Albertus Magnus – Der Heilige des Allgäus
Albertus Magnus oder Albert von ➥ Lauingen, * um 1200 in oder bei Lauingen an der Donau; † 15. November 1280 in Köln, war ein deutscher Gelehrter und Bischof. Er gilt als Schutzpatron des Allgäus. Um ihn ranken sich zahlreiche Sagen und literarische Texte, die im Folgenden gesammelt werden.
Andere Namen: Albert von Köln, Doctor Universalis, auch Albertus Theutonicus, Albertus Coloniensis; Albert der Große, Albert der Deutsche; gelegentlich auch fälschlich Albert Graf von Bollstädt und Albertus Magnus von Bollstädt genannt.
Albertus Magnus war als theologisch-philosophischer Schriftsteller wegbereitend für den christlichen Aristotelismus des hohen Mittelalters. Er lehrte in Köln und Paris. Im Jahr 1622 wurde er selig- und am 16. Dezember 1931 von Papst Pius XI. heiliggesprochen und zum Kirchenlehrer erklärt.
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Sagen, Mythen und Geschichten
Albertus Magnus rettet den Papst
Bruder Albrecht war wohl bekannt mit dem Papste. Es geschah aber, dass er mit demselben lustwandelte und sie wollten in einem Schifflein auf der See fahren und nahmen nur wenige von des Papstes Dienern mit sich. Nicht lange darnach sah der Papst wohl sieben Schiffe mit Kriegsvolk, das war wohl geharnischt und wohl bewehrt. Der Papst begann zu verzagen und das mochte er wohl mit Recht, denn sie umringten sein Schiff und kamen näher, um ihn zu fangen; von Sicilien waren sie und Manfred (Kaiser Friedrichs II. Bastardsohn) hatte sie gesandt, weil der Papst Herrn Friedrich mit seinem Bannfluch belegt hatte; das wollten sie rächen an ihm und hatten alle Tritte des Papstes erspäht. Hätte Bruder Albert ihn nicht geschirmt, er wäre ihnen nicht entgangen. Große Angst befiel den Papst und Alle, die mit ihm waren, nur nicht Bruder Albert.
»Ergebt euch,« riefen die Feinde, »oder ihr seid des Todes!« Der Papst sprach: »Was sollen wir tun, lieben Freunde? Ist keiner unter euch, der uns raten kann, wie wir entkommen mögen?« Bruder Albert sprach: »Herr, ich könnt‘ uns wohl von ihnen befreien, aber es wäre gegen euer Gebot. Hätt‘ ich Urlaub hier, meine Kunst zu gebrauchen, sie sollten Alle fliehen in Furcht und Angst.« Der Papst sprach: »Albert, tu‘ das, ich gebe dir Urlaub dazu für nun und für dein ganz Leben; tust nichts Arges damit, dann absolviere ich dich von aller Sünde dabei.« Das hatte der Papst kaum gesagt, als die Andern flohen, wie wenn der Teufel sie gejagt hätte, so großer Schrecken überfiel sie; sie meinten, die ganze Welt wäre über sie hergefallen. Also wurde der Papst gerettet durch Bruder Albert und kam ohne einigen Schaden nach Rom. Bruder Albert hatte aber dadurch die Erlaubnis gewonnen, frei und sonder Sünde die schwarze Kunst zu üben.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 416-417. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671191
Wie Albertus Magnus einen Neugierigen strafte.
Ein landfahrender Schuhmacher kam einmal nach Köln. Oftmals hatte er von dem großen Wunder sagen hören von Bruder Albrecht, dacht‘ nun bei sich selber: »Sollten all‘ diese Dinge wahr sein, wie möcht‘ ich sie dann wohl erproben.« Er kam mit seinem Schnappsack zu Bruder Albrechts Wohnung und fragte dreist, wo Bruder Albrecht wär‘? Der Knabe frug‘ ihn, was er wollt‘? Der Andere sprach, er müsste Herrn Albrecht sehen und sprechen. Da ging der Knabe zu Albrecht und meldete ihm, ein Jüngling mit einem Schnappsack wollt‘ ihn sprechen und ich glaube, er kennt euch wohl. –
»Geh hin und frage ihn, was er wolle und lass ihn dir seine Botschaft künden, ich habe sogleich mein Werk gethan.« Der Knabe that also, aber der mit dem Schnappsack sprach: »Ich muß nun einmal mit dem Herrn selber sprechen; geht und sagt ihm das und ich wolle nicht von hinnen scheiden, ehe ich ihn sah und sprach. Sollte ich euch mein Geheimnis sagen, warum ich hierher kam? Nein, ich sag’s ihm selber, bei Gott!« Da ging der Knabe und brachte Bruder Albrecht die Antwort und Albrecht ließ den Jüngling vor sich kommen in seine Zelle und frug‘ ihn, was er wollte?
Der sprach: »Meister, ich habe nun schon manch‘ seltsam Wort über euch reden hören, von Gauklereien und Behendigkeit und komme nun euch zu bitten, dass ihr mir etwas von euren Künsten zeigt, damit ich dem Gerede glauben könne.« – »Knabe, kamst du darum zu mir und wolltest du darum mich sprechen?« fragte Bruder Albrecht und der Andere sprach: »Ja sicherlich und heute gehe ich nicht von euch, ihr hättet mir denn etwas von eurer Kunst sehen lassen.« Bruder Albrecht sprach freundlich: »Gib mir deinen Sack, ich will auch nicht, dass du von mir scheidest, sonder etwas von meiner Kunst gelernt zu haben.«
Der Andere gab Albrecht den Sack und der Meister steckte seine Hand hinein, zog sie wieder heraus und band den Sack fest zu, gab ihn alsdann dem Burschen zurück und sprach: »Nun geh schnell und sonder Weilen nach Hause, aber mach den Sack nicht auf, bis du zu Hause bist, was auch geschehen möge. Wenn du ihn da öffnest, dann wirst du etwas schauen; bind‘ ihn aber wieder fest zu und komm und sage mir, was du gesehen.« Des war der Andre froh und er schied von Bruder Albrecht.
Als er eben das Stadttor von Köln im Rücken hatte, da hätte er doch gar zu gern gewusst, was in dem Sacke war. Er setzte sich denn hin und knüpfte ihn auf, doch da sprangen zwei stämmige Kerle heraus, von jeder Seite einer, die trugen Leisten in der Hand und gingen dem Burschen brav zu Leibe, je länger je mehr und schlugen ihn so lang, bis er nicht mehr wusste, wo er war. Zuletzt bedachte er sich, dass Bruder Albrecht gesagt, er müsse den Sack wieder zubinden; das tat er und sogleich verschwanden die Beiden, die ihn so jämmerlich geschlagen hatten. Als er nun von ihnen erlöst war, da wagte er nicht weiter zu gehen, sondern kehrte straks wieder nach Köln zurück und zu Bruder Albrecht, dem erzählte er, wie es ihm ergangen, bat ihn auch mit vielen Worten, dass er den Sack doch machen möge, wie er zuvor gewesen.
Da sprach Bruder Albrecht: »Ich will dir doch noch eine Kunst lehren, damit du noch mehr von meinen Künsten weißt;« der Bursch rief aber in großer Angst: »Ach, nein, edler Meister, ich bitte euch um nichts andres, als dass ihr diese eine Kunst von mir nehmt; eure Künste drücken mich allzu stark, ach, ich bitt‘ euch, Herr, wollt ihr das, ich will nimmermehr eurer Kunst begehren, ich bin genug gestraft.« Da tat der Meister nach des Burschen Wunsch und entließ ihn und der war gar erfreut darob. Als er aber nach Haus kam, da wagte er noch nicht den Sack selbst zu öffnen, sondern ließ einen Andern das tun, denn die Proben von Meister Albrechts Kunst hatte er noch nicht vergessen, vergaß sie auch nicht sein ganzes Leben lang.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 415-416. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671183
Wie Albertus Magnus gelehrt und wieder dumm geworden.
Albertus Magnus war schon früh in den Orden des heil. Dominicus getreten, aber es dauerte nicht lange, da gefiel ihm das geistliche Leben nicht mehr, denn er meinte, dass es ihm an Kopf mangle, um die Tiefen der Gottesgelehrtheit zu ergründen und darum beschloss er, aus dem Kloster zu entfliehen.
Er setzte also eines Abends eine Leiter an die Gartenmauer, um da hinüberzusteigen und fortzulaufen; da aber sah er urplötzlich vier Frauen von gar ehrwürdigem Wesen vor sich stehen, davon stießen zwei ihn zu wiederholten Male von der Leiter. Er hatte aber das Klosterleben so satt, dass er trotzdem zum dritten Male versuchte, die Leiter hinaufzusteigen; da fragte ihn die dritte der Frauen, warum er denn so schändlich weglaufen wollte? Albert sagte ihr, dass er zu dumm wäre, um zu studieren und des Klosters darum überdrüssig wäre. Da sagte die dritte, dann tue er doch besser, statt zu fliehen, den Schutz und Beistand der Mutter Maria sich zu erflehen, welche die vierte Frau wäre und sie andern drei wollten ihm helfen bitten.
Als Albert das hörte, war er wie herumgedreht und er warf sich alsbald vor Maria nieder und klagte ihr sein Leid und bat sie, dass sie doch seine Dummheit von ihm nehmen möchte. Da fragte ihn Maria, welche Wissenschaften er denn am liebsten studieren wolle und ob er lieber die Weltweisheit oder die Gottesgelehrtheit hätte? Albert bedachte sich nicht lange und bat die Mutter Gottes, ihn zu einem tüchtigen Weltweisen zu machen. Darauf sprach Maria: »Das soll dir geschehen, aber weil du Weltweisheit der Gottesgelehrtheit, die dich meinen Sohn hätte besser erkennen lassen, vorgezogen hast, so sollst du am Ende deines Lebens all‘ deine Wissenschaft verlieren und wieder so dumm werden, wie du warst und das soll sein drei Jahre vor deinem Tode.«
Nachdem die Muttergottes das gesprochen, verschwand sie mit den andern Frauen und Albert kehrte zum Kloster zurück, studierte und wurde bald der gelehrteste Mann von der Welt, so dass man ihn den Großen hieß und der Papst ihn endlich gar zum Bischof machte. Er war so kunsterfahren, dass er eine Bildsäule machte, die sprechen konnte und sich bewegte, wie ein lebendiger Mensch; Thomas von Aquin, sein Schüler, hat dieselbe zerstört. Als Albert endlich fühlte, dass die Jahre seiner Dummheit heranrückten, da erzählte er all‘ seinen Schülern von dem Gesichte, welches er gehabt. Er wurde auch dümmer und einfältiger als ein Kind, trug das aber mit Geduld und Ergebenheit und verharrte getreulich in seinen religiösen Übungen bis zu seinem Tode. Zu Köln in der Andreaskirche liegt er begraben.
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 413-415. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671175
Balladen und Gedichte
Albertus Magnus von Lauingen
Die Königin blickt zum Laden aus,
Ein Jüngling stand wohl vor dem Haus,
Sie winkt ihm da,
Daß er sollt zu ihr kommen.
Der Jüngling kam heimlichen dar
Er sprach: Zart edle Fraue klar,
Kein Mann soll sich
In eurem Dienst versäumen.
Da sprach die Königin hochgeboh’rn:
In meinem Dienst hast du geschwor’n
Leibeigen dich,
Das sollst du nun erkennen.
Dein Willen mach dem Meinen gleich,
So wird mein Herz ganz Freudenreich,
Lieblich Begier,
Die will ich dir bekennen.
Er wußt nicht, was sie damit meint,
Sie hätt‘ sich nah mit ihm vereint,
Sein Freiheit er
Vor ihr nicht konnt erhalten.
Sie blickt ihm in das Herz hinein,
Mein’s Leibs must du gewaltig sein,
Der Ehren sein,
Hätt‘ er da kein Gewalte.
Und als der Tag sich anebrach,
Die Königin wohl zu ihm sprach,
Deins Leibs hab ich
Begehrt, der ist mir worden.
Geb dich davon, saum dich nicht lang‘, –
Gar bald er in die Kleider sprang,
Er wußt auch nicht,
Daß ihm folgt nach ein Morde.
Sie nahm ihn fälschlich bei der Hand,
Hin auf ein Brett sie ihn da sandt,
Zuckt an der Schnur,
Das Brett thät mit ihm fallen.
Wohl in ein Wasser ungeheuer,
Darin verdarb der fromm und theuer,
Das falsche Weib
Ließ freudig Lachen schallen.
Aus ihrer Lieb führt nur ein Weg,
Der führte auf den Todessteeg,
Die ihr vertraut,
Acht Jüngling noch gar freie.
So warens mit dem ersten neun,
Die Zahl war ihr noch viel zu klein,
Den zehnten auch
Sucht sie in falscher Treue.
Er war ein hochgelehrt Student,
Ihr Complexion er gar wohl kennt‘,
Er wußt gar wohl
Sie konnt ihn nicht betrügen.
Er blickt sie an durch Kunstes Glas,
Er sah wie sie naturet war,
Er warb um sie,
Ihr List mußt ihm erliegen.
Er zwang ihr Herz mit seiner Kunst,
Er zwang ihr Herz in Liebesbrunst,
Die Königin
Wollt sehnlich ihn umfangen.
Da sagt er ihr ein hartes Wort,
Neun Jüngling seh ich schweben dort,
Die warnen mich,
O Weib, das bringt mir Bangen.
Ein Wasser brauset unter mir,
Dein Bett ein böses Schifflein schier,
Will schlagen um,
Will jenen mich gesellen.
Du führest falsche Segellein,
Du glaubst, ich soll der Zehnte sein,
Du Mörderin
Willst tödten mich in Wellen.
Groß Zorn das Weib der Red empfand,
Sie ließ ihm binden Fuß und Hand,
Ihr Diener mein,
Thut mir den Mann ertränken.
Er blickt sie an, ganz still gemüth,
Er wußt wohl, daß er war behüt,
Man hob ihn auf,
Und wollt ihn schon versenken.
Da brachen seine Strick zur Stund,
Er sprang hinab frei und gesund,
Im tiefen See
Konnt er gar lustig schweben.
Ganz aufrecht als ein Federbolz,
Trat er darin das Wasser stolz,
Wer ihn ermordt,
Dem will sie sich ergeben.
Des faßt manch böser Knabe Lust,
Manch Armbrust zielt nach seiner Brust;
In Vögelein
Die Pfeil sich da verkehren,
Und schwebten um ihn auf und ab.
Die Königin rief da herab:
O hätt ich dich,
Ich wollt dein Kunst zerstören.
Frau Königin, er zu ihr sprach,
Ich trage um neun Knaben Rach,
Neun Vögelein
Die Pfeil sich um mich schwingen.
Nach einem Wald steht mir mein Sinn,
Darin ich euer Vogler bin,
So viel ich fang,
Von euch lehr ich sie singen.
Da schwang er sich zum Wald hindan,
Ihm sahen nach viel Weib und Mann,
Die Königin
Ward bleich an ihren Wangen.
Er setzt sich in den grünen Plan,
Viel Vögelein sich zu ihm nahn,
Mit Listen braucht
Er keinen nicht zu fangen.
Er schwang sich in die Lüfte klar,
Um ihn die laute Vogelschaar,
Ließ nieder sich
Auf eines Thurmes Zinne.
Den Vöglein in die Schnäbel band
Er Brieflein ab, darinnen stand:
Neun mordete
Die Königin um Minne.
Die fliegen wohl durch Stadt und Land,
Man fing sie alle mit der Hand
Da ward die Schand
Wohl allen offenbare.
Ein Vogel bunt in Sonderheit,
Des hätt die Königin ein Freud,
Sie griff nach ihm,
Er setzt sich auf ihr Haare.
Er ließ ihr fallen auch mit List,
Den Zettel zwischen ihre Brüst,
Und flog von dann,
Da las sie ihre Schande.
Das Zettelein sie da zur Stund
Zerriß mit ihrem rothen Mund,
Wohl hin und her
Sie ihre Händlein wandte.
Ihr Schuld kam da wohl klar an Tag,
Der Künstler führt die erste Klag!
Frau Königin,
Albertus ist mein Namen.
Albertus Magnus heiße ich,
Sanktus nennt auch die Kirche mich,
Du hast um mich
Dein Buhlerkunst verloren.
Ein weiser Meister heiße ich,
Du wollst im Zorn ertränken mich,
Da schrie sie laut:
»O Weh daß ich geboren!
O Weh daß ich geboren bin,«
Schrie da die edle Königin,
Verzweifelung
Kam da in ihre Sinnen.
Albertus macht sie da wohl zahm,
Sie stand vor ihm in großer Scham,
Er redt zu ihr
Und ließ sie Muth gewinnen.
Zur Hand gewann sie Reu und Leid,
Zerriss ihr königliches Kleid,
Und legt sich an
Wohl einen grauen Orden.
Albertus lehrt sie in der Beicht,
Wie sie Versühnung wohl erreicht,
Mit strenger Buß,
Um ihre Schuld und Morden.
Vor ihrer Zell wohl achtzehn Jahr,
Neun Vögel sangen traurig gar,
Den gab sie Speis,
Und weinet bitterlichen.
Und da die Zeit verstrichen war,
Da waren es neun Engel klar,
Die führen sie
Wohl in das Himmelreiche.
2.
Die Königin blickt durchs Fenster, ein Jüngling stand da draus:
Sie winkt ihm von dem Söller, er sollte kommen ins Haus.
Er kam und blieb zu Nachte, und als der Tag anbrach:
»Deiner Lieb hab ich genossen, nun geh und säume nicht lang.«
Sie nahm ihn bei den Händen und führt ihn auf ein Bret
An einer Schnur sie zuckte, dass er hinfallen tät.
Hinein in ein tiefes Wasser warf ihn das falsche Weib,
Acht Jünglinge daneben, die kamen um ihren Leib.
So warens ihrer neune, die Zahl war viel zu klein:
Den zehnten tät sie suchen, Albertus sollt es sein.
Der schaut in ihre Herze durch seine schwarze Kunst,
Der ließ sich nicht betrügen von der Königin Liebesbrunst.
»Neun Knaben seh ich schweben hier in der Kammer herum,
Dein Bett hier ist ein Schifflein, will mit mir schlagen um.«
Die Königin wurde zornig, ließ ihm binden Fuß und Hand:
»Ihr Diener, ihn zu versenken, werft ihn vom Meeresstrand.«
Und wie sie ihn geworfen tief in den Meeresgrund,
Da brachen seine Stricke, frei schwamm der Knab zur Stund.
»Wer ihn ermordet, ich gebe mich ihm mit Leib und Blut!«
Da zischten viele Pfeile recht auf des Jünglings Brust.
Und wie der Jüngling winket, da werden zu Vögel die Pfeil:
Der Jüngling steht im Walde, im Walde frei und heil.
Den Vögeln in die Schnäbel er seine Brieflein band;
Die Königin mordet neune, darauf geschrieben stand.
Sie flogen über die Haide, wohl über Stadt und Land,
Der falschen Königinne zu offenbaren die Schand.
Albert der Große, geb. 1193 zu Lauingen, Dominikaner zu Köln, Paris, Rom, Bischof von Regensburg, gest. zu Köln 1280
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 410-413. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671167
Das seltsame Gastmahl
Von K. Egon Ebert
Einst lebt‘ ein Mönch zu Köln am Rhein,
Der manches Wunder schuf,
Halb in des Zaubrers argem Schein,
Halb in des Frommen Ruf;
Albertum Magnum hieß man ihn,
Und weil er immer hold erschien,
So war er gern gelitten
In Volks und Hofes Mitten.
Der ging den Kaiser Wilhelm an:
»Herr, oft an deinem Mahl‘
Hab ich Bescheid dir schon getan
Aus goldenem Pokal;
Da du so lang geehrt mich hast,
So sei auch du einmal mein Gast
Mit deinen Dienern allen
In meinen Klosterhallen.«
Der Kaiser sprach: »Mein Wort zum Pfand;
Doch dich begreif ich kaum,
Hast du der Diener g’nug zur Hand,
Und für uns Alle Raum?
Für fünf ist schmal die Zelle dein,
Der Klostersaal ist eng und klein,
Wenn ich zu dir mich finde
Mit allem Hofgesinde.«
»Drum lass du sorgen deinen Knecht,
Er wird sich Raum erseh’n,
Es wird wohl Alles gut und recht
Und nach Gefallen geh’n.«
Hin ging der Mönch, als er so sprach;
Der Kaiser lacht‘, und blickt ihm nach –
»Das wird ein Gastmahl werden,
Wie keines noch auf Erden!«
Doch als der Tag des Mahles kam,
Da rief er sein Geleit,
Und warm Gewand ein Jeder nahm,
Ein pelzverbrämtes Kleid;
Denn draußen strich der Wind gar wild,
Die Straßen waren schneeverhüllt,
Die Flüss‘ und Bäch‘ und Bronnen
Mit Eisglanz übersponnen.
Sie ritten vor das Klosterthor,
Das weit schon offen war,
Albertus Magnus stand davor
In vieler Knaben Schaar;
Der Knaben fünfzig schön und zart,
Sie nahten sich mit feiner Art
Und nahmen ab die Rosse
Dem Kaiser und dem Trosse.
Dann ging der Mönch den Herr’n voran
Durch manchen dunkeln Gang,
Bis er ein Pförtlein aufgetan,
Draus Helle blendend drang,
D’raus Helle, wie vom sonn’gen Tag,
Sie kam vom Schnee, der üb’rall lag,
Da standen voll Erwarten,
Die Gäst‘ im Klostergarten.
Der Mönch schritt immer weiter fort,
Der Kaiser folgte stumm
Bis mitten in den freisten Ort,
Dort sah er staunend um;
Dort stand die Tafel lang und breit,
Und hundert Schüsseln d’rauf gereiht,
Doch unten Schnee und oben
Der Himmel dunstumwoben.
Wohl harrten fünfzig Knaben hier
In goldner Kleider Schein,
Wohl strahlte der Geschirre Zier,
Wohl funkelte der Wein;
Doch standen rings auch Baum und Strauch
Im Winterkleid‘, vom Reife rauch,
Und rauschten mit den Ästen
Willkommensgruß den Gästen.
Ein Murren schlich sich durch den Kreis,
Schon war’s dem Schelten nah,
Und Einer sprach zum Andern leis:
»Der Teufel speise da!«
Doch weil der Kaiser ruhig war,
So blieb es auch die Dienerschar,
Sie setzten sich zu Tische
In dieser Winterfrische.
Da sprach der Mönch: »Ihr lieben Herr’n,
Bei diesem Festgelag
Da wolltet ihr gewisslich gern
Heut einen Sommertag;
Wohlan, ich bin der gute Mann,
Der nichts dem Gast versagen kann
Es soll sich euer Willen
Im Augenblick erfüllen!«
Und einen Becher trank er aus
Die Augen glanzerhellt,
Den Andern goss er weit hinaus
In’s winterliche Feld,
Und wo ein Tropfen sich ergoss,
Der Schnee in weitem Kreis zerfloss,
Man sah hervor mit Blinken
Den frischen Rasen winken.
Und plötzlich hauchte linde Luft
Der Gäste Wangen an,
Und Wohlgeruch, wie Veilchenduft,
Strich sachten Zugs heran;
Am Himmel riß der Nebeldampf,
Es ward ein wilder Wolkenkampf,
Zuletzt mit warmem Strahle
Schoß Sonnenglanz zu Thale.
Da ward es oben licht und blau
Und unten mählig grün,
Der kalte Schnee ward weich und blau
Und floss in Strömen hin;
Die spitzen Halme strebten auf,
Und Knospen guckten frisch herauf,
Die Bäume, froh erschrocken,
Entschüttelten die Flocken.
Und wärmer ward der Sonne Blick,
Er borst des Springbrunn’s Eis,
Er schoss hinauf und fiel zurück
Und sprühte hell im Kreis,
Und in der Beete weitem Rund
Erblühten Blumen dicht und bunt,
Und rings begann an Zweigen
Sich Blüt‘ und Blatt zu zeigen.
Zugleich erhob sich wirrer Zug
Von Käfern aller Art,
Der Falter kam im leichten Flug,
Die Biene, dicht geschart,
Und Zeisig, Fink und Nachtigall
Wetteiferten in hellem Schall
Und sangen frohe Lieder
Von allen Bäumen nieder.
Und während ihres muntern Sangs
Ging hoch die Sonn‘ empor,
Und heißer ward’s und mächt’gen Drangs
Stieg Blum‘ an Blum‘ hervor,
Zum Fruchtkeim ward die Blüt‘ in Hast,
Bald hingen rings an jedem Ast
Im gold’nen Sonnenlichte
Die glutgereiften Früchte.
Wie staunten da den Wundermann,
Dem solch ein Werk gelang,
Der Kaiser und die Seinen an,
Halb froh und halb auch bang;
Sie starrten lautlos um sich her,
Der Ritter keiner murrte mehr,
Sie hatten All‘ vergessen
Das Trinken und das Essen.
Zuerst erhob der Kaiser sich,
Und sprach mit mildem Laut‘:
»Nicht fassen kann man sicherlich,
Was heute wir geschaut;
Doch danken wir dem Gastherrn gut,
Der uns erschuf die Sommerglut,
Und freuen uns auf’s Beste
Bei diesem Wunderfeste!«
Und wegwarf er von Brust und Arm
Das läst’ge Winterkleid,
Die Speise war noch völlig warm,
Er tat ihr ernst Bescheid,
Und Alle tranken nun in Ruh‘
Gesundheit ihrem Wirte zu
Und freuten sich des Tages
Im Jubel des Gelages.
Erst als der Sonne Scheidestrahl
Schon trüb herniederfloss,
Erhoben sich vom reichen Mahl
Der Kaiser und sein Tross;
Der Mönch gab wieder das Geleit,
Und draußen fanden sie verschneit
In hochgetürmten Massen
Die hartgefrornen Straßen.
Da sprach der Kaiser: »Was wohl mag
So seltnem Wirt ich bieten,
Für seinen goldnen Sommertag,
Die Lieder und die Blüten?
Du schufst im engen Klosterraum
Mir einen schönen wachen Traum,
Auch ich lassmich nicht schelten,
Und will ihn dir vergelten.
Ich will in Dein‘ und Klosters Hut
Zu ew’gem Angedenken,
Der Güter mein das beste Gut
Mit Land und Leuten schenken;
Doch sorge wohl, dass Sonnenschein
Das ganze Jahr lang müsse sein
Und nimmer Winter werde
Auf deiner eignen Erde.«
»Herr Kaiser,« sprach der Mönch darauf,
»Auf das will ich verzichten,
Die Welt hat ihren rechten Lauf
Bei Schnee und Blüt und Früchten,
Was heut‘, was einmal ist gescheh’n,
Das wird kein Auge wieder seh’n,
Und nimmer ich’s begehre,
Was dir geschah zur Ehre.«
»Der Himmel hat der Gaben viel,
Der Gnad auf mich ergossen
Doch brauch ich sie zum falschen Ziel,
So mag er mich verstoßen;
Er half mir heute beim Gelag –
Doch jeder Tag ist Sommertag,
An welchem sich in Treuen
Die Guten schuldlos freuen.«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 417-420. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671205
Der Lilienstengel
Von AugustSchnezler
An dem alten braunen Tische
Einst Albertus Magnus saß,
Langte sich aus einer Nische
Manches Buch und schrieb und las;
Dachte hin und dachte her
Über Gottheit, Welt und Leben,
Doch der Kopf ward ihm nur mehr
Voll gelehrter Spinneweben.
Eifrig tät er sich befleißen
Der geheimen Wissenschaft,
Spähte nach dem Stein der Weisen
Und nach der Gestirne Kraft;
Dachte hin und dachte her
Über Menschen, Thiere, Pflanzen,
Doch der Kopf ward ihm nur schwer,
Und er kam zu keinem Ganzen.
Wie nun in die Folianten
Er so tief versunken saß,
Forschend nach dem Unbekannten,
Das Bekannte schier vergaß:
Öffnet stille sich die Tür,
Und ein Mädchen wie ein Engel
Tritt an seinen Tisch herfür,
Haltend einen Lilienstengel.
Glanzumstrahlend ihre Locken
Wie aus himmlischem Gefild,
Und Albertus sieht erschrocken
Plötzlich dieses Wunderbild;
Doch die Jungfrau spricht ihn an,
Lächelnd mild ihr Antlitz blicket:
»Sag Albertus! Welch ein Wahn
Hielt so lange dich umstricket?
In der Wesen Quell zu dringen,
Mühst du dich vergeblich ab;
Kann der schwache Mensch erzwingen,
Was ihm die Natur nicht gab?
Willst du denn im Bücherstaub
Suchen deine ganze Nahrung?
Geh! des Waldes Frühlingslaub
Giebt dir bessre Offenbarung!
Auf! beginn‘ ein neues Leben!
Noch fünf Jahre sind jetzt dein;
Wer die Schleier nicht kann heben,
Lern‘ im Glauben selig sein!
Drum von heut an sollst du nie
Über Gott und Welt mehr grübeln,
Solcherlei Philosophie
Ist das schlimmste von den Übeln.«
Mit dem Lilienstengel leise
Rührt das Mädchen Alberts Stirn –
Hell auf wundersame Weise
Fühlt der Greis nun sein Gehirn,
All‘ seine Philosophie
Drin vergessen und verschwunden,
Doch dafür hat er noch nie
Sich so leicht und wohl empfunden.
Und die Jungfrau war geschieden
Hin woher sie kam, zurück;
Und der Greis fand endlich Frieden
Endlich das ersehnte Glück;
Alle Bücher schlug er zu,
Draußen auf den grünen Triften
Las er Glauben, Weisheit, Ruh,
In den Stern- und Blumenschriften.
Einstmals einen Lilienstengel
Hielt er sinnend in der Hand,
Wohl gedenkend an den Engel
Der einst mahnend vor ihm stand –
Denn fünf Jahre waren um.
Sanfter Schlaf umfing den Greisen;
Im verhüllten Heiligtum
Fand er wohl den Stein der Weisen.
Quelle:Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 404-405. Permalink: http://www.zeno.org/nid/2000567588X
Die Freundesprobe
Von August Schnezler
»Wie, großer Meister! kann ich Euch beweisen,
Dass ich bin würdig Euer Freund zu heißen?
Wie dank‘ ich Euch, was Ihr für mich getan?«
Albertus Magnus lächelte: »Geduldig!
Ich weiß, mein Freund, du bleibst mir nie was schuldig;
Vielleicht kommt noch die Zeit heran!«
»Bald wirst du reich und mächtig sein auf Erden,
Ich aber kann ja leicht zum Bettler werden,
Dann erst verlang‘ ich Dank und Lohn von dir;
Ich bin gewiss, du stoßest dann im Glücke
Den armen Freund nicht stolz von dir zurücke;
Ich glaube fest, dann hilfst du mir!«
Nun sinnt Albertus, wie er den Gesellen
Auf eine feine Probe könne stellen,
Ob seine Freundschaft sei kein leerer Wahn;
Und schnell entschlossen ruft er seine Geister,
Und einem jeden aus der Menge weist er
Beim Zauberspiel die Rolle an.
»Verwandelt euch in Ritter und Vasallen!
Führt meinen Freund in reichgeschmückte Hallen
Von einem wunderherrlichen Palast;
Bekleidet ihn mit königlicher Hülle,
Gebt Golds und aller Güter ihm die Fülle,
Was er nur wünscht, bringt ihm mit Hast!«
Gesagt, getan. Bald sitzt er auf dem Throne,
Vom Haupt des neuen Königs blitzt die Krone,
Mit Jubel grüßet ihn des Volkes Schar;
Er schwelgt in aller Wonnen Überflusse,
In aller Fürstenherrlichkeit Genusse
In tiefem Frieden so drei Jahr.
Allein es wächst sein Geiz mit jedem Tage,
Und einstmals tritt beim festlichen Gelage
Im Lumpenkleid ein Bettler vor ihn hin:
»Heil dir, o Fürst! in deines Glückes Schimmer,
Gedenkst du deines Freunds Albertus nimmer?
Willst du der Not ihn jetzt entzieh’n?«
Allein der König ruft ergrimmt: »Man führe
Schnell diesen frechen Bettler vor die Türe!
Wer war so keck und ließ ihn zu mir ein?
Wenn ich mich jedes Lumps erinnern sollte,
Der mich gekannt will haben, ei! da wollte
Ich lieber nimmer König sein!«
Da ruft der Bettler: »Sorge nicht, Geselle!
Verschwinde Spuck!« – Und an derselben Stelle
Steht wieder unser Freund, wo er einst sprach:
»Wie, großer Meister! kann ich Euch beweisen,
Dass ich bin würdig, Euer Freund zu heißen?«
Und sinnt bestürzt der Wandlung nach.
»Verschwunden sind die zauberischen Hallen,
Verschwunden alle Ritter und Vasallen,
Und jede Spur von Königsherrlichkeit;
Albertus steht vor ihm und ruft mit Hohne:
Ein Traum war all dein Glanz und deine Krone,
Ein Nu blos die drei Jahre Zeit!«
»Herr Erfürst! schämet Euch, und sucht gelassen
Euch wieder in der Armut Stand zu fassen;
Mög‘ diese Prüfung Euch zur Lehre sein:
Nie wird die wahre Freundschaft übermütig!
Nun aber packt Euch fort und seid so gütig,
Und sprecht ja nimmer bei mir ein!«
Quelle: Alexander Schöppner: Sagenbuch der Bayer. Lande 1–3. München 1852–1853, S. 420-422. Permalink: http://www.zeno.org/nid/20005671213