Lauingen – Sehenswertes, Geschichte, Sagen, Mythen und Volksglaube der Region. Das „etwas andere“ Portal. Links, Landkarten, historische Ansichtskarten, Fotos, Ausflugsziele …
Teilkapitel / Gliederung dieser Seite
- Allgemeines
- Fotos & Abbildungen
- Kunst, Kultur und Brauchtum
- Sagen, Mythen und Geschichten
- Sagen über Albertus Magnus
- Das Fluchhaus zu Lauingen
- Das große Pferd
- Der große Schimmel zu Lauingen
- Der Rasch
- Der Riesenkampf
- Der Schuster zu Lauingen
- Der seltsame Gast
- Die feindlichen Brüder
- Die schöne Gräfin
- Die St. Leonhardskirche bei Lauingen
- Jungfer Kümmerniß
- Kirchenfrevel zu Lauingen
- ’s Herrgottsruaklöasterli
- Balladen und Gedichte
- Brauchtum und Sprichworte
- Literatur
Allgemeines
➥ Internetauftritt der Stadt / Gemeinde ➥ Wikipediaeintrag ➥ Alemannische Wikipedia ➥ Wikisource: Historische Quellen und Schriften
Historische Lexikoneinträge
Meyers Enzyklop. Lexikon, 1905. http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Lauingen?hl=Lauingen
Karten
➥ Luftlinie-org berechnet die Luftlinienentfernung sowie die Straßenentfernung zwischen zwei Orten und stellt beide auf der Landkarte dar. Startort ist Lauingen, den Zielort müssen Sie noch wählen. Voreingetragen ist ➥ Bisoro in Burundi
Karte eingebunden aus OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL
Fotos & Abbildungen
➥ Bildersammlung auf Wikimedia-Commons ➥ Abbildungen auf Tumblr ➥ Infos und Fotos auf Pinterest ➥ Filme in der ARD-Retro-Mediathek (Filmbeiträge der 60er-Jahre)
Kunst, Kultur und Brauchtum
➥ Kultur und Sehenswürdigkeiten (Wikipedia) ➥ Abbildungen auf ‚Bildindex‘ ➥ Bilder auf ‚Google-Art‘ ➥ Lauingen auf ‚Zeno-Org‘ ➥ Suchfunktion nutzen für Lauingen auf leo-bw.de (Karten, Archivmaterialien und Luftaufnahmen vom Landesarchiv Baden-Württemberg) ➥ Alphabetisch sortiertes Verzeichnis auf www.kloester-bw.de Beschreibungen vom Landesarchiv Baden-Württemberg
Geschichte
Ortsbeschreibung von Merian: ➥ https://de.wikisource.org/wiki/Topographia_Sueviae:_Lauingen
Ausflüge und Sehenswertes
➥ Wikivoyage – Projekt der Wikimedia ➥ Wikitravel – der freie Reiseführer
Webcams
➥ Webcams in Lauingen und Umgebung
Nachbargemeinden
➥ angrenzende Städte und Gemeinden (aus Wikipedia)
Teilgemeinden und Ortschaften
➥ Ortschaften und Wohnplätze von Lauingen (aus Wikipedia)
Sagen, Mythen und Geschichten
Sagen über Albertus Magnus
Über Albertus Magnus, den Schutzpatron des Allgäus und Kirchenlehrer des Mittelalters, der in Lauingen geboren wurde, existieren so viele Sagen und Texte, das ich diese in einem eigenen Kapitel sammle: ➥ Albertus Magnus – Der Heilige des Allgäus
Das Fluchhaus zu Lauingen
Seit undenklichen Zeiten war in dem Hause eines hiesigen Bürgers nichts als Unglück gewesen. Der Vater hatte viel Geld geerbt und trotz aller Sparsamkeit und der musterhaften Haushaltung seines Weibes, hatte er nach Jahr und Tag keinen Heller mehr von der Summe, sondern noch obendrein große Schulden. Brach irgendwo eine Viehseuche aus, so durfte er versichert sein, dass, wenn alle Ställe in der Stadt verschont blieben, der seinige gewiss bald von allem Vieh geleert würde. Und so ging’s immer fort. Der gute Mann grämte sich darüber, wurde gemütskrank und starb endlich in völliger Raserei. Sein einziger Sohn übernahm nun das Erbe und heiratete ein braves und noch obendrein sehr reiches Mädchen. Allein auch deren Vermögen hatte das Unglück bald verschlungen. Und ob sie sich gleich Tag und Nacht plagten, so kamen sie doch immer tiefer in Schulden und hatten endlich kaum mehr das tägliche Brot.
Endlich dachte der Mann, sein Vater habe oft gesagt: der Großvater sei gar gottlos gewesen, der habe das Haus im Fluche gebaut, darum sei kein Segen in ihm. Ich will nichts mehr darin zu tun haben! Dies kam den Leuten lächerlich vor, aber noch lächerlicher, als er wirklich an einem andern Platze ein Haus baute, dann das alte von Grund aus niederriss und aus dem Holze Kohlen brannte. »Die Knallhütte soll keinen rechtlichen Mann mehr unglücklich machen!« sprach er zu den Leuten, welche meinten, er solle das Haus lieber verkaufen. Er hatte neue Angst, was er mit dem Gelde anfangen sollte, welches er für die Kohlen einnehme, aber der Mann, der ihm das Geld schuldig war, machte Bankrott und so war er der Sorge los.
»Gut,« sagte er, »dass der Teufel das Seine vollends geholt hat, jetzt wird Gott seinen Segen doch wieder geben!« Und nun wohnte er in seinem neuen Haus und bei Allem was er anfing, war Segen und Gedeihen. In wenig Jahren hatte er seine Schulden bezahlt und in seinem Alter war er ein wohlhabender glücklicher Mann, der an seinen Kindern viel Freude erlebte.
»Ein jeder kann zu dieser Geschichte denken was er will,« sagt Hofrat Jung, der in seinen zu Lauingen 1790 gedruckten Schriften diese Begebenheit auch erzählt. »So viel aber ist wahr: man hüte sich vor ungerechtem Gute, das bringt über kurz oder lang Fluch und Verderben auf Kinder und Kindeskinder. Da heißt’s wohl recht, dass Gott die Missetat der Väter heimsucht an den Kindern bis in’s dritte und vierte Glied!«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 409-410. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671159
Das große Pferd
Um das Jahr 1260, zur Zeit als der große Albertus Magnus mit seiner Weisheit Deutschland erleuchtete, wurde unweit seines Geburtshauses in der sogenannten Brunnengasse ein großes Füllen geworfen. Aus dem großen Füllen wurde in wenig Jahren ein ungeheures Pferd, 15 Schuh soll es der Länge nach gemessen haben und in Sprung und Lauf sah man nie dergleichen. Aber wunderbar! Das Riesenroß ließ niemand mit sich umgehen und sich nur von einem kleinen verkrüppelten Knecht lenken, dem man aus Barmherzigkeit das Gnadenbrod reichte. Dieser Knecht, Stephan wollen wir ihn heißen, hatte seine Freude an dem großen Schimmel und putzte ihn fleissig und tummelte ihn tüchtig herum, wenn Neugierige kamen ihn zu beschauen.
Nun verfiel der damalige Bürgermeister in eine schwere Krankheit. Arzt war keiner hier. Das Jammern und Wehklagen bei des Bürgermeisters Not war unerhört. Wenn wir nur den Pater Severin aus dem Kloster hl. Kreuz in Donauwörth da hätten, hieß es, der könnte bald helfen, wenn noch zu helfen ist. Doch die Zeit ist zu kurz, der Bürgermeister wird nicht mehr viel Schöpplein trinken. Da erbot sich Knecht Stephan sein Möglichstes zu tun, den Heilkünstler zur Stelle zu schaffen. Man ließ ihn gewähren, schnell saß er zu Roß, doch wie er eben beim Dillinger Thor hinaus wollte, vielleicht hat er zuvor beim Schimmelwirt ein Mäßle getrunken und man heißt darum etwa die Wirtschaft also, war das Tor durch einen Heuwagen versperrt, der unter demselben stecken geblieben war. Doch Stephan besann sich nicht lange. Er wendete den Schimmel seitwärts, ein Sprung und er befand sich wohlbehalten über der Stadtmauer:
Und hurre hurre hopp hopp hopp
Gings fort in sausendem Galopp
Dass Ross und Reiter schnoben
Und Kies und Funken stoben!
Ehe die Nacht einbrach, war Knecht Stephan mit dem heilkundigen Mönche hinter sich wieder in Lauingen und der so gebrachte Doktor soll den Bürgermeister in wenig Tagen wiederhergestellt haben. Martin Crusius schreibt in seiner großen schwäbischen Chronik B 2 noch, dass dieses Pferd zwei Herzen gehabt habe. Nun ist es mit Anderm an den sogenannten Hofturm gemalt, den die Landleute, denen das große Pferd wohl das Merkwürdigste sein mag, auch den Schimmelthurm nennen.
Quelle: Ludwig Mittermaier: Das Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen, Dillingen, Höchstädt und Donauwörth, Kränzle, 1849, Link: https://books.google.de/books?id=6TBBAAAAcAAJ&pg=PA1
Der große Schimmel zu Lauingen
Am dritten Stockwerke des sogenannten Hofturmes zu Lauingen ist gemalt ein großer, galoppierender Schimmel mit der Jahreszahl 1260 und der Inschrift: »Im Jahre 1260 zur Zeit Alberti Magni war in Lauingen ein weißes Pferd geboren, so von Leib sehr groß und hoch, auch fünfzehn Schuech lang worden und seines schnellen Laufes und hohen Springens halber sehr wundersam gewesen.« Nach der Sage soll dieser Schimmel so hoch gewesen sein, dass man eine Leiter gebrauchen musste, um ihn zu besteigen, während er willig der Leitung seines kleinen Wärters folgte.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 399-400. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671124
Der Rasch
Vor langer Zeit war im Dienste der Stadt ein Holzwärter Namens Rasch, der jedoch bei dem ihm anvertrauten Amte nicht mit der Treue und Gewissenhaftigkeit zu Werke ging, wie es Recht und Pflicht von ihm heischte, sondern auf alle mögliche Weise Betrügereien trieb. Dafür soll nun sein Geist nach dem Tode keine Ruhe haben und bis auf den heutigen Tag in dem Ort seiner zeitlichen Frevel wandernd gesehen werden. Ein Glaubwürdiger erzählte davon Folgendes: er war mit seiner Hausfrau in dem Wald, die Flicken genannt, um Streu zu sammeln. In dem Eifer der Arbeit verloren sie sich mählich tiefer in den Wald, bis sie an die Grenze des Stadtholzes kamen und der Mann einen Schatten vor sich erblickte.
Er blickte auf, da stand ein Mann im Gesträuche, welchen unser Bürger freundlichst grüßte, ohne jedoch einer Antwort gewürdigt zu werden: darüber verwundert, betrachtete er den Fremden näher und fand, dass sich eigentlich kein Gesicht, sondern nur eine Art Nebel an der Stelle desselben befand. Grausen und Entsetzen überkam ihn nun und er rief: »Jesus, Maria und Joseph! was ist das?« Und kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, so war die Erscheinung spurlos verschwunden und schien in das in der Nähe befindliche Altwasser hineingefahren zu sein, denn dessen ruhige Oberfläche tobte auf einmal hoch auf und ein Wirbelwind erhob sich, der die Bäume des Waldes zu entwurzeln drohte, aber sich eben so schnell wieder legte, als er entstanden war. Der Bürger eilte nun zu seinem Weibe, welche alles bemerkt hatte und ausrief: »Gottlob Mann, dass du kommst, ich habe den Rasch auch gesehen!«
Die Hirtenbuben auf dem Spitalhofe haben ihn, wenn sie nächtlicher Weile hüten mussten, oft erblickt; und einer derselben höhlte daher einen hohlen Weidenbaum noch weiter aus, bis er seine Person darin verbergen konnte und dahinein verkroch er sich, so oft brüllend das Vieh in der Mitternachtsstunde davonlief und die unheimliche Gestalt heranzuwandeln begann. Sie soll ein dreieckiges Hütchen, enges Kamisol und hohe Stiefel getragen haben, wie man sich in alten Zeiten kleidete. In neuerer Zeit soll er sich nicht mehr gezeigt haben, aber mehrere Jäger, welche in den Altwässern des obern Holzes auf dem Anstand waren, wollen ihn zum größten Mißvergnügen gehört haben und zwar auf dem Wasser herumschlagend, was sie zwang, ohne Beute nach Hause zu gehen.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 398-399. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671116
Der Riesenkampf
Jahrhunderte schon waren die Ungarn der Schrecken der deutschen Lande. Mit dem Frühjahre 955 drangen ihre Scharen gewaltiger als je über die Grenzen und überströmten Bayern. Um Augsburg schlugen sie ihr Lager und auf viele Stunden in der Runde zerstörten sie Dörfer, Klöster und offene Städte, mordeten die Erwachsenen und führten Weiber und Kinder in die Sklaverei. In den Mauern Augsburgs hatte sich der Kern der Streitmacht der Umgegend gesammelt, um die mit zahllosen Flüchtlingen gefüllte Stadt zu verteidigen. Zum Entsatze der bedrängten Stadt eilte der Kaiser Otto mit einem Heere herbei und der Tag kam, der über das Schicksal Deutschlands entscheiden sollte. Es war der 10. August 955, als die Schlacht begann und mit gräßlichem Geheul die Ungarn angriffen. Der heil. Ulrich, Bischof zu Augsburg, wagte einen Ausfall mit den Verteitigern der Stadt und bald entbrannte um das Häuflein der Städter ein furchtbarer Kampf. Schon lag Ulrichs tapfrer Bruder Dietpold und sein Neffe Reginbald als Leiche auf dem Kampfgefild, als ein Bürger aus Lauingen einen Häuptling der Ungarn erlegte, der in riesenmäßigem Wuchse die Seinigen überragte und ihnen voranfocht. Eine gleiche Tat volführte an einem andern Heeresfürsten ein Genoß der Augsburger Weberzunft. Die Ungarn stutzten und erhoben ein Geheul, das den Wehruf der Sterbenden hundertfach übertönte und als die Deutschen auf’s Neue angriffen, wandten sie sich zur Flucht. Dieser Sieg befreite Deutschland für immer von ihren Verwüstungen. Er steht daher würdig neben Aetins Sieg über die Hunnen unter Attila bei Chalons und Karl Martells Sieg über die Araber bei Tours. Hunderttausende bedeckten als Leichen das Lechfeld. Was dem Eisen entrann, stürzte in den Lech und ertrank. Kaiserlich belohnte Otto die Tapferkeit der Seinigen. Der Lauinger Bürger wurde vor ihn gerufen und seine Tapferkeit im Sinne des folgenden Gedichtes von B. Mayr öffentlich belobt:
„Ruhm dir, so fing er an, Ruhm deinem Stamme
Ruhm Lauingen, das dich als Sieger kennt,
Vollenden will ich, dass der Ruhm des Sieges
Von dir auch nach Jahrhunderten noch tönt.
Mit diesen Worten überreichte er dem tapfern Krieger eine goldene Kette an deren Schluß auf ei ner Silberplatte ein gekrönter Mohrenkopf zu sehen war. Der Augsburger Weber, der den andern Ungarnführer erschlagen, gewärtigte keiner Belohnung mehr. Er lag als Leiche auf dem Schlachtfeld. Doch gab der Kaiser der Weberzunft als Wappen das Schildzeichen des erschlagenen Häuptlings, das sle bis auf den heutigen Tag noch führt. Die Tat des Lauinger Bürgers, ein Schuster soll er gewesen sein, ist an den Hofturm gemalt. Seine Vaterstadt nahm im 13. oder 14. Jahrhundert zum Andenken an seine Tat den Mohrenkopf als Stadtwappen an, nachdem sie früher einen dreifachen Christuskopf geführt hatte.
Quelle: Ludwig Mittermaier: Das Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen, Dillingen, Höchstädt und Donauwörth, Kränzle, 1849, Link: https://books.google.de/books?id=6TBBAAAAcAAJ&pg=PA1
Der Schuster zu Lauingen
Auf dem Hofturm der Stadt Lauingen findet sich folgende Sage abgemalt. Zur Zeit, als die Heiden oder Hunnen bis nach Schwaben vorgedrungen waren, rückte ihnen der Kaiser mit seinem Heere entgegen und lagerte sich unweit der Donau zwischen Lauingen und dem Schloss Faimingen. Nach mehreren vergeblichen Anfällen von beiden Seiten kamen endlich Christen und Heiden überein, den Streit durch einen Zweikampf entscheiden zu lassen. Der Kaiser wählte den Marschall von Calatin (Pappenheim) zu seinem Kämpfer, der den Auftrag freudig übernahm und nachsann, wie er den Sieg gewiss erringen möchte. Indem trat ein unbekannter Mann zu ihm und sprach: »Was sinnst du? ich sage dir, dass du nicht für den Kaiser fechten sollst, sondern ein Schuster aus Henfwil (später Lauingen) ist dazu ausersehen.« Der Calatin versetzte: »Wer bist du? Wie dürfte ich die Ehre dieses Kampfes von mir ablehnen?« »Ich bin Georg, Christi Held,« sprach der Unbekannte, »und zum Wahrzeichen nimm meinen Däumling.« Mit diesen Worten zog er den Däumling von der Hand und gab ihn dem Marschall, welcher ungesäumt damit zum Kaiser ging und den ganzen Vorfall erzählte. Hierauf wurde beschlossen, dass der Schuster gegen den Heiden streiten sollte. Der Schuster übernahm es, und besiegte glücklich den Feind. Da gab ihm der Kaiser die Wahl von drei Gnaden sich eine auszubitten. Der Schuster bat erstens um eine Wiese in der Nähe von Lauingen, dass diese der Stadt als Gemeingut gegeben würde. Zweitens, dass die Stadt mit rotem Wachs siegeln dürfte, welches sonst keinem mittelbaren Ort verstattet war. Drittens, dass die Herren von Calatin eine Möhrin als Helmkleinod führen dürften. Alles wurde ihm bewilligt und der Daumen St. Georgs sorgfältig von den Pappenheimern aufbewahrt, die eine Hälfte in Gold gefasst zu Kaisheim, die andere zu Pappenheim. Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 45-46. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005667674
Der seltsame Gast
Unter der Regierung des Sohnes des Siegers bei Giengen, Georgs des Reichen, soll sich Folgendes zugetragen haben. Zwei alte Leute wohnten zu Lauingen, doch obwohl sie ihr ganzes Leben lang rastlos gearbeitet und gespart hatten, waren sie dennoch auf keinen grünen Zweig gekommen und der Mann musste, wenn er nicht im Winter frieren wollte, sein Holz im Walde selbst suchen. So war er eben einmal wieder in das Holz gegangen und wollte bei einer großen alten Eiche einen starken Ast aufheben, als vom Baume weg eine Schlange sich langsam herbewegte. Erschrocken ließ er den Ast fallen, um welchen sich nun die Schlange wand. Der Mann wollte das große Stück Holz nicht gerne im Stiche lassen und versuchte das Tier auf jegliche Art zu verscheuchen; doch es gelang ihm nicht und auch am folgenden Tage sah er die Schlange wieder auf dem Ast und als er denselben mutig anfasste, bewegte sie sich schmeichlerisch mit dem Kopfe gegen seinen Arm. Schnell schleuderte er den Ast hinweg und ging nach Hause, indem er seinen unweit liegenden Reisigbündel auf die Achseln nahm. Zu Hause wollte er eben seinem Weibe das seltsame Ereignis erzählen, als sie ihn mit dem Ausrufe: Herr Jesus, was ist das! unterbrach, und siehe da, die Schlange war aus dem Reisigbündel gesprungen und spielte mit der Hauskatze. – Die guten Leute glaubten nun steif und fest, die Schlange müsse einst ein Mensch gewesen sein und eines Verbrechens wegen nach dem Tode dessen Seele in den Tierleib gebannt worden sein.
Das Tier erhielt von ihnen Nahrung und lebte friedlich und harmlos mit ihnen. Aber wunderbar, mit ihm schien wirklich Glück und Segen in die Hütte des Armen gezogen zu sein. Er erhielt reichlichen Taglohn und wenn er etwas verkaufte, war sein Erlös weit größer, als erwartet werden konnte. Die beiden Leutchen durften sich bald nicht mehr so plagen und lebten noch lange in einem glücklichen und zufriedenen Stillleben. Als sie aber starben, war die Schlange verschwunden und Niemand wusste, wo sie hingekommen.
Dieser wunderlichen Sage, die sich bis auf den heutigen Tag im Volksmunde erhalten, erwähnt auch der Doktor Senftius in seiner merkwürdigen, aus dem fünfzehnten Jahrhunderte herrührenden Selbstbiographie.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 407-409. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671140
Die feindlichen Brüder
Jedes Kind kann dem Fremdlinge zu Lauingen die an der gegen die Donau führende Straße gelegenen Wirtshäuser zum Adler und zur Krone zeigen. Beide Gebäude sind sehr merkwürdige Holzbauten und stehen, ein ernstes Denkmal aus vergangenen Tagen, wohl erhalten schon seit dem vierzehnten Jahrhundert. Die Sage rankt sich hinauf an den alten Gebäuden und erzählt dem Forscher folgende Begebenheit.
An der Stelle, wo sich jetzt die beiden Gasthöfe befinden, erhob sich aus der Zeit herstammend, wo Lauingen noch ein Dorf war, ein großes weitläufiges Gebäude, dessen Besitzer neben einer ausgebreiteten Ökonomie eine Wirtschaft betrieb. Ritter und Ritterfrauen, Edelknechte und Knappen wie dienstsuchende Reisige kehrten häufig ein und zechten wacker. Der Besitzer des Gasthofes hatte zur Bezeichnung desselben kecken Mutes das deutsche Reichswappen, den Adler mit der Kaiserkrone hinausgehängt. Als er starb, wollte jeder seiner Söhne das väterliche Anwesen haben, und da sie Zwillinge waren, konnte nicht einmal das Recht der Erstgeburt entscheiden. Beide Brüder standen in der Blüte des Lebens, frisch und fröhlich und der Waffen kundig; hatten sie ja oft genug mit den Gästen ihres Vaters zur Übung gefochten und auch im Ernste schon tapfer drein geschlagen, wenn die Sturmglocke die wehrhafte Jugend der Stadt zum Zuge gegen die Raubritter des Donaugaus rief.
Ungeachtet ihres Streites um die väterliche Hinterlassenschaft, kamen die beiden Brüder fast ein Jahr lang ziemlich gut mit einander aus, bis der eine Werner geheißen sich mit einer ehrbaren Bürgerstochter verlobte und mit deren Heiratgute dem Bruder das Recht auf sein Anwesen abkaufen wollte. Als er aber dieses offenbarte, war sein Bruder vor Zorn ganz außer sich. »Mein väterliches Erbe verkaufe ich um ein Kaisertum nicht,« schrie er trotzig. »Bestehst du aber so sehr auf dem Besitze desselben, wohlan, du kannst es umsonst erhalten oder du musst ihm für immer entsagen. Lass uns streiten; der Sieger mag Herr des Hauses sein!«
Des Bruders höhnische Rede erzürnte auch Werner und rasch griff er, ohne sich nur noch einen Augenblick zu bedenken, nach dem Seitengewehr, das damals jeder Mann an seiner Hüfte trug und in wenig Augenblicken hieben und stachen beide Brüder wütend aufeinander los und der entsetzliche Kampf endete erst, nachdem Werner durch einen Stich in die Brust getroffen mit lautem Aufschrei zu Boden stürzte.
Es war als ob dieser Anblick die Denkungsart des kaum so leidenschaftlichen Klaus gänzlich veränderte. Denn außer sich vor Schreck stürzte er zu dem Hingesunkenen und bemühte sich das Blut zu stillen, das aus dessen Wunde quoll; doch vergebens. Die Dienstboten waren herbeigeeilt und drängten in ihn, sich zu flüchten, bevor das Gericht sich seiner bemächtige. Willenlos ließ sich Klaus bewegen, ein Pferd zu besteigen, aber dann ritt er, als wollte er dem eignen schmerzlichen Bewußtsein entfliehen, im sausenden Galopp über die Donaubrücke und über die Haide. Ihm begegneten Dienstmannen des Ritters von Ellerbach, der eben im Begriffe stand, mit Herzog Leopold von Österreich in den Krieg gegen die Schweizer zu ziehen. Schnell trat Klaus in dessen Dienste und bald brach man von Burgau auf.
Wohl war es ein schönes Ritterheer vom Kopf bis zum Fuß geharnischter Mannen, das Herzog Leopold gegen die Schweizer führte, welche nicht viel andere Waffen besaßen als unerschrocknen Mut und das Bewußtsein für Haus und Hof, Weib und Kinder zu fechten. – Bei Sempach kam es zur Schlacht. Viele hundert Grafen, Freiherrn und Ritter fanden den Tod, auch ihr Anführer Herzog Leopold.
Klaus, der zur Rettung seines Herrn herbeigeeilt war, lag schwerverwundet auf dem Schlachtfelde und glaubte mit dem Tode sein Vergehen gegen den Bruder gut zu machen. Aber als am Tage nach der Schlacht die Schweizer die Toten plünderten, nahm sich einer derselben des Verwundeten an, schützte ihn gegen die Drohungen seiner Landsleute, nahm ihn mit sich nach Haus und verpflegte ihn sorgfältig. Klaus genas wieder und blieb Jahr und Tag im Bauernhause der Schweiz ein düsterer, verschlossener Mann, den man niemals lächeln sah, denn sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe. Endlich nahm er Abschied von der biedern Schweizerfamilie, die ihn nur ungern ziehen ließ und wanderte schweigend der Heimat zu.
Als er aber beim Donautor hereinschritt, fand er das älterliche Wohnhaus nicht, an dessen Stelle standen zwei Häuser, welche sich in ihrem Äußern nur wenig von einander unterschieden. Und als er in die Wohnstube des einen Hauses trat, um zu fragen, wie das sich alles verändert habe, trat ihm gesund und lebensfrisch sein Bruder Werner, den er getötet zu haben glaubte, mit ausgebreiteten Armen entgegen, drückte ihn liebvoll ans Herz und rief: »Sei tausendmal willkommen, liebster Bruder, ich lebe und nimmermehr soll zwischen uns beiden Streit und Unfrieden herrschen!« Und als sich beide von der ersten Überraschung erholt hatten, fuhr er fort: »Siehe ich habe die Ursache unseres Zwistes, das Haus niederreißen lassen, und ließ zwei gleiche Wohnungen errichten, wähle, und willst du diese, so ziehe ich in die andere, willst du jene, so bleibe ich hier!« Und bald begrüßte auch Werners Weib den Bruder des Gemahls und ihre Kinder umsprangen fröhlich den Vetter.
Klaus nahm das leerstehende Haus in Besitz und die beiden Brüder teilten das Wappen, das ehemals die väterliche Schenke bezeichnete. Werner nahm den Reichsadler und Klaus die Krone.
Ohne Zank und Hader lebten die beiden Brüder ferner zusammen, und als Klaus nach Jahr und Tag ein niedliches Schweizermädchen, die Tochter des wackern Landmannes, der ihn vom wüsten Schlachtfelde gerettet, zum Weibe nahm, da war die Freude und der Jubel in Lauingen groß und wohl oft haben seitdem Geigen und Flöten im Gasthof zur Krone aufgespielt und die Fenster von den Tritten der Tanzenden erklirrt, aber niemals so, wie an dem Tage, wo Klaus Hochzeit mit dem Vreneli hielt.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 422-424. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671221
Die schöne Gräfin
Lauingen hatte sich bald zu einem bedeutenden Handelsorte erhoben. Der Adel der Umgegend vereinigte sich hier gern zu Ritterspielen in Scherz und Ernst. Die Straßen, die hierher führten, oft noch Überbleibsel der gewaltigen Römerwege, waren mit Frachtwagen bedeckt, die den Verkehr mit fremden Ländern wie mit näher gelegenen Orten vermittelten. Innerhalb des Ortes wimmelte es von Herrn Bürgern und Mönchen, wie von Gewerbetreibenden und Fremden. Das platte Land suchte hier die Bedürfnisse seiner Not und Üppigkeit und die Ufer und Stapelplätze der Donau waren von geschäftigen Fuhrleuten, Schiffern, Flößern und Holzhändlern bedeckt. Ein einziger Bürger war damals oft reicher, als es heutzutage ein Dutzend sind und konnte Siechenhäuser und Kirchen begaben und auf diese Weise seinen Namen auf die Nachwelt bringen.
Unter den edlen Familien, die entweder für immer oder nur zeitweise ihren Aufenthalt hier genommen hatten, war auch ein adeliges Fräulein, deren Name während hunderte untergingen, bis auf unsere Zeit gekommen ist. Gisela von Schwabeck war weit und breit berühmt in Bayern und in Schwaben, wo doch sonst an hübschen Mädchen kein Mangel ist. Ihre Vorzüge kannte die schöne und reiche Gräfin sehr wohl und so kam es denn, dass von allen den Grafen Freiherrn und Rittern die sie freien wollten, nicht einer war, der ihr anständig war. Sie mochte eben bei jedem denken: „Es wird schon noch ein anderer kommen, der mir besser gefällt!“ Dieser Eine kam aber nicht, dafür aber, was auch Schönheit und Reichthum nicht abwenden können, das Alter. Da kam ihr in den Sinn, nachdem sie alle Vergnügungen der Welt gekostet, auch jene einer stillen klösterlichen Zurückgezogenheit zu genießen.
Sie führte diesen Entschluss aus und stiftete im Jahr 1140 das Nonnenkloster Edelstetten und wurde erste Äbtissin daselbst. Oft dachte sie aber noch an die Jugendjahre, die sie fröhlich in Lauingen durchlebt hatte, zurück, und schenkte daher der Stadt und verschiedenen umliegenden Ortschaften ihre in der Nähe liegenden Güter. Wie wohltätig die schöne und liebenswürdige Gisela gewesen sein muss, geht daraus hervor, dass sie vor ihrem Hause in der Brüdergasse, der heutigen Sonnenwirtschaft, einen Laib Brot auf einen großen noch stehenden Stein legen ließ und auch ein Messer daneben. Jeder Vorübergehende durfte sich nach Gefallen ein Stück davon abschneiden. War der Laib zu Ende, dann musste der Stiftung gemäß ein anderer an dessen Stelle gelegt werden. Heut zu Tage denken wohl wenige Herrschaften so mild wie Gisela. Man rasselt in kostbaren Equipagen von einem Vergnügungsorte zum andern, lässt die Spieltische unterm Geld sich biegen und die Armut Armut sein. Wie mancher arme Student und Handwerksbursche mag, wenn er sich sein Stückchen geschnitten und bevor er zum Tore hinaus zur neuen Wanderschaft schritt, an den Giebel des Hauses hinauf geschaut haben, wo Giselas Bild gemalt ist und vor sich hingebrummt haben: „Hab Dank, Du schöne, gute Maid!“ Wie schade, dass deine freundlichen Augen der Tod schon lange geschlossen hat und ich dir nichts wünschen kann, als: „Der Herr geb dir die ewige Ruhe!“
Quelle: Ludwig Mittermaier: Das Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen, Dillingen, Höchstädt und Donauwörth, Kränzle, 1849, Link: https://books.google.de/books?id=6TBBAAAAcAAJ&pg=PA1
Die St. Leonhardskirche bei Lauingen
Unweit Lauingen, von der Stadt durch die Donau getrennt, liegt in einsamer Abgeschiedenheit, umgeben von Obstgärten, die St. Leonhardskirche. Wir folgen bei Beschreibung ihrer Geschichte einer Schrifttafel, welche seit alter Zeit in der Kirche hing, von Zeit zu Zeit wieder erneuert wurde und ihre gegenwärtige Gestalt der Aufmerksamkeit des Freiherrn J.W.v.Syrgenstein verdankt.
Der erste, der die Idee zu dieser Kapelle fasste, war Meister Balthasar, ein Orgel- und Lautenmacher, welcher dreimal in Rom war; das erste Mal als er dreißig Jahre alt, dann als er fünfzig zählte, wo Gnaden- und als er fünfundsiebzig zählte, wo Jubeljahr war. Er war auch zweimal zu Köln bei der heil. drei Königen- und St. Ursula-Gesellschaft, dann auch oft bei St. Leonhard in Bayern. Allzeit hat er von eigenen Mitteln gezehrt und machte diese Reisen nicht um eitler Ehre, sondern um seines Seelenheils willen.
Ihm erschien in Traume St Leonhard und zeigte ihm die Stadt und den Ort mit der rechten Hand und sagte: »da sollst du mir eine Kapelle bauen.« Doch als er solches den Leuten erzählte, verspotteten sie ihn, weswegen er das Bauen unterließ und sich begnügte, am bezeichneten Orte ein Bildstöcklein aufstellen zu lassen. Doch als er vier Jahre hernach in große Not kam, gelobte er, wenn ihm aus selber geholfen, die Kapelle also zu bauen, wie ihm zweimal geträumt und alsbald ist ihm geholfen. Er fing nun sogleich zu bauen an und als beim Bau viele und große Wunder geschahen, wurden so viele Opfergaben vom Volke gespendet, dass die Kapelle leicht vollendet werden konnte.
Angefangen wurde der Bau um den St. Kreuztag. 1440 und eingeweiht drei Tage vor Galli 1444. Bischof Johannes von Augsburg versprach Allen Ablass, die Almosen hierher geben würden und Kardinal Wilhelm mit noch 13 Kardinälen erteilte unter Papst Sixtus IV. dieser Kapelle ebenfalls Ablass.
Überaus fleißig wurde von der Stadt und deren Umgegend diese Kapelle so lange besucht, bis die Reformation ihre Erfolge auch in der Gegend fand, dann wurde sie fast gänzlich ruiniert und ihre Gerätschaften und Ornate zu profanen Zwecken verwendet; – aber dennoch wurde sie, – man schien Ehrfurcht vor diesem Zeugnisse der Frömmigkeit der Vorältern zu haben, – nicht völlig zerstört. Als aber der unselige dreißigjährige Krieg seinen Fortgang hatte, kam 1646, nachdem früher schon zweimal die Schweden übel gehaust, die französische Armee an die Donau, legte Garnison nach Lauingen und zerstörte weit und breit Alles, was die Schweden verschont hatten. Sie vermehrten die Befestigungen der Stadt, verderbten dabei alle Baumgärten durch Umhauen der Bäume und Herausstechen des zum Schanzen verwendeten Grasbodens. Unter andern schönen Gebäuden wurde auch die St. Leonhardskirche zerstört bis auf die vier Hauptmauern, in deren Inneres ein Roßstall eingebaut wurde. So blieb alles bis zum Jahr 1664, wo bei einer abzulegenden Spitalrechnung auch dieser Kapelle gedacht und beschlossen wurde, sie wieder herstellen zu lassen; hierzu wurde auch gleich eine namhafte Summe angewiesen. So wurde mit Beisteuer der Bürgerschaft und Umgegend der Bau also hergestellt, wie er noch jetzt zu sehen.
Um die Kirche herum ist eine sehr schwere Wagenkette befestigt und es heißt: ein Fuhrmann der in Gefahr kam, nicht nur ein herrliches Gespann Pferde, sondern auch das geladene große Gut zu verlieren, habe sie, als er durch Fürbitte St. Leonhards der Gefahr entgangen, hierher machen lassen.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 396-398. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671108
Jungfer Kümmerniß
Aus alter Heidenzeit hatte sich in Deutschland die Verehrung einer Heiligen eingeschlichen, deren Namen weder ein Kalender nennt, noch die ein Papst je heilig sprach. Ein sehr gelehrtes Buch könnte über diese Mythe geschrieben werden, hier nur die Sage. – Ein heidnischer König hatte eine wunderschöne Tochter, zu welcher viele ihrer Schönheit wegen hingerissen wurden. Dies betrübte jedoch das gute Prinzesschen in hohem Grade und als heimliche Christin bat sie Christus, ihre Schönheit zu verderben und sie hörte gleich eine Stimme schallen: »Wohlan, du sollst mir gleichen!« –
Und von Stund an verwandelte sich ihr weibliches Angesicht in ein männliches, das mit stattlichem Barte geschmückt war. – Ihr Vater war furchtbar zornig, als sie ihm alles gestand und sprach: »du sollst noch mehr deinem gekreuzigten Gotte ähnlich werden,« und nach seinem Befehle kleidete man sein Kind mit einer groben Kutte und ließ ihr von der vorigen Herrlichkeit nur die goldne Krone und die goldnen Schuhe, und nagelte sie mit den Händen an ein Kreuz, wo sie bald starb.
Nach mehreren Tagen zog ein armer Geiger des Weges, dessen Weib und Kinder zu Hause fast verhungerten. Da dachte er, wenn die gute Prinzessin noch lebte, gäbe sie mir gewiß, um meine Not zu lindern, einen ihrer goldenen Schuhe und er fing unbewusst zu geigen an und siehe ein goldner Schuh löste sich vom Fuße der Prinzessin, den der Geiger in die Stadt trug und verkaufen wollte. Doch hier ergriff man ihn und führte ihn zu dem König, der ihn als Dieb des Schuhes zum Galgen verurteilte; doch sprach der König: wenn auf abermaliges Geigen die Prinzessin auch den andern Schuh fallen lasse, sei ihm nicht nur verziehen, sondern er selber wolle Christ werden. Da fiel wieder beim Saitenklange ein Schuh und König und Volk wurden Christen und die bärtige Prinzessin ehrbar begraben.
Unter dem Volk ging schon Jahrhunderte die Mär, wer in große Not komme und sich mit einem Bilde der Prinzessin Kümmernis verlobe, dem werde geholfen, wie jenem armen Geiger. In vielen Kirchen findet man daher auch der Prinzessin gekreuzigtes Bild, so in Lauingen zweimal, wovon das eine die Jahrzahl 1675 trägt. Auch in den Dörfern der Gegend findet man viele, welche jedoch einen andern Ursprung haben. Am Wege von Dillingen nach Steinheim steht einsam das St. Leonhardskirchlein. Aber man schien von hundert Jahren in ihr nicht St. Leonhard, sondern die Jungfrau Kümmernis zu verehren, denn alle Wände waren mit obenerwähnten Bildern bedeckt. Zufällig erfuhr dies ein eifriger Bischof (Umgeltner?) und erteilte den Befehl, sämtliche Bilder binnen kurzem zu verbrennen. Schnell war diese Nachricht in der Gegend verbreitet und die Bauern eilten, die Bilder, welche sie oder ihre Ahnen aufgehängt, vor den Flammen zu retten, so dass die bischöfliche Kommission gar wenig zu zerstören fand.
Als später diese Kapelle in ein Pulvermagazin verwandelt wurde, sagten die Bauern kurzweg: da sieht man wie’s kommt, zu St. Kümmerniszeiten hätte man der Kapelle nichts tun dürfen, aber St. Leonhard hat’s nicht verhindern können. – Die Tradition ist fast verklungen, doch wurde sie einigen Soldaten bekannt, welche mit einem schlechten Weibsbilde, der sie längst müde waren, nächtlicher Weile von Steinheim nach Dillingen gingen. Sie verabredeten sich, aus ihr eine »Kümmernis« zu machen, und nagelten sie wirklich durch die Kleider so geschickt an die Kapellentüre, dass sie, ohne andern Schaden als der Angst, hängen bleiben musste, bis Leute kamen, welche die neue Martyrin erlösten.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 425-427. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671248
Kirchenfrevel zu Lauingen
Im Jahre 1404 wurde in der Pfarrkirche zu Lauingen der Kelch mit den geweihten Hostien entwendet. Für die frommen Einwohner der Stadt war dies ein trauriges Ereignis. Von den Kanzeln ertönten schlimme Prophezeihungen für solch‘ ruchlose Zeiten und Jedermann wünschte sehnlichst, dass der Frevler recht bald entdeckt und der Gerechtigkeit überliefert werde.
Eines Abends, als der Glöckner die Betglocke zog, bemerkte er im Halbdunkel des Glockenhauses eine zusammengekauerte Gestalt; in der Meinung, ein Gespenst zu erblicken, eilte er schnell hinaus, holte seinen Sohn und einige Kameraden aus der Nachbarschaft und begab sich mit ihnen zur nähern Untersuchung in den Turm. Und siehe da, das vermeinte Gespenst war Niemand anders, als ein hier wohl bekannter alter Jude. Umsonst warf er sich auf die Knie und bot Geld, viel Geld; es nützte ihm nichts, er wurde gebunden und dem Gerichte überliefert. Er wurde, als er nicht gestehen wollte, was er in der Kirche zu tun gehabt, gefoltert, und bekannte nun, dass er kürzlich den Kelch entwendet und sich zum zweiten Male in die Kirche geschlichen, um auch die Monstranz, die er das vorige Mal nicht habe mitnehmen können, zu holen.
Die Hostien hatte er in der Flicken, einem unfern der Stadt gelegenen Wäldchen, verborgen. Man führte den Juden dorthin, um die Stelle zu bezeichnen, doch er konnte sie nicht mehr finden. In der darauf folgenden Nacht vernahm jedoch ein Jäger, der spät von der Jagd heimkehrte, am Fuße eines Weidenbaumes wunderbaren Gesang und bemerkte die Hostien, welche vom himmlischen Lichte umgeben über der Erde schwebten. Eiligst lief er hierher und schnell zog die Geistlichkeit im Ornate aus, und wie man den Kelch an die Hostien brachte, schwebten sie von selbst hinein.
In der Spitalkirche zu Lauingen befindet sich ein schönes altes Gemälde, welches diese Szene versinnlicht, auch in Privatbesitze befindet sich ein gleiches. Das erste hat die Umschrift »Anno c†c cccciiij (1404) ist das Sakrament zu Lauingen gestohlen, allda ehrbar wieder erhebt worden.« Renov. 1730 & 1844.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 400-401. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675863
’s Herrgottsruaklöasterli
Lauinger Sage. Von dem Klostergebäude sind nur mehr die Grundmauern vorhanden. Die Zerstörung fällt in frühere Zeit, als jene des 30jährigen Krieges, an welche die Sage hält
‚S ischt a mol a bildschöas Mädli z’Lauinga gwea, dia ischt a Klostarfro woara, weil ihr ihr Vater ihran Schatz öt zuam Maa gea hott. ’s Kloastr wo sie Nonn woara ischt, ischt dau dusa gstau, wo ma da Berg ins Weihgoi nah gat. Sellmol hat der wild Schwed im Land ghaust u. ihr Schatz ischt beiam Soldat woara u. hat’s bis zum Offizirer braucht. Er ischt wiedar int Gegat komma u. hat se mit der Nonn verschwoara, sie ausm Klostar zholla u. älles Gold u. Silber so im Gotteshaus drina lieg mit se znehma. Der Offizirer ischt richti in dr Nacht komma, aber ’s Ding hatn Lärm geba u. Dianstbota im Klostar hant se gwehrt u. durch a Ungschick hat der Offizirer sein oigana Schatz, die sell Nonn, verschossa, u. wie er fürchti jomarat hat, hant seine Leut ’s Kloastar in Brand gsteckt u. dös ist verbronna.[398]
Sei Lebtag hat ma vom Offizirer öx meh ghört; d’Nonn aber hot ma oft gseha, den se got als Goischt um, und der waus erlösa thuat, griegt a ganza Truha voll Geld.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 398-399. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675847
Balladen und Gedichte
Der Mohrenkopf im Lauinger Wappen
Ein Schuster war zu Lauingen, im Frieden flickt‘ er Schuh,
Im Kriege schlug er ritterlich mit seiner Klinge zu.
Da kamen die Hungaren von Osten in das Land
Auf ihren schnellen Rossen mit Morden und mit Brand.
Bei Augsburg auf dem Lechfeld geschah die große Schlacht,
Da hat der Kaiser Otto den Hunnen warm gemacht.
Da war auch unser Schuster von Lauingen dabei,
Der schlug gar manchen Schädel auf einen Hieb entzwei.
Ein Goliath der Andre im Hunnenheer sich fand,
Wohl mancher deutsche Degen erlag von seiner Hand.
Da kam der wackre Schuster von Lauingen daher:
»Ei! lasset mich zusammen mit diesem alten Bär‘.«
Nun ging ein scharfes Klingen der blanken Schwerter los,
Es dröhnten Schild und Panzer von manchem harten Stoß.
Ein Hieb durchbrach den Schädel, er stürzt: Victoria!
Da lag der große Esel in seinem Blute da.
Und lauter Jubel schallte durch’s ganze deutsche Heer,
Der Kaiser selber eilet auf seinem Roß daher.
Und eine goldne Kette, ein Mohrenkopf daran,
Die hängt der deutsche Kaiser dem braven Schuster an.
Darnach beschloss zu Lauingen ein hochwohlweiser Rat,
Zu ehren eines Lauinger Schuhmachers Heldentat:
»Es soll derselbe Mohrenkopf hinfort im Wappen stehn.«
Und also ist zu selber Stund‘ in Lauingen gescheh’n.
Von Alexander Schöppner. – Variante der vor. Sage. S. das Sagenbuch der Städte Gundelfingen, Lauingen etc. Augsburg 1849.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 46-47. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005667682
Brauchtum und Sprichworte
Die Roßdiab speisn
Lauinger Mundart. Mit Abweichungen durch ganz Schwaben gangbar
Nacher groaßa Viehseucha hatr Bischof öll in Ba thoa, die Vieh‘, aber vor ällä am strengsta die Roß stehla went, u. zwoar habn’s ött int Kircha gau därfa u. au ött beichta u. ött speisa. Ein gar argar Roßdiab hätt nu währli geara mit andere ährliche Leut sein österli Beicht u. Komiau gemacht, aber s’Gwissa hotm weganam Ba doch an Stüpfer geh u. er hat se ött traut. – Aber d’Schand hatr ött auf se hau möga u. so hotr am letzta Sontig mitgmacht, u. dös seini Spießgsella verzählt, u. dia hants itz älli Jaur au so gmacht, u. wau oiner in Schwauba sei österlicha Christasach bis auf’s Letzt verschiabt, sätt ma zuam: Du wörst gau au mit de Roßdiab speißa!
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 397-398. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005675839
³ Die historischen Texte habe ich zur besseren Lesbarkeit „sachte“ an die gültige Rechtschreibung angepasst, historisch überholte Begriffe jedoch belassen. Die historischen Postkarten wurden von mir retuschiert, Flecken und Schrift habe ich entfernt und die Karten in Farbe und Kontrast geändert, manche auch digital coloriert.
Literatur
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