Sigmaringen – Geschichte und Kunst
Unterkapitel
Allgemeines
Residenzstadt der Fürsten von Hohenzollern, Sitz der Königl. preuss. Regierung für die hohenzollerischen Lande, liegt 53,6 km südöstlich von Hechingen zu beiden Seiten der Donau und war früher die Hauptstadt des Fürstentums-Hohenzollern-Sigmaringen. Es wird 1077 Sigimaringin, 1083 Sigmaringin, 1103 Simeringen, wie es im Volksmund noch heute heißt, 1273 Sigmäringen und von da ab Simeringen und Sigmaringen genannt. Wenn Sigmaringen auch nicht zu den frühest erwähnten Städten Hohenzollerns – es tritt historisch erst 1077 auf – zählt, so gehört es doch zu den ältesten Ansiedlungen Schwabens.
Zahlreiche vor- und frühhistorische Funde verschiedenster Art, worunter Geräte und Werkzeuge aus Stein und Knochen, beweisen sein hohes Alter. Grabhügel, in Felsen gehauene Gräber, sonstige Reihengräber zeigen, dass der Ort fortlaufend besiedelt war. Wenn auch für die Annahme. der Hauptturm des fürstlichen Schlosses sei römischen Ursprunges, kein Beweis erbracht ist, so war Sigmaringen doch ganz unzweifelhaft ein bedeutender Punkt unter der Römerherrschaft. Dafür zeugt außer zahlreichen Anticaglien und Überresten früherer römischer Gebäude in der Nähe der Stadt ein vollständiges Netz römischer Straßen, welche ich durch eigene Untersuchungen festgestellt habe. Ja ich bin sogar der Ansicht, dass besonders auf der linken Seite der Donau eine große römische Niederlassung bestanden hat.
Seinen Namen leitet der Ort von einem unbekannten Sigimar oder Sigmar her, welcher seinen Sitz höchst wahrscheinlich an der Stelle hatte, auf welcher das fürstliche Schloss steht. Im Jahre 1077 belagerte der Gegenkönig Rudolf von Schwaben Sigmaringen vergeblich. Vom genannten Jahre bis 1254 war es im Besitz eines Grafengeschlechtes, das sich nach ihm nannte. 1254 fiel es durch Erbschaft an Ulrich Graf von Helfenstein. Stadt wird Sigmaringen urkundlich zuerst 1290 genannt. Da es aber schon 1275 einen Schultheiss (scultetus) besaß, so war es schon früher Stadt, ein Schluss der durch sein Wappen, das auf die Helfensteiner (1254-1273) zurückzuführen ist, bestärkt wird. Das Sigmaringer Wappen, welches mithin ein sehr altes ist und sich der Zeitgrenze 1230 nähert, über welche hinaus Städtewappen Seltenheiten sind, besteht aus: In r. Felde auf gr. Hügel ein schreitender g. Hirsch. Dieses Wappen ist aber auch das Wappen der Grafschaft Sigmaringen und somit als solches ein Bestandteil des Wappens der Könige von Preußen und der Fürsten von Hohenzollern.
Mit 1273 kam Sigmaringen an Graf Ulrich von Montfort, dessen Sohn Hugo Stadt und Grafschaft an das Haus Habsburg 1290 verkaufte von welchem sie 1325 an die Grafen von Württemberg kamen. 1399 gelangten sie als Reichslehen an die Grafen von Werdenberg und nach Aussterben derselben 1534 an die Hohenzollern. In diesem Jahre belehnte Kaiser Karl V. den Grafen Karl I. von Hohenzollern, den Gründer der Linie Hohenzollern-Sigmaringen, mit der Grafschaft. Graf Karl I. vereinte nach dem Tode des Grafen Jos Niklaus von Zollern, seines Oheims, den sämtlichen Besitz des Hauses Hohenzollern in seiner Hand und ist somit Stammvater der Linien Hohenzollern- Hechingen, Sigmaringen und Haigerloch, über jede von denen er einen seiner Söhne setzte. Unter den 1623 in den Fürstenstand erhobenen Grafen von Sigmaringen blieb Stadt und Land bis 1849, wo es an die Krone Preußen fiel. Das Fürstenhaus trug sehr viel zur gedeihlichen Entwicklung der Stadt, die ehedem klein und unbedeutend war, bei. Erst 1698 wurde die einengende Stadtmauer auf der Südseite ein wenig geöffnet. Hervorragende Verdienste um Stadt und Land erwarben sich ganz besonders die Fürsten Anton Aloys, gest. 1831, Karl, gest. 1848 und Karl Anton, gest. 1885.
Pfarrkirche
Die katholische Pfarrkirche, dem hl. Johannes Ev. geweiht, ist die ursprüngliche Schlosskirche. Bis 1464 gehörte Sigmaringen als Filial nach Laiz, wurde dann aber auf Verwenden des Grafen Hans von Werdenberg zur Pfarrei erhoben und die Schlosskapelle zum hl. Johannes zur Pfarrkirche kreiert. Der jetzige Bau stammt aus den Jahren 1757- 1761. Es ist ein einfacher Bau in Kreuzform, ohne besondere architektonische Gliederung. Die Stuckornamentik verfertigte J.M.Feuchtmayer aus Augsburg, während A.M. von Ow die Deckengemälde malte. Den Plan der Kirche entwarf Baumeister Grossbayer aus Haigerloch. Über dem Eingangsportal die Jahreszahl
MDCCLVII.
Das mittelmäßige Bild des Hochaltars, der wie die vier übrigen Altäre hübsche Stuckarbeit aus der Zeit des Kirchenbaues hat, ist ebenfalls von M.J. von Ow, renoviert 1890 von Maler G. Bregenzer in Sigmaringen. Die Bilder der beiden Seitenaltäre sind neu. Der Turm steht an der Westseite der Kirche.
Turm
An der Nordseite des Turmes befindet sich eine Steintafel mit dem Hohenzollern- Öttingen’schen Allianzwappen. Darunter die Inschrift:
Anno 1580 haben der wohlgeboren Herr Herr Carl Graf zu Hohenzollern-Sigmaringen und Föhringen, Herr zu Haigerloch und Wehrstein des hailigen Römischen Reichs Erbkämmerer Ihre Kais. Majestet Rath …. des Erzherzogs Ferdinanden zu Oestreich und Landeshauptmann der Grafschaft Hohenberg und die hochwolgeborne Frau Maria Euphrosine Gräfin zu Hohenzollern, geb. Gräfin von Oettingen diesen Thurm zu bauen angefangen.
Inneres
Am Hochaltar rechts und links die großen Holzfiguren der Heiligen Petrus und Paulus, stark bewegt, aus der Zeit des Kirchenbaues. An der Südwand des Chors ein 1,30 m h., 0,75 br. Sandstein mit dem gut ausgeführten Hohenzollerischen Wappen. Darunter die kaum noch zu entziffernde Inschrift (lat. Kapitalschrift):
Grabstein
SEPVLTVRA.ILLVS….MORTV…M.PRINCIPVM.ET.COMI.TVM HOCHZOLLERN.SIGMARINGEN.ET.VERINGEN.DOMINORVM.IN.HAIGERLOCH. ET.WERSTEIN.CAMMERARIORVM.HERET.IMPERII.Et……..SORORVM……..CONIVGVM. ET.LIBERORVM.1659
Der Stein lag ehedem im Chor über der hier befindlichen fürstlichen Gruft, welche 1844 nach Hedingen verlegt wurde. An der Decke vor dem Triumphbogen in schöner Stukkaturumrahmung das Hohenzollerische Wappen.
St. Fidelistüre
In dem nördlichen Seitenschiff an der Ostseite eine 1,20 m h. und 1,10 m br., stark versilberte Doppeltür, die St. Fidelistüre, in 16 Felder eingeteilt. In diesen Feldern die Figuren der 14 Nothelfer auf gemustertem Grund, dann die hl. Jungfrau in einer Aureole und als 16. Tafel ein kniender Ritter mit dem Werdenbergischen Wappen, wahrscheinlich der Stifter der Türe. Die Figuren des aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammenden Kunstwerkes sind von verschiedenem künstlerischem Wert, einige wenig gut, andere wie der hl. Georg, der noch den Charakter des 15. Jahrhunderts zeigt und der Werdenbergische Ritter, besser. Die Türe befand sich früher im fürstlichen Schloss, wurde dann von Fürst Josef Friedrich hierhin gestiftet zum Verschluss der Nische, in welcher die Wiege des hl. Fidelis, eine Eichenholzschnitzerei, aufbewahrt wird.
Liturgische Gefäße und Gewänder
Eine 0,88 m hohe Strahlenmonstranz, Silber vergoldet, 1765 von Erbprinz Karl von Hohenzollern-Sigmaringen gestiftet, Augsburger Beschauzeichen. Die zweite kleinere und geringere Monstranz von demselben.
Eine Kreuzpartikel, Zopf, Stiftung der Fürstin Johanna, gest. 1787.
1 Kelch 0,195 m hoch, Silber, vergoldet. Der Kelch stammt in seinen meisten Teilen vom Ende des 14. Jahrhunderts und ist eine schöne Arbeit. Auf dem 0,13 m breiten Fuß in Vierpass 4 Medaillons, blaues Email auf Silber. Sie stellen der Reihe nach dar: Maria mit dem Kinde, Geißelung, Kreuzigung und Auferstehung. Neben dem Kreuz kniet die Figur des Stifters mit zum Crucifixus erhobener Hand. Es scheint, dass er in der Hand irgend einen Gegenstand hielt, der ausgebrochen ist. Über dem Stifter auf einem Spruchband in gotischen Majuskeln:
Ora pro me.
Der starke Knauf hat 6 Auswüchse, welche ebenfalls mit blauem Email geziert sind. In Silber graviert die Brustbilder der Heiligen Johannes Bapt., Johannes Ev., Bartholomäus, Jakobus, Paulus und Petrus.
2. Kelch, Silber, vergoldet, gute Arbeit vom Anfang des 18. Jahrhunderts, schön ornamentiert. In einem Medaillon des hohen gebuckelten Fußes die Buchstaben:
M.C.T.V.E.Z.Z.G.G.Z.B.. Memento mei,
darunter ein springender, gekrönter, doppelt geschwänzter Löwe. Augsburger Beschauzeichen. Buchstaben I.L.
3. Kelch, Silber, vergoldet, einfacher. Zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Augsburger Arbeit. Buchstaben I.H.
Eine Kasel von rotem Seidensamt. In großer Aureole in Gold- und Seide- Hochstickerei Thomas vor dem auferstandenen Heiland. Rechts die Buchstaben: M.V.G., links G R A F, unten rechts das Werdenbergische, links das Heiligenbergische Wappen, dazwischen die Jahreszahl 1504. Verschiedene Messgewänder aus der zweiten Hälfte des 18 Jahrhunderts.
Reliquiar, Armspinde des hl. Fidelis, Silber, an der Hand hängt ein silber-vergoldetes Medaillon mit Porzellanmalerei, darstellend die Familie der Stifter knieend vor dem in der Apotheose erscheinenden hl. Fidelis. Auf der Rückseite die Buchstaben
I.F.F.Z.H.Z.M.F.F.Z.H.Z.C.I.P.Z.H.Z.M.A.C.Z.H.Z. – A. 1732 Die 16. Martii.
Oben rechts das Hohenzollerische, links das Öttingen’sche Wappen.
Glocken
1.Glocke:
Carl Grave zv Hochenzollern-Simering vnd Veringen Herr zv Haigerloch vnd Werstein des heiligen Remischen Reichs Erbchamerer Fürstlicher Durchleichtigkeit Rhat Obest Hauptmann vnd Landvogt in Obern-Elsass auch Hauptmann der Herrschaft Hohenberg.
Darunter das Hohenzollerische und das Öttingen’sche Wappen mit der Jahreszahl 1578. Ferner:
Hans Frey zvo Kempten hat mich gosse.
Ganz unten:
Evfrasin grevin zv Hochenzollern geb Grevin zv Öttingen zv Gottes Ehre vnd Andacht Sachen lies man mich machen. Darum schrei ich mit hellem Klang, das Jedermann in Kirchen gang.
Die 2. Glocke hat dieselbe Aufschrift und Jahreszahl
3. Glocke:
Carol Graf zv Hochen Zollern Simaring Landvogt in Oberelsass Elisabeth Gräfin zv Hochen Zollern geborne Grefin von Culenburg. Anno domini 1607.
Bis Oberelsass gotische Majuskeln, dann lateinische Schrift. Zwei Wappen, das Hohenzollerische und Culenburgische.
4. Glocke neu, 1876
Die 5., kleinste Glocke, 0,64 m hoch und am weit ausgeschweiften Rand ebenso breit, hat eine schlanke, birnenförmige Gestalt und weitet sich erst am Kranz. Sie ist sehr alt, trägt keine Aufschrift oder Jahreszahl.
Hedingen Kirche und Kloster
Im Süden der Stadt liegt das ehemalige Kloster Hedingen, welches um das Jahr 1346 als Dominikaner-Nonnenkloster gestiftet, 1597 aufgehoben, dann 1624 wiederum als Franziskanerkloster eingerichtet und 1803 aufgehoben wurde. In den Räumen des ehemaligen Klosters befand sich bis 1893 das königliche katholische Gymnasium. Die Kirche, jetzt fürstliche Gruftkirche, zugleich als Gymnasialkirche dienend, wurde 1680 bis 1682 an Stelle einer früheren älteren Kirche erbaut. Der Kuppelbau ist neu, errichtet unter Fürst Leopold von Hohenzollern durch den fürstlichen Baurat de Pay, An der Nordseite der sehr einfach im Stile der Erbauungszeit gehaltenen Kirche schliesst sich eine kleine, durch ein einfaches Eisengitter abgeschlossene, mit gefälliger Stuckornamentik und Plafondmalerei geschmückte Kapelle aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts an. Über dem Eingang das Hohenzollern-Truchsess-Waldenburgische Allianzwappen. An der Ostwand der Kapelle befindet sich der Grabstein der Fürstin Johanna Catharina Victoria, geb. Gräfin von Montfort, Gemahlin des Fürsten Meinrad II., gest. 1759. Unter dem Hohenzollerischen und Montfort’schen Wappen steht folgende Inschrift:
Steh stILL MeIn Leser
VnD hIer reIff betracht
Die Eitel Welt zugleich veracht
Da ligt Joanna von geburths Ort
Eine edle Reichsgräffin von Montfort.
In Sigmaringen durch Fünffzig Jahr
Eine grosse Fürstin allda Sie war
Die mit ihrem Tugenglantz
Beleuchtet hat ihr Herrschaft gantz
Bis endlich der 26igste Jenner in disem Jahr
Die achtzig jährig Furstin warff in Todtenbahr
Auf dem vorerwähnten Eisengitter das nachstehende Chronogramm:
FaCta sVb Iosepho sIC MoDo PrInCeps antonIVs.
Ein Kelch, Silber, vergoldet, Rokoko, Augsburger Arbeit.
Eine kleine Glocke im Dachreiter mit der Aufschrift:
anno 1751 gos mich Peter Ernst in Lindau.
Josefskapelle
Im Süden der Stadt auf dem Josefsberge die St. Josefskapelle, ein einfacher achtseitiger Kuppelbau von 1789. Das Innere ist mit gefälliger Rokoko-Stuckornamentik geschmückt. Die Kuppel wurde von J.I. Wegscheider 1789 ausgemalt. Apotheose des hl. Josef. Oberhalb der Türe eine kleine, unzugängliche Loge, darüber das Chronogramm:
QVoD Ioseph aVVs aMpLIVICaVIt hoC reno VaVIt orna VItqVe antonIVs
und das von der Fürstenkrone überragte Hohenzollern-Salm- Kyburgische Allianzwappen. Das Bild des hübschen Rokokoaltars, Vermählung Mariä von v. Ow? Der Josefsberg hieß früher Scheibenberg und schon 1629 ließ Fürst Johann hier eine Kapelle neu erbauen oder restaurieren.
Residenzschloss
Das fürstliche Residenzschloss liegt malerisch auf einem von West nach Ost bis zu einer Höhe von 36 m über der Talsohle ansteigenden, schroff abfallenden Felsen, dessen Fuß von den Wellen der Donau umspült wird. Dasselbe zeigt nur wenige Kunstformen; auch ist der Charakter der einzelnen Teile, welche im Laufe der Zeit entstanden sind, durch spätere Umbauten beinahe ganz verwischt worden. Trotzdem gewährt es mit seinen altersgrauen Mauern und hohen Dächern einen imposanten und malerisch schönen Anblick. Die ältesten Teile sind Reste einer früh-mittelalterlichen Burg, deren Anlage in den Hauptzügen noch mit ziemlicher Sicherheit festzustellen ist. Von dieser Burg ist der Hauptturm auf ziemliche Höhe, sowie das anstossende Tor und beträchtliche Überreste der ehemaligen Umfassungsmauern erhalten.
Der Turm 8.30 m im Geviert, mit 2,65 m Mauerstärke, ist aus mächtigen Bossenquadern mit Randschlag geschichtet. Derselbe wurde früher vielfach auf römischen Ursprung zurückgeführt, ist aber nach der Struktur des Mauerwerks nicht vor der Mitte des 12. Jahrhunderts errichtet worden.
Das rundbogige Tor hat ein einfaches Kämpfergesims aus Platte und Schräge bestehend. Der Bogen ist aus glatten Quadern erstellt, während das übrige Mauerwerk ebenfalls Bossenquadern zeigt.
Der untere Teil des südlich an den Turm anstoßenden Baues, sowie der der Waffenhalle, gehört derselben Zeit an. Auch diese Mauern sind aus mächtigen Bossenquadern gefügt und haben eine bedeutende Stärke, wohl aus dem Grunde, weil hier der Felsen flacher abfiel und diese Seite dem Angriff mehr ausgesetzt war. Der Felsen ist künstlich abgearbeitet. Weitere Mauerzüge, die jedoch nur als Umfassungsmauern gedient haben dürften, sind in den Außenmauern des nun abgebrannten höchsten Teiles des Schlosses zu erkennen. Die äußerste (nordöstliche) Ecke ist abgerundet und scheint auf einen Rundturm hinzuweisen. Der ehemalige Pallas dürfte in einem rechteckigen Bau zu suchen sein, der an den Küchenbau anstößt und dessen südwestliche Ecke im Schlosshofe sichtbar ist, während die südöstliche beim Abbruche des abgebrannten Flügels freigelegt wurde. Nach der Donauseite sind hier noch Teile eines Rundbogenfrieses auf einfachen Konsolen erhalten.
Der jetzt abgebrannte Teil des Schlosses, der die östliche Seite einnahm, bestand aus zwei Bauten, die zeitlich wenig auseinander liegen. Sie gehören zu jenen Bauten, die von den Werdenbergern Ende des 15. Jahrhunderts errichtet wurden und in der Zimmer’schen Chronik erwähnt werden. Der vordere Bau ist wohl der ältere; er hat ein Wendeltreppentürmchen, auf dessen spätgotisch profiliertem Türsturz die Jahreszahl 1499 eingehauen ist. Durch einen im spitzen Winkel zulaufenden Hof von diesem Gebäude getrennt stand sodann ein zweiter, annähernd rechteckiger Bau, der nach Norden und Süden Steingiebel hatte. Die beim Abbruche teilweise wieder aufgefundenen Fenster zeigen einfache spätgotische Profilierung und steinerne Mittelpfosten. Im Innern dieses Baues eine steinerne Wendeltreppe mit hübsch profilierter Treppenspindel. Hier befand sich auch die Schlosskapelle. Diese Teile wurden im 30jährigen Kriege durch die Schweden in Brand gesetzt und nachher in der Weise, wie sie bis zum letzten Brande bestanden, unter einem großen Dache vereinigt, mit Zuziehung des dazwischen liegenden Hofes. Dem Anfange des 16. Jahrhunderts gehört sodann der Torbau mit den beiden Rundtürmen an. Derselbe ist einfach verputzt und hat Schießscharten. Er wurde jedenfalls auch noch von den Werdenbergern errichtet.
Das über dem Schlossportal befindliche Steinrelief, eine treffliche Arbeit aus dem Jahre 1526, zeigt schon ganz den ausgeprägten Renaissance-Charakter.
Die Mitte der durch zierliche Pilaster eingerahmten und mit flachem Bogen überspannten Nische nimmt eine ausdrucksvolle Pietà ein, zu deren Linken ein Ritter in reicher Rüstung kniet. Rechts das Werdenberg-Heiligenberg’sche Wappen. Der Hintergrund ist durch ein reiches Teppichmuster dekoriert. In dem flachen Bogen zwischen Laubgewinden ein Spruchband mit der Inschrift:
Mater Dei memento mei.
Am untern Rand die Inschrift:
Felix graff zu werdenberg un zu dem hailgenberg. 1526
Die Bemalung ist angeblich erneuert. Über dem Relief ein hohenzollerisches Wappen und oberhalb desselben ein figurenreiches Ölbild: Burggraf Friedrich von Nürnberg überbringt Rudolf von Habsburg in das Lager zu Basel die Nachricht von seiner Erwählung zum deutschen Kaiser.
Der Aufbau hierüber bis an den Hauptturm und der Bau an der Südseite des Turmes rühren aus dem Jahre 1627. Im fürstlichen Archiv wird ein Vertrag mit Meister Hans Albertal von Dillingen wegen ‚Abbruch des Dachwerks am grossen Turm und den beiden Seiten, sowie den weitern Teil und den zwei vorderen Türmen‘ aufbewahrt, der nicht ohne Interesse ist. Auch scheint Albertal gleichzeitig die Mauer der jetzigen Waffenhalle erneuert zu haben.
Einem nochmaligen Umbau scheinen die vorderen Teile, die heute mit dem Sammelnamen Fürst Josefs-Bau belegt werden, im Anfange des 18. Jahrhunderts unterzogen worden zu sein.
Zu den Umbauten der letzten Jahrzehnte gehören die Erhöhung des Hauptturmes, der Aufbau des daneben liegenden Wendeltreppentürmchens und die Kunsthalle.
Durch den am 17. April 1893 entstandenen Brand wurden dieselben Teile, die schon im 30jährigen Krieg eingeäschert wurden, wieder zerstört. Dieselben werden in diesem Jahre wieder aufgebaut.
Schlosskapelle
Der Altar der Schlosskapelle besitzt einen geschnitzten Altarschrein, der schwäbischen Schule angehörig, vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Von der geschmackvollen und reichen, jedoch meist neuen Ausstattung, sowie den liturgischen Geräten sollen hier nachfolgende Reliquiarien erwähnt werden, welche aus fürstlich Hohenzollern-Hechingen’schem Besitze stammen:
1. Ursula-Büste. 0,61 m hoch, 6,37 (??) m breit, Silber, teilweise vergoldet, Brust und Rücken in schöner Lilienornamentik, Flacharbeit, getrieben. Vorne auf einem Schildchen:
15 HOC 93
SACRVM CAPVT EST EX RELIQVIIS SANCTARVM VNDECIES
MILLE VIRGINVM SODALIVM S VRSVLAE
Rechts hiervon der Hohenzollerische, links der Zimmerische Herzschild, doppelköpfiger Adler, I und 4 steigender Löwe mit Axt, 2 und 3 steigender Löwe ohne Axt.
2. Sixtus Büste 0,69 m hoch, 0,36 m breit, Silber, viel vergoldet. Die Gewandung ist in reicher, schöner Silber- und Gold-Ornamentik dar gestellt und teils gleich der Tiara mit bunten Steinen besetzt. Vorne die Inschrift:
HOC
SACRVM CAPVT EST SANCTI SIXTI PAPAE ET MARTYRIS. 1595
Auf dem Rücken die hl. Jungfrau Maria mit dem Kinde in Aureole. Darunter das obige Allianzwappen.
3. Agnes-Büste 0,57 m hoch, 0,30 m breit, Silber, teilweise vergoldet. Bord, Halsband und Krone mit bunten Steinen besetzt. Auf der Vorderseite:
HOC
SACRVM CAPVT EST SANCTAE AGNETIS VIRGINIS ET MARTYRIS.
Ohne Jahreszahl, aber derselben Zeit angehörend. Dasselbe Allianzwappen wie oben, nur dass das hohenzollerische links steht. Originell ist das mit zierlichen Rosetten besetzte Haarnetz.
4. Martins- Büste 0,71 m hoch, 0,36 m breit, Silber, vergoldet. Die Borten der Gewandung sowie die Bischofsmütze sind vergoldet und mit bunten Steinen besetzt. Ohne Wappen, Inschrift oder Jahreszahl. Die Arbeit ist geringer als die der vorhergehenden Büsten.
5. Reliquiar in Armform, 0,65 m hoch, 0,20 m breit, Silber, vergoldet, teils mit bunten Steinen besetzt. Auf einem Schildchen: DE.S.LEONE.PAPA
Fortsetzung folgt.