum Fackeltanz,
Die Fackeln gaben so matten Glanz.
Die Gäste tanzten in langen Reih’n,
Zwo weiße Gestalten hinterdrein.
Die Gäste tanzten zum Saale hinaus,
Sie tanzten und tanzten wohl aus dem Haus.
Die Saiten der Harfen sprangen zumal,
Stumm schlichen die Harfner aus dem Saal.
Im Saale vernahm man keinen Laut,
Tot saßen im Dunkeln Bräut’gam und Braut.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 329-330.Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005680719
Frevel an St.Ulrichstag
Als man zu Augsburg das Fest des heiligen Ulrichs anfangen zu feiern, hat einer an solchem Tag sein Heu in Wiesen zusammenrechen und zu Bürtling aufsetzen lassen; am andern Tag hernach, als er solches wieder verwerfen und dann heimführen wollte, waren die Bürtling äußerlich gar schön anzusehen, aber als man mit Gabeln darein gestochen, waren sie ganz in Aschen verbrannt.
Quelle: https://de.wikisource.org/wiki/Frevel_an_St._Ulrichstag Anton Birlinger: Frevel an St. Ulrichstag aus: Sagen, in: Alemannia, Band XV, S. 128, 1887 Nach Dauroult Exx. bei Plac. Spies v. Ochsenhausen Praxis Catechistica Konstanz 1674 S 140.
Gunzenlech
In der Mehringer-Au, am Lechfelde lag ehedem ein prächtiges Schloss, das den Welfen gehört hatte, und in noch frühern Zeiten ein römisches Kastellum auf der Straße von Innsbruck nach Augsburg gewesen sein soll. Dieses uralte und prächtige Schloss hieß zu Römers Zeiten Concio legionum, und wurde später Gunzenlech genannt.
Hier war es vorzüglich, wo die Hunnen im Jahre 955 die große Niederlage erlitten und von den Deutschen so gedrängt wurden, dass diejenigen, welche nicht durch das Schwert fielen, in den Fluten des Leches ertranken. Auf diesem Schlosse feierte Herzog Heinrich X., der Stolze von Bayern, mit Gertraut, der Erbtochter des Kaisers Lothar und Richinga, Gräfin von Nordheim, im Jahre 1127 seine Hochzeit.
Hier versammelte Herzog Welf VI., Vater Heinrichs des Löwen, eine Menge Fürsten des Reiches, edle Vasallen und Ritter und stellte am Pfingstfeste 1175 der Welt ein Schauspiel der Pracht vor, wie sie es nie gesehen hatte.
Auf dieser schönen Burg hat auch König Philipp von Schwaben, Bruder Kaiser Heinrich VI. mit Irene, der Tochter des griechischen Kaisers Isaak Angelus, die bereits mit Roger, König von Sizilien vermählt war, 1197 die Hochzeit mit staunenswerter Pracht gefeiert.
Dieses stolze und merkwürdige Schloss, das so weitläufig war, dass es ein ganzes Heer fassen konnte und mit solchen prächtigen Gärten und Anlagen geziert war, dass man nicht dergleichen weit und breit sah, kam nach Absterben der prachtliebenden Welfen so in Verfall, dass es im fünfzehnten Jahrhunderte nur mehr als verfallene Ruine erscheint. Gegenwärtig sieht man aber keine Spur mehr davon und doch lebt es noch im Munde des lechrainischen Volkes. Das Volk sagt: es sei versunken. Dieses ist aber buchstäblich war; denn die Fluten des reißenden Lechstromes haben nicht bloß die Burg, sondern auch den Grund, worauf Gunzenlech gestanden, weggeschwemmt.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 433-434. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005676215
Herzogs Arnoldi Tod
Der heilige Udalrikus Bischof zu Augsburg, hat dem Herzog Arnold in Bayern aus prophetischen Geist vorgesagt, dass er sein Leben dieses Jahr unglückselig beschließen werde. Als Arnoldus sich einstens bei einer Mahlzeit im Kloster zu Regensburg mit denen Seinigen ganz fröhlich und wohlauf befande, auch die Zeitung vernahm, dass der heilige Bischof Udalricus Geschäfte halber zu Regenspurg angelangt, schickte er gleich durch einen seiner Diener ein silbernes Geschirr voll des besten Weins zu ihm mit der Aufgabe, Udalricus solle es ihm wohl bekommen lassen und Arnoldus der Herzog sei noch ganz gesund, er hätte auch nicht verhofft, dass ein Bischof so zierlich lügen könnte. Der heilige Bischof verwunderte sich hoch über diese freventliche Post und sagte zu dem Diener: Gehe hin, du hast zwar deinen Herzog frisch und gesund verlassen, du wirst ihn aber nicht mehr lebendig antreffen. Wie es der heilige Mann ausgesprochen, hat es der Diener in der Tat erfahren und den Herzog tot gefunden.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 330-331. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005680727
Klara Dettin
Schön Elselein steht nicht allein unter Augsburgs Sängerinnen. Die Volkssage behauptet, auch Clara Dettin, nachmals Friedrichs des Siegreichen Gemahlin, sei eine Augsburger Sängerin gewesen. Der Pfalzgraf soll auf eine Zeit am Münchner Hofe sich aufgehalten haben. Man gab sich Mühe, ihm zu Ehren allerhand Spiel und Lustbarkeit anzustellen. Auch das Augsburger Klärchen, welches damals zu München berühmt war, musste den Pfalzgrafen mit ihrer Kunst unterhalten. Ihr Anblick soll den »Siegreichen« besiegt haben, denn Klara folgte ihm von München nach Heidelberg.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 238-239. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679540
Wie die sieben Schwaben nach Augsburg kommen, und sich allda Waffen holen.
Als man zählte nach Christi Geburt eintausend und etliche hundert Jahr, da begab sich’s, dass die sieben Schwaben in die weltberühmte Stadt Augsburg einzogen; und sie gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister allda, um sich Waffen machen zu lassen; denn sie gedachten das Ungeheuer zu erlegen, welches zur selbigen Zeit in der Gegend des Bodensee’s übel hauste, und das ganze Schwabenland in Furcht und Schrecken setzte. Der Meister führte sie in seine Waffenkammer, wo sich Jeder einen Spieß oder sonst was auswählen könnte, was ihm anstand. Bygost! sagte der Allgäuer, sind das auch Spieße? So einer wär‘ mir just recht zu einem Zahnstürer. Meister, nehmt für mich nur gleich einen Wiesbaum von sieben Mannslängen. Potz Blitz, sagte der Blitzschwab, Allgäuer, progle dich nicht allzusehr. Der Allgäuer sah den mit grimmigen Augen an, als wollte er ihn damit durchbohren. Eigentlich hast du Recht, Männle! sagte der Blitzschwab und streichelte ihm den Kautzen; und ich merke deine Meinung, sagte er: Wie alle Sieben für Einen, so für alle Sieben nur Einen. Der Allgäuer verstand ihn nicht, sagte aber: Ja; und den andern war’s auch recht. Und so ward denn ein Spieß von sieben Mannslängen bestellt, und in einer Stunde war er fertig. – Ehe sie aber die Werkstatt verließen, kaufte sich Jeder noch etwas Apartes, der Knöpfleschwab einen Bratspieß, der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf, der Gelbfüßler Sporen für seine Stiefel – sie seien nicht nur gut zum Reiten, sagte er, sondern auch zum Hintenausschlagen. – Der Seehaas aber wählte einen Harnisch, sagend: Vorsicht sei zu allen Dingen nütz; des Guten könne man nicht zu viel tun; und nutze es nichts, so schade es auch nichts. Der Spiegelschwab gab ihm Recht, und sagte: Auch er wolle einen tragen, aber nicht vorn auf der Brust, sondern hinten auf dem Hintern. Der Seehaas meinte, der Geselle wolle ihn foppen; jener aber sagte: Merk’s: Hab‘ ich Mut und geh‘ ich vorwärts, so brauch‘ ich keinen Harnisch; geht’s aber rückwärts, und fällt mir der Mut anderswohin, so ist dann der Harnisch am rechten Platz. Und so ließ er sich denn den Harnisch zurecht machen, der, recht zu sagen, ein Barbiererbecken war aus der Rumpelkammer des Meisters. Und nachdem die sieben Schwaben, wie ehrliche Leute, alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt, auch als gute Christen bei St. Ulrich eine heilige Messe gehört, und zuletzt noch beim Metzger am Gögginger Tor gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so zogen sie zum Thor hinaus und ihres Weges weiter.
Quelle: Ludwig Aurbacher: Ein Volksbüchlein. Band 1, Leipzig [um 1878/79], S. 137-138. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20004479750
Zum »Da hinab« in Augsburg
Als Luther bei seinem Aufenthalt in Augsburg 1518 für seine persönliche Sicherheit fürchtete, beschloss er auf den Rat seiner Freunde, vorab Langenmantels, Augsburg in aller Eile und Stille zu verlassen, brach also vor Tagesanbruch auf und gelangte bis zu dem St. Gallusgässchen, wo er des Weges unkundig den Ausgang suchte. Da soll ihm der Böse in Langenmantels Gestalt mit dem Winke: »Da hinab« nach dem Einlass- oder Stephingertörlein, das bereits geöffnet war, bedeutet haben. Daselbst soll auch ein Esel nebst einem Boten zur Flucht bereit gestanden sein.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 441-442. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000567137X
Balladen und Gedichte
Attila vor Augsburg
Er ist die Geisel Gottes, die Sünde ruft ihn her,
Die stinkend raucht gen Himmel! Er führt der Strafen Heer,
Er schwingt das Schwert der Rache in seiner braunen Hand;
Den Weg, den er genommen, zeigt weit das wüste Land.
Wird nicht des Mord’s ein Ende, ist nicht das Maß erfüllt?
Ihr Heiligen im Himmel, du süßes Gnadenbild,
Du reicher Born der Milde, lass Gnade nun ergehn,
Lass sein ein Ziel des Würgens, erhöre brünstig Flehn!
Jetzt an des Lechs Gewässer gen Augsburg drängt das Heer,
schon zählt sein spähend Auge die Türme dort umher,
Die Kirchen, die Altäre, die da zu plündern sind,
Und forschet, ob zum Brande auch weht ein frischer Wind.
Da, wie das Ross er spornet ins Wasser, sieh, es scheut,
Und ein Gesicht dem Reiter sich ob den Fluten deut‘.
Mit langen weißen Haaren ein Weib zu Ross hält da,
Mit hagerm Arme winket sie: Retro Attila!
Und dreimal also winkt sie, und dreimal ruft sie das,
Und wie sie das gerufen, wird Weib und Ross so blass,
Er stiert sie an, doch mehr nur verschwindet es in Duft,
Und weht zu ihm herüber die kalte Nebelluft.
Kalt ward sein heißes Herzblut, es sank der Arm, das Schwert,
Da lenkt‘ er aus den Wellen sein wildgemähntes Pferd,
Da rief er nun gebietend dem Hunnenheer: Zurück!
Sein Haupt, er beugt es nieder, entwichen Kraft und Glück!
Quelle: Gruppe, O.F. (Hrg): Sagen und Geschichten des deutschen Volkes aus dem Munde seiner Dichter, Berlin 1854, S.6
Der Glockengießer zu Augsburg
Kochend ist die Glockenspeise,
Weiße Blasen springen auf.
In des Künstlers stolzer Weise
Fällt des Meisters Blick darauf.
Kurze Frist ist noch gegeben
Und es wird der heiße Fluß
Reif zum ruhmgekrönten Leben,
Reif zum kühnen Glockenguß.
»Lehrling,« – spricht der Meister, – »wache!
Wache ob des Feuers Glut!
Stiller Blick sei deine Sache,
Sichre und getreue Hut.
Rühre nicht den Zapfen, Knabe!
Schüre nur das Feuer an.
Eines wenn vollbracht ich habe,
Sei dann rasch das Werk gethan.« –
Und der Lehrling ist alleine. –
Unverwandten Blicks er schaut
Auf des Gusses zarte Reine,
Den der Meister ihm vertraut.
All sein Sinnen ist verloren
In dem wogenden Metall,
Und er hört in seinen Ohren
Tönen schon der Glocke Schall.
Und ihm ist’s, als ob die Glocke
Eins mit seinem Leben sei,
Und als ob die Fluth ihn locke,
Endlich sie zu machen frei.
Und er sieht die Masse wogen, –
Es erfaßt ihn Angst und Graus –
Und der Zapfen ist gezogen –
Strömend dringt der Guß heraus!
Und er sprühet, frei gelassen
In die Glockenform hinein; –
Sieh! da stürzet in Erblassen
Bang der Meister nun herein;
Sieht den kühnen Knaben stehen
Mit dem Zapfen in der Hand,
Da begreift er, was geschehen
Und ihn faßt des Zornes Brand.
Es erbeben seine Glieder,
Wilden Blickes, sinnberaubt
Schwingt er seinen Hammer nieder
Auf des Knaben schwaches Haupt;
Und des Lehrlings Todesbeben
Ist der Glocke erster Gruß,
Ist ihr erster Blick im Leben –
Denn gelungen ist der Guß. –
In des Thurmes hohem Bogen
Man die prächt’ge Glocke schaut,
Doch kein Strang hat sie gezogen
Noch zu ihrem ersten Laut.
Denn mit ihrer ersten Stunde
Hat vermählet sich der Tod:
Lehrling schläft im Erdengrunde,
Meister bangt in Todesnoth. –
Meister muß die Schuld bezahlen,
Die der blut’ge Mord begehrt;
Doch in seines Todes Qualen
Ist ein Wunsch ihm noch gewährt:
Und bei seinem letzten Gange
Den er zum Schaffote wallt –
Nun mit ihrem ersten Klange
Mächtig seine Glocke schallt.
Von Isabella Braun
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 440-441. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671361
Die heilige Afra zu Augsburg
Von Alexander Schöppner
1.
Nicht die Heiligen zu suchen,
Die gerechten Gotteskinder,
Stieg der Sohn vom Himmel nieder,
Sondern die verlornen Sünder;
Denn ob einem, der verirret
Wieder zu dem Hirt gekommen,
Größer ist des Himmels Freude,
Als ob neunundneunzig Frommen.
Da noch Roma’s Imperator
Herrschte über deutsche Gauen,
Blühte in Augusta’s Mauern
Afra, schön und hold zu schauen.
Doch im Heidentum erwachsen,
Ungeweiht an Herz und Sinne
Fröhnte sie, der Venus Sclavin,
Unerlaubter Fleischesminne.
Also ging die arme Heidin
Auf des Lasters breitem Pfade,
Doch der Hirt sucht seine Schafe
Mit dem lauten Ruf der Gnade.
Eines Tages klopft ein Fremdling
Hehren Anblicks an die Pforte
Und begehret von der Heidin
Gastfreundschaft mit sanftem Worte.
»Sei willkommen, teurer Fremdling
In dem Hause süßer Minne;
Wolle Venus mich erhören,
Dass ich deine Huld gewinne!«
»Nimmermehr,« versetzt Narcissus,
»Komm‘ ich, Liebeslust zu suchen,
Deine Werke muss ich hassen,
Deiner Venus muss ich fluchen.
Eines Andern keusche Minne
Läutre deines Herzens Triebe,
Christi Minne, der am Kreuze
Blutend starb den Tod der Liebe.
Der dem wahnbetörten Sünder
Licht und Gnade hat gegeben,
Der von Toten auferstanden
Ist die Wahrheit und das Leben.
Der als Richter einst die Bösen
Von sich stößt zu ew’gem Leide
Und die Seelen der Gerechten
Lohnet mit des Himmels Freude.«
Also mahnet ernsten Wortes
Sanct Narcissus die Betörte,
Dass sie von dem Heidenwahne
Sich zum wahren Gott bekehrte. –
Wie der frische Hauch des Morgens
Leben thaut auf welke Blüten,
Also sank in Afra’s Seele
Glaubenslicht und Gottesfrieden.
Von der Gnade Kraft gestählet
Brach sie alter Sünden Bande,
Sühnte durch des Wandels Sitte
Ihres Götzendienstes Schande.
2.
Da hört der Prätor Gajus
Von Afra’s neuem Sinn
Und sendet zornerglühend
Die Häscher zu ihr hin.
Und schmäht die Gottgeweihte
Ob ihrer Tat und droht,
Wo sie nicht Christus fluche,
Ihr mit dem Feuertod.
Des lacht die Heldengleiche
Mit frohem Mut und spricht:
»Du kannst den Leib besiegen,
Doch meine Seele nicht!
Du quälst die morsche Hülle
In kurzer Flammenpein:
So wird der Leib von Schlacken
Der alten Sünde rein!« –
Ob solcher Rede funkelt
Des Römers Blick vor Wut,
Er winkt – die Schergen zünden
Des Scheiterhaufens Glut.
Dort stand die Heldenjungfrau
Im Blick der Glorie Glanz,
Um ihre Stirne blühte
Der ew’ge Siegeskranz.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 434-435. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671302
Die Hexe des Attila
Von Alexander Schöppner
Durch des deutschen Landes Gauen
Brauset Etzels wildes Heer,
Schäumend gleich der Brandung Wogen,
Zahllos wie der Sand am Meer.
Gegen Augsburg wälzt die Horde
Mordbegierig sich heran,
Gleich dem Lavastrome sengend,
Was sie trifft auf ihrer Bahn.
An des Lechs Gestade lagert
Sich des Hunnenkönigs Schar,
Und von Stund‘ zu Stunde dräuet
Immer näher die Gefahr.
Schon durchstöhnet Augsburgs Gassen
Ein entsetzlich Klaggeschrei,
Gleich als ob des Weltgerichtes
Großer Tag gekommen sei.
Auf den Knieen fleht die Menge
Um Errettung von dem Tod,
Doch zu raten zeigt sich Keiner
Noch zu retten aus der Not.
Sieh! da naht ein häßlich altes
Grauenvolles Mütterlein,
Weniger ein lebend Wesen,
Als Skelett von Haut und Bein.
»Was verzagt ihr, feige Seelen?
Euch zu helfen bin ich da,
Bringt mir einen alten Klepper
Und ich schlag‘ den Attila!«
Schleunig war der Gaul gefunden
Und sie schwingt sich nackend drauf,
Nach dem Heer des Hunnenkönigs
Richtet sie des Kleppers Lauf.
Nackten Leibes, bleich und hager
Hängt das grauenvolle Weib
Auf der Mähre und es fliegen
Schlangenhaare um den Leib.
Aus den hohlen Augen grinset
Das Entsetzen selbst hervor
Und die Krallenhände recken
Mordbegierig sich empor.
Also nimmt das Volk der Hunnen
Jetzt der nackten Hexe wahr,
Hu! wie fährt es durch die Glieder,
Sträubt zu Berge sich das Haar!
Alles rennet, rettet, flüchtet
Durcheinander Mann und Ross,
Wie vom Wirbelwind ergriffen
Fleucht des Hunnenkönigs Tross.
Was kein Heldenschwert vermochte
Wider Etzel in der Schlacht,
Hat zu Augsburg eine Hexe
Heldenmütig einst vollbracht.
Darum sei der wackern Hexe
Angedenken hoch und wert
Und von Männern wie von Frauen
Augsburgs heute noch geehrt.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 435-436. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671310
Die Schlacht auf dem Lechfeld
Von GeorgRapp
Es wimmelt schwarz vom Hügel,
Durch Rauch und Brand einher,
Die Flamme weht als Flügel
Falb um das Ungarheer.
Der Lech, er kommt gezogen
Voll Leichen, grimm und bleich,
Die soll er niederwogen
Dem Ungar in sein Reich.
Oh Augsburg, Augsburg, mitten
In ihrem Schlachtenruf!
Sie kommen angeritten,
Sie traben Huf an Huf;
Sie jagen Mähn‘ an Mähne,
Nach deiner Pracht gewandt,
Die Pfeile an der Sehne,
Die Pfeile in der Hand.
Der Kaiser Otto kümmert
Sich heut‘ zum erstenmal,
Dass er im Stahle flimmert
Hinaus zur Todeswahl.
Verlierer und Bezwinger
Hat er ein Leid zum Lohn:
Der Räuberhorden Bringer
Ist sein empörter Sohn.
Drum klagest du so bange,
Oh alte Stadt, empor,
Im tiefen Orgelklange
Aus deinem Münsterchor.
Nur Einer unverzaget
Stellt sich noch ein für dich:
Als Licht im Dunkel taget
Dein Bischof Udalrich.
Er betet am Altare,
Er ringt, der Gottesmann,
Bis er von Gott erfahre,
Was dich erretten kann.
Dann hat er sich bewehret,
Das Kruzifix gefasst:
»Jetzt hat er uns erhöret,
Der einst am Kreuz erblasst!«
Auf seinem weißen Zelter,
In seiner Priestertracht,
So trägt er den Vergelter
Im Fluge nach der Schlacht.
Und seine Diakone,
Sie fliegen durch die Luft,
Mit dem Posaunentone,
Mit Fahn‘ und Weihrauchduft.
Da kommt der Herr geflossen
In jede Brust mit Macht,
Da hat er sich ergossen
Als Richter in der Schlacht;
Die Arme seiner Streiter
Mit seinem Arm berührt,
Und weiter, immer weiter
Sie in den Feind geführt.
Den haben sie gelichtet
Und abgehauen gar,
Er liegt umher geschichtet,
Zum Fraß der Rabenschaar.
Vor seines Sohnes Leiche
Der Kaiser Otto steht,
Da hoch aus seinem Reiche
Der Siegesjubel weht.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 44-45. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005667666
Die Spielkarten
Von J.G.Seidl
Vom Dome zu Augsburg dröhnt so bang
Der Armensünderglocke Klang!
Zum Richtplatz wogt die Menge fort,
Schon wartet der rote Freimann dort.
Er wartet dort auf ein junges Blut,
Um das schier selber es leid ihm tut;
Ein junger Mörder fällt ihm anheim,
Der früh schon verkümmert des Lebens Keim.
Noch sitzt er im Turme, da klingts hinein, –
Er fühlt, nun muss es verblutet sein:
Das Herz zerbricht ihm, er bittet um Rast,
Sinnt, weint und betet, und wird gefasst.
Nur noch ein Spiel Karten verlangt er dann;
Sie geben’s befremdet dem armen Mann.
Er aber entfaltet’s vor ihnen still,
Und spricht: »Ihr begreift wohl nicht, was ich will!
Seht! diese Blätter, wie ich sie hier
Gleich wie zum Scherz aufschlage vor mir
So spiegeln sie treu mein Leben mir ab
Von meiner Wiege bis an mein Grab.
Hier Sieben! – Ich zählte sieben Jahr,
Als ich den Ältern schon bleichte das Haar;
Ich war ein wüster, trotziger Bub‘,
Der Jedem gern eine Grube grub.
Hier Acht! – Acht Jahre zählte ich nur,
Da ward ich ertappt auf Diebesspur,
Hier Neun! – Neun Jahre zählte ich kaum,
Und nur mit Räubern raubt ich im Traum.
Hier Zehn! – Oh zehntes Lebensjahr,
Du strahlst allein mir hell und klar
In meines Daseins Nacht hinein: –
Oh könnt‘ ich im zehnten Jahre noch sein!
Da sprengte beflissener Lehrer Hand
Des kalten Busens eisiges Band,
Auftaute mein Herz, ich wuchs vom Neu’n,
Ich lernte beten, ich lernte bereu’n!
Hier Bube! – Ja – ja – die Buben, – nur sie
Zerstörten mir wieder die Harmonie;
Die Buben, die Freunde sich fälschlich genannt,
Sie haben das Herz mir wieder gewandt.
Sie rissen zum Spiele mich täuschend hin,
In diesen Blättern verlor sich mein Sinn!
Da kamen die Damen – die Damen seht,
Wie trefflich Alles zusammen geht!
Die Damen mit ihrem Doppelgesicht
Halb Höll‘, halb Himmel, ein Ganzes nur nicht,
Sie gruben künstlich vom Körper aus
Den Geist aus seinen Wurzeln heraus.
Die Eifersucht durchfuhr mir das Hirn,
So scharf wie mein Messer das Herz der Dirn,
Der Dame, die’s wahrlich nicht verdient,
Dass nun mein Blut das ihrige sühnt!
Und nun – der König! Nun tret‘ ich bald
Vor ihn, den König in seine Gewalt,
Den ewigen, schrecklichen König der Welt,
Der die Tropfen der Reue hat gezählt.
Seht ihr das As – oh lächelt nicht!
Es ist die Karte, die alle sticht;
Das As sei meiner Reue Bild,
Sie möge gelten, wenn nichts mehr gilt!
Nun werf‘ ich die Karten wieder zu Hauf;
Nun, Schergen, brecht zum Richtplatz auf!
Ein Blatt gilt ewig, es ist die Reu‘!
Auf, Schergen, auf! Gott steh‘ mir bei!«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 442-443. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671388
Die traurige Hochzeit
Zu Augsburg in dem hohen Saal.
Herr Fugger hielt sein Hochzeitsmahl.
Kunigunde hieß die junge Braut,
saß krank und bleich gab keinen Laut.
Zwölf goldene Becher gingen herum,
Nichts trank Herr Fugger so bleich und stumm.
Zwölf Blumenkörbe bot man umher,
Die Braut verlangte kein Blumlein mehr.
Zwölf Harfner lockten zum Fackeltanz,
Die Fackeln gaben so matten Glanz.
Die Gåste tanzten in langen Reihn,
Zwo weiße Gestalten hinterdrein.
Die Gåste tanzten zum Saale hinaus,
Sie tanzten und tanzten wohl aus dem Haus.
Die Saiten der Harfen sprangen zumal,
Stumm schlichen die Harfner aus dem Saal.
Im Saale vernahm man keinen Laut,
so todt saßen im Dunkeln Bräutgam und Braut.
J.Werner
Quelle: Emanuel Straube: Vaterländische Sagen, Legenden und Mährchen. Wien 1837, S.69 Link: https://books.google.de/books?id=h9I6AAAAcAAJ
Jakobe Lauber
Von Alexander Schöppner
Wie flammt der Kerzen goldner Strahl
Zu Augsburg in dem hohen Saal!
Herr Gustav Adolf lud zum Tanz
Der edlen Frauen schönen Kranz.
Und Alles harrt und Alles spannt,
Wen heut‘ erkürt des Königs Hand;
Wer wird die Hochbeglückte sein,
Die sich des Ruhmes soll erfreun?
Sieh dort im Erker zart und fein
Ein allerliebstes Jungfräulein;
Wie strahlt ihr Auge sonnenklar,
Wie wallt ihr goldnes Lockenhaar!
Des Königs Blick erspähet bald
Der schönen Jungfrau Wohlgestalt;
Er grüßet sie gar lieb und fein
Und lädt zum Tanze gnädig ein.
Und wonnetrunken schwebt‘ er hin
Mit seiner holden Tänzerin.
Wie schlug sein Herz so liebewarm,
Da er sie hielt in seinem Arm.
Gar süßer Worte fand er viel
Verlockend zu der Minne Spiel,
Denn immer höher stieg die Glut
Und immer heißer ward sein Blut.
Gemach Herr König! nicht so leicht
Wird eurer Wünsche Ziel erreicht;
Noch blüht in Augsburg wundersam
Das seltne Blümlein: Deutsche Scham.
Herr Gustav glüht von heißer Lust,
Zu drücken sie an seine Brust,
Doch heldenmütig wehret sein
Das tugendsame Mägdelein.
Und wie der König sie bedrängt,
Der Jungfrau zarter Finger fängt
In Gustavs Spitzenkragen sich,
Der so zerriß gar jämmerlich.
Darob erstaunt der König sehr
Und heget fürder kein Begehr,
Zu kühlen seiner Minne Glut
An solcher Tugend Heldenmut.
Des Tags darauf ward übersandt
Der Kragen von des Königs Hand,
Dazu gar kostbares Gestein,
Der keuschen Sitte Lohn zu sein.
Und fragt ihr nach der Schönen Nam‘,
Die also keusch und tugendsam:
Hieß Jakobine Lauberin,
Des Schwedenkönigs Siegerin.
Wie viel der Spitzenkrägelein
Von unsern heut’gen Jungfräulein
Zerrissen werden grausamlich? –
Die Antwort find’t von selber sich.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 438-439. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671345
Philippine Welser
Von J.G.Seidl
Zu Augsburg hat ein Bürger
Ein Töchterlein gar hold;
Hat himmelblaue Aeuglein
Und Locken hell, wie Gold.
Die schöne Philippine ward,
Das Töchterlein geheißen,
So wunderbarer Art.
Es war von guten Sitten
Und fromm und klug dabei;
Man hätte drauf geschworen,
Daß es von Ahnen sei;
Hatt‘ einen Hals, wie Schnee so rein,
Man sah’s, wenn durch die Adern
Ihm floß der rothe Wein.
Ein Herzog kam gezogen
Zum Reichstag in das Land;
Dem Dirnlein ward gewogen
Der Herzog Ferdinand;
Er war erst neunzehn Sommer alt;
Da wuchs in seinem Herzen
Die Liebe mit Gewalt.
»Bist du mein liebes Mägdlein?« –
Das Mägdlein sprach: »Bin dein!«
Da segnet bald ein Priester
Den Bund im Stillen ein.
Des Herzogs Vater zürnt wohl sehr;
Sechs Jahre ließ er sich bitten,
Dann zürnt er nimmermehr.
Dann haus’t auf seinem Schlößlein
Zu Ambras in Tirol
Mit seiner Philippine
Der Herzog recht und wohl;
Da gab es Lieb und Lust im Haus,
Die heitern Minnesänger
Die zogen ein und aus.
Da ward gar viel turnieret,
Der Kunst gar treu gepflegt,
Gar manche That vollführet,
Gar mancher Keim gehegt;
So ging es dreißig Jahr und eins,
Da fand der Tod ein Ende
Des treuen Herzverein’s.
Das Glück der Philippine
Hat manchen Fant gekränkt,
Drum heißt es, daß im Bade
Die Neider sie ertränkt;
Ich mein‘, da sorgt der Himmel für,
Daß nicht so schlimm verderbe
Der Schönheit edle Zier.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 239-240. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679559
Sankt Ulrich, der Versöhner
Von J.B.Hubmann, nach Jörg Breining
Man sagt und singt viel fromme Mären
Von Sankt Ulricus wunderbar,
Der einst in Augsburg Gott zu Ehren
Ein tugendreicher Bischof war.
Wohl nirgends lebte seines Gleichen
An Weisheit und an frommer Art;
Durch manigfache Wunderzeichen
Hat Gott durch ihn sich offenbart.
Einst lud den frommen Seelenhirten
Ein Graf zum Mahle bittend ein:
»So gerne möcht‘ ich Euch bewirten
In meiner Burg mit edlem Wein‘.«
Er bat so heiß, er bat so dringend,
Und Sankt Ulricus stimmte ein:
»›Mit Gott! es möge Segen bringend
Für Euch und mich das Jawort sein.‹«
Geladen war zum hohen Feste
So mancher edle Rittersmann,
Es setzten sich herum die Gäste
An reicher Tafel wohlgetan.
Und wie die Herrn im hohen Saale
Bei guter Speis‘ und süßem Wein
Sich weidlich laben an dem Mahle,
Da tritt ein Weib zur Tür herein,
Mit abgehärmten, bleichen Wangen,
Mit nassem Aug‘, doch edlem Leib‘,
Sie kommt so still hereingegangen,
Des Grafen schönes, junges Weib.
An ihrem Halse hing gebunden
Ein Totenschädel graus und kahl,
Und an der Türe bei den Hunden
Verzehrte sie ihr Jammermahl.
So trug sie wohl den Schädel kläglich
Ein ganzes Jahr in bitt’rer Not;
So aß sie mit den Hunden täglich,
Ihr Bestes war nur Gerstenbrot.
Als Sankt Ulricus ihre Strafen,
Ihr Leid und ihren Gram gewahrt,
Da fragt er tief besorgt den Grafen:
»›Was büßet Euer Weib so hart?‹«
»Die Buhlerin – sie hat die Ehe
Mit einem Ritter frech entweiht;
So mag sie tragen denn ihr Wehe
Und büßen ihre Lust mit Leid.
Sie soll den kahlen Schädel tragen
Des Buhlen, der sie hat entehrt;
Den Buben selber hat erschlagen
Mein blankes, gutes Ritterschwert.«
Sankt Ulrich sprach mit milder Würde:
»›So wusstet Ihr gewiss und wahr,
Dass er sie frevelnd Euch verführte,
Und dass sein Leben sträflich war?‹«
Der Graf entgegnet fast verlegen:
»Mir ward die Tat von Freunden kund;
Wie sollt‘ ich da noch Zweifel hegen,
Wo mir geschworen Freundes Mund?«
Da schaut mit wehmutsvollem Blicke
Der Bischof nach dem Himmel auf;
Nicht länger hält sein Aug‘ zurücke
Der heiß entquellten Tränen Lauf.
Er eilt vom Mahle fort zur Stelle,
Nach anderm Orte zieht es ihn;
In Gottes heiliger Kapelle
Da liegt er flehend auf den Knien.
Schon ist verstrichen eine Stunde,
Der Heil’ge fleht zu Gott um Licht,
Ob man des Grafen Weib mit Grunde
Der Sünde zeihe oder nicht.
Nun kehrt er wieder, segnet Alle,
Die Gräfin weinend auf ihn schaut;
Da tönet plötzlich durch die Halle
Des Totenschädels Stimme laut.
Wohl schrecklich tönt es an den Grafen:
»Wie konntest du so fürchterlich
Die tugendreiche Gräfin strafen?
Gerecht bestraftest du nur mich!«
Das Schreckenswort erfüllt mit Schauer
Und Grauen Alles rings herum,
Und Alles starrt in tiefer Trauer,
Hinsinkt der Ritter bleich und stumm.
Doch bald hat er sich aufgerungen
Und mit dem Weibe sich vereint;
Er hält die Edle fest umschlungen,
Und löst den Schädel ab und weint.
»Gepriesen sei des Himmels Lenkung!
O kannst du, Reine, mir verzeih’n,
Vergeben solche Schmach und Kränkung,
Dann wird auch Gott mir gnädig sein!«
Da zog mit freudig süßem Leben
An’s Herz die Engelreine ihn:
»So bist du wieder mir gegeben,
So bist du mein für immerhin!
Gott möge dir und mir verleihen
Des Himmels volle Seligkeit,
Und gnädig Jedem so verzeihen,
Wie deine Gattin dir verzeiht.«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 240-241. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005679567
Ulrich Schwarz, Bürgermeister von Augsburg
Augsburg ist ain werde Statt
in ainem Jar geschehen,
daß Vier Burgermaister guott
sein khomen umb Ihr Leben,
Die Vittel theten die Wahrheit, darumb
Man diesen zweyen Ihr haubt abgeschlagen,
Dem Kurzen an sein Leben gieng,
Schwarz und Taglang an den Galgen hieng.
Der Schwarz Namb sich an des handels zuvil,
da er an der Steur Saß Im Sausße,
Eß war Im gar ain ebens spill,
Da er daß gelt bei den huetten ausmasße,
Mangmaister wolt khain thaill darvon han,
er hub sich auf und schlich darvon,
man schickhet Ims nach gar tratte.
Mangmaister Legts hinter ain Rhat,
Der Schwartz gen seinen Herren sprach,
Ja sprach, Mangmaister will unß verrathen,
der ist Judas, der gott verriett,
Der Mangmaister sprach,
Du leugst wie ain Dieb,
Du sagst nit war,
Sie füellen ainander in daß Haar.
Die Schwartzin zu Irem herren sprach,
Ir sollenn Morgen daheim bleiben,
mir hat getraumbt ein schwerer traumb,
man werd euch morgen fachen.
So schweig, So schweig, mein Fräuellein,
Bist du Kaiserin, so will ich Kaiser sein,
sie dörffen mir nichts than,
den Gewalt will ich Iber sie han.
Des Morgens wie er in den Rhat gieng,
man thet ain nach den andern fachen,
man warff den Schwartzen in die Eysßen ein,
Er het geschenckht Most für Wein.
er het gestollen also Vill
mit seinen guotten gesellen,
Die Im handt helffen stellen.
Der Schwartz gen seinen herren sprach
Mangmeister will unß Rechen,
bringt mir Mangmeister umb sein leben,
Vier hundert Gulden will ich euch geben,
doch solt Ir nit ablohn,
und In erstochen han.
Volkslied. – Die Historien vom Ulrich Schwarz haben sich lange im Munde des Volkes erhalten
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 438. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671337
Was ein Vaterunser wert ist
Von Theodor Holscher
Zu Augsburg an dem Palast des Bischofs steht ein Mann,
Dem wird jedweden Mittag die Pforte aufgetan.
Dann reicht der Küchenmeister auf seines Herrn Gebot
Dem greisen Bettelmann ein reichlich Mittagbrot.
Und dieser nassen Auges verzehret das Geschenk,
Und betet drei Vaterunser des Gebers eingedenk.
Einst drang manch trübe Mähre bis zu des Bischofs Ohr,
Dass er darob den Frohsinn und alle Ruh verlor.
Er wandelte, um sich zu erheitern, hinaus in den duftigen Mai,
Da führt ihn seine Straße an dem greisen Bettler vorbei.
»Sieh da,« so sprach Sankt Ulrich, »wie geht es dir mein Gast?«
»Wie immer, Euer Hochwürden,« sprach der Alte ernst und gefaßt.
»Mir geht es nicht wie immer,« entgegnet Jener, »mir kam
So manche Kunde gestern, die alle Ruh mir nahm.
Vergessen hast du sicher zu beten gestern für mich
Die heiligen Vater unser, doch speis ich täglich dich.«
Der Bettler sprach: »o Vater, ich betete gestern nicht,
Denn euer Küchenmeister der machte ein finster Gesicht,
Als ich erschien und murrte und wies mich von der Tür:
Such‘ heut‘ dein Brot wo anders, heut‘ findest du nichts hier.«
Und zornig kehrt der Bischof zurück in den Palast,
Beschied vor sich zur Strafe den Küchenmeister in Hast,
Und sprach: »Sieh‘ an, welch Elend und welches schwere Kreuz
Du über mich gehäufet durch deinen bösen Geiz!«
Der Küchenmeister trotzig und allzudreist fragt frei,
Ob an einem Vaterunser so viel gelegen sei.
»Was?« ruft entrüstet der Bischof, »du fragst noch also kühn?
Wohlan, du sollst mir nach Roma zum heiligen Vater ziehn,
Den sollst du fragen, wie viel wohl ein Vaterunser sei wert.
Und seine Antwort bringst du, dann sei dir Verzeihung gewährt.« –
Und als er kommt nach Roma in vieler Pilger Chor,
Geht er zum heiligen Vater und legt die Frag ihm vor:
Wie viel ein Vaterunser an Gelde wohl sei wert?
Der spricht: »ein Vaterunser eines güldnen Pfennigs ist wert.«
Der Küchenmeister brachte Sankt Ulrich den Bescheid,
Der fragt: »Der gülden Pfennig, wie breit ist er, wie breit?«
So muss nach Roma wieder der Küchenmeister zurück
Und geht zum heil’gen Vater und fragt mit trübem Blick:
»Wie breit ist der güldne Pfennig, der ein Vaterunser wert?«
Der Papst versetzt: »er ist wohl so breit wie die ganze Erd.«
Als das Sankt Ulrich hörte, sprach er mit ernstem Blick:
»Doch kannst du mir auch sagen, der güldne Pfennig wie dick?«
Da murrte der Küchenmeister, doch weil er es nicht wusst,
Hat er zum dritten Male gen Roma wandern gemusst.
Und als den Papst er fraget: der Pfennig von Golde rein
An Wert ein Vaterunser, wie dick der müsse sein?
Da tönt’s: »So weit der Himmel entfernt ist von der Erd,
So dick sei der goldne Pfennig, der ein Vaterunser wert.
Denn was der Mensch gewinnt, woran er labet den Mut,
Ein andächtig Vaterunser ist besser als alles Gut.«
Beschämet kehrt zum Bischof der Küchenmeister zurück
Und bringt ihm diese Antwort mit niedergeschlagenem Blick.
Da sprach der heilige Ulrich und hub zu reden an:
Nun siehe, solchen Schaden hast du mir angetan;
Drum geh‘ und schätze künftig ein Vaterunser mehr
Und gib dem Bettler wieder die Gabe zu Gottes Ehr,
Dass er andächtig bete, so oft er das Geschenk
Genießt, drei Vaterunser, des Gebers eingedenk.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 49-50. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005667720
Brauchtum
’s Turamichele
„Der gewaltige Himmelsfürst und Heerführer der Engelscharen, der hl. Erzengel Michael, der den siegreichen Kampf gegen Luzifer und seinen Anhang geleitet, erfreut sich in Augsburg einer besonders großen Verehrung von Seite der Kinderwelt. Am Vorabend des Michaelitages strömt alles, was junge Beine hat, mit dem freudigen Rufe: „’s Turamichele kommt!“ dem Perlachturme am Lubwigsplatze zu. Von hier aus wird sich St. Michael heute abend sechs Uhr und morgen an seinem Namenstage „dem versammelten Volke“ zeigen. Dann ist es wieder für ein Jahr vorbei.
„s Turamichele kommt!“ sagt die Mutter und nimmt ihren Kleinsten auf den Arm. Kopf an Kopf steht die heitere, schaulustige Menge. Zu Tausenden sind die Kleinen gekommen, das geliebte Turamichele zu begrüßen, so daß selbst der Pferdebahnverkehr unmöglich wird. Unter der Jugend fehlen auch die „alten Kinder“ nicht, die sich an der Freude der jungen ergötzen. No zehn Minuta! – No fünf Minuta! heißt es mit gespannter Miene. Haschtis scho g’hört? Huir hat’s Turamichele scho wieder a nuis Häs! (Kleid.)
Diese weltbewegende Neuigkeit wird schleunigst auf dem ganzen Platz verbreitet. Die allgemeine Spannung erreicht ihren Höhepunkt. »Fell mich ihne, Frau Nachbarin! ruft eine Frau der anderen zu, habens ihre Kinderla au zum Turamichele g’führt! Schier d‘ Haut haben’s mir runtertoan, i hab mitmüssa. Isch dös it a Freud! Ein dröhnendes Jubelgeschrei unterbricht jedes Gespräch.
Am Perlachturm hat sich in einer Nische ein Pförtlein geöffnet. Heraus kommen ganz einträchtig nebeneinander der Held des Tages in neuem Ritterkostüm und — der Drache, stürmisch begrüßt von dem unten harrenden Publikum. Sobald der Hammer des Uhrwerks zum ersten Schlage ausholt, hebt St. Michael seinen Speer. Mit jedem Glockenschlage stößt er ihn in die Brust des Ungeheuers, worauf dieses ebenso oft pflichtschuldigst die Glieder reckt, den grimmen Rachen aufsperrt und die rote, nach Blut lechzende Zunge herausstreckt, um dadurch seine Wut und Gefährlichkeit, aber auch sein nahes Verenden anzuzeigen.
Endloses, stürmisches „Bravo“ lohnt den kühnen Ritter für seine Tat. Unter dem Jubel seiner jungen Verehrer verschwindet er mit seinem überwundenen Feinde in würdevollem Tempo wieder im Innern des Turmes, um am nächsten Tage, als am eigentlichen Festtage, bei jedem Stundenschlag den gewohnten Kampf aufs neue zu bestehen. An diesem Tage wird das Gedränge geradezu lebensgefährlich, besonders um die Mittagsstunden. Volks- und Mittelschulen haben den Vormittagsunterricht beendet. Zu der Stadtjugend gesellen sich noch die Kinder der umliegenden Gemeinden.
Die Eisenbahn bringt aus entfernteren Gegenden Schwabens zahlreiche, jugendliche Festgäste und all dies junge Volk ist heute gekommen, um dem „liaba Turamichele“ Gruß und Huldigung darzubringen. Ein kindlich harmloses Fest! Und doch liegt auch in ihm ein tieferer Sinn. St. Michael zeigt sich der versammelten Jugend als Beschützer des Guten im Kampfe mit dem Bösen.“
Quelle: Bayerisch‘ Land und Volk (diesseits und jenseits des Rheins) in Wort und Bild Franz Joseph Bronner BV047657612 S.229