Geschichte der Nikolaikirche Isny

Die Nikolaikirche Isny war ein Zentrum der Reformation in Oberschwaben und in der Predigerbibliothek befinden sich aus jener Zeit zahlreiche historische Schriften und Inkunabeln. Die Nikolaikirche ist eine dreischiffige Pfeilerbasilika (erbaut 1284 bis 1288), an deren romanischen Bau 1455¹ ein spätgotischer Chor mit Sternrippengewölbe  angefügt wurde. 1462 wurde eine Prädikaturstiftung eingerichtet und 1472 der Kirchturm umfassend erneuert. Um diese Zeit wurde auch die Eberz’sche Kapelle (mit Sternrippengewölbe) an die Südseite der Kirche angebaut. Dort befand sich der Katharinenaltar, den ich Ivo Strigel zuordne und von dem sich Teile im Dominikanermuseum in Rottweil befinden. 1508 wurde der Chor mit einem  prächtigen Netzrippengewölbe im spätgotischen Stil fertig gestellt.² Im zeitlichen Zusammenhang könnte die Werkstatt der Künstlerfamilie Strigel nach Ende der Bauarbeiten mit der Herstellung des Hochaltars beauftragt worden sein – Teile des Altarretabels von Bernhard Strigel, die „aus Aulendorf oder Isny“ stammen sollen, sind um 1515-1525 datiert. Mit Stand vom März ’24 gehe ich von 2 unterschiedlichen Altären aus – einer aus der Gegend von Aulendorf und der zweite aus Isny. Ich suche noch die Quelle, mit der die Provenienz endgültig bewiesen wird.

Weitere Seiten zur Nikolaikirche und zu den Altarretabeln


Kirche St.Georg, Nikolaikirche Isny und Wassertor im Isnyer Winternebel

Die Nikolaikirche Isny wurde als Marktkirche / Leute-Kirche neben der Klosterkirche St. Georg erbaut – eventuell als romanische Kirche bereits vor der Klosterkirche. Beim ersten großen Stadtbrand 1284 brannten mit dem Kloster und dem größten Teil der Stadt auch die Kirchen ab. 1288 wurden die Kirchen auf Anweisung von Heinrich von Brunow neu errichtet. Aus dieser Zeit stammen die Umfassungsmauern des Langhauses, die Rundbogenfenster des nördlichen Lichtgadens, die Arkadenbögen im Innern und der Turm bis zur Glockenstube.

Plan der Nikolaikirche Isny vor 1970 mit Beschriftung
Plan der Nikolaikirche Isny vor dem Umbau 1970

 

Nach dem Stadtbrand 1631 – bei dem auch die Nikolaikirche in weiten Teilen zerstört wurde – wurde der Wiederaufbau in knapp 15 Jahren vollzogen. „Anno 1642 wurde die Kanzel gebauet, welche 150 fl gekostet. Dieses bezahlte Herr Gordian Wolff und verehrte es in die Kirche.“7 . Die Kanzel war nach protestantischer Überzeugung das Zentrum der Kirche – von dort wurde das Wort Gottes verkündet (im Plan braun markiert). Das Taufbecken befand sich links vom Altar (im Plan blau markiert).

Beim Umbau 1970/72 wurde die Kanzel an die erste Säule im linken Seitenschiff versetzt und das Taufbecken ans südliche Seitenschiff. Der ➥  Katharinenaltar (eigenes Kapitel) war verschollen – Teile davon konnte ich im Dominikanermuseum in Rottweil finden.  Beim „Bildersturm“ der Reformation im 16.Jahrhundert, als Heiligenverehrung in reformierten Kirchen nicht mehr geduldet wurde – war er aus der Kirche entfernt – und eingelagert worden. Über den Kunstsammler und Pfarrer Dursch kam er Mitte des 19.Jahrhunderts nach Rottweil.
Vier Tafeln mit Heiligenbildern des Hauptaltares, die Isny zugeordnet werden, wurden 1945 durch Luftangriffe in Berlin in einem Flakturm zerstört. Es existieren nur noch s/w-Fotos (siehe den ➥ Artikel über den verschwundenen Strigelaltar der Nikolaikirche)

Abbildungen

➥ https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:St._Nikolaus_(Isny_im_Allgäu)

Reformation

Die über den Flachs- und Tuchhandel zu Wohlstand gekommenen Bürger der Stadt Isny waren um das Jahr 1500 mit dem innerhalb der Stadtmauern liegenden Kloster immer mehr uneinig. So wurde Isny eines der Zentren der Reformation im Allgäu, nahm 1529 in Speyer an der Protestation der evangelischen Stände teil und wurde protestantisch. 1531 trat Isny dem Schmalkaldischen Bund, dem Bündnis protestantischer Reichsstände, bei. Im Schmalkadischen Krieg gewannen die kaiserlichen Truppen 1547 die Oberhand und am 28. Oktober des Jahres 1548 wurde in der dem Kloster zurückgegebenen Kirche St. Nikolaus wieder die Messe wieder gefeiert werden. Erst Jahrzehnte später – 1583 – ging die Nikolaikirche endgültig an die Stadt über.10

siehe ➥ Reformation in Isny

Stadtbrand 1631

Beim großen Stadtbrand 1631 brannte die Kirche – bis auf Chor und Sakristei mit Prädikantenbibliothek – erneut aus. Wie durch ein Wunder wurde die Prädikantenbibliothek im Turm – und wohl auch der Hochaltar im Chor – vom Feuer verschont – und ist so noch im Originalzustand erhalten geblieben. Trotz der schweren Kriegszeiten – mitten im Dreißigjährigen Krieg – wurde schon 1634 mit dem Wiederaufbau begonnen und zog sich bis 1643. Der Turm wurde erhöht und erhielt seine heutige Zwiebelhaube.

Schubert benennt die Stifter des Taufsteines:
„Anno 1641 wurde der Tauff-Stein von rothem Marmelstein gemachet welcher 140 fl kostete, welches Geld folgende Frauen aus ihren Sparhafen hergegeben und in die Kirche verehrt haben: Fr. Sara Leonhard Eberzin, Fr. Christina Ulrich Baldenhofferin, Fr. Regina Jerg Baldenhofferin, Fr. Catharina Christoph Wölffin, Fr. Anna Catharina David Wölffin, Fr. Anna Maria Abraham Eberzin, Fr. Magdalena Johannes Eberzin, Fr. Ursula Hans Christoph Zoblin, Fr. Hanß Conrad Långin, Fr. M. Johann Porzeliussin und Fr. M. Hans Jacob Großin. Auf diesem Tauff-Stein sind hernach zum ersten mal des Thomas Wachters zwey Söhne Zwillinge getaufft worden.“7

„Anno 1644 wurde der untere Altar von Holz gemachet, welcher in allem 137 fl gekostet. Dazu hat solches Geld Jacob Eberz der jüngere des Leonhard Eberz feel Sohn in die Kirche verehrt. In eben diesem Jahr sind die Bilder zum obern Altar aufgesetzet worden welche mein Ur-Groß-Vater seelig Hanß Rudolph Specht zu mahlen und zu vergulden die Ehre gehabt hat. Die Bilder kosteten vom Bildhauer 200 fl und alles zusammen sie samt der grossen Tafel zu mahlen 412 fl. Dieses Geld hat Herr Jacob Eberz der ältere in die Kirche verehrt, dahero sein und seiner Frauen Magdalena gebohrner Burkhardin Wapen oben aufgesetzt worden und in dem alten Leichen-Buch ist ihm so wohl deßwegen, als auch weil er zu Entrichtung der sehr beschwerlichen Kriegs Contributionen jährlich ein nahmhafftes und rühmliches hergeschossen, dieser Wunsch in die Ewigkeit nachgeschickt worden. Der Allmächtige getreue Gott wolle ihm solche Wohlthaten in der Ewigkeit in Gnaden vergelten.“8 

„Anno 1654 haben folgende Frauen Tauff-Stein-Deckel, welcher schon Anno 1646 war gemacht worden, auf ihre Kosten mahlen lassen: Frau Christina Ulrich Baldenhofferin gebohrne Eberzin, Fr. Catharina Christoph Wölffin, gebohrne Eberzin, Fr. Anna Maria Abraham Eberzin, gebohrne Eberzin, Fr. Johannes Eberzin, gebohrne Burkhartin, Fr. Anna Catharina Raimund Feuersteinin, gebohrne Wölffin, Fr. Hank Jerg Wölffin, gebohrne Hillerin, Fr. Veronica Matthis Schmidin, gebohrne Habißreutingerin, Fr. Ursula Leonhard Habißreutingerin, gebohrne Schmidin, Fr. Susanna D. Johann Regulfillingerin, gebohrne Habißreutingerin, Stadtschreiber Fischerin und Fr. Conrad Reiserin, von welchen die meisten bis 3 fl gegeben.“9

1689 stürzte das Südschiff ein. Die Ursache ist skurril – ich habe diese Geschichte in das Kapitel zu den ➥  „Isnyer Katastrophen“ aufgenommen.

Postkarte der Nikolaikirche im neugotischen Stil der Umgestaltung von 1854-1860. Die Postkarte um 1930 zeigt die  alte Orgel und die Bemalungen der Bögen an den Stützpfeilern der Seitenschiffe. Im Vordergrund der neugotische Altar.

 

Renovierungen und Umgestaltungen

In den Jahren 1854 bis 1860 wurde das Gotteshaus neugotisch ausgestattet. Die Kirche erhielt Altäre, Fenster und Türen im neugotischen Stil jener Zeit (wie im Foto dargestellt).  Der alte Hochaltar war nach dem Stadtbrand 1631 im barockisierenden Stil gestaltet worden, auch die Kanzel und das Taufbecken stammen noch aus jener  Zeit. Der Verbleib des Barock-Altartetabels ist unbekannt. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts – als die Kirche noch katholisch geweiht war, befanden sich in der Kirche (wie in katholischen Kirchen üblich) noch mindestens 7 Altäre der Kapläne.  Diese wurden zwischen 1520 und 1531 im Bildersturm der Reformation entfernt, jedoch nicht zerstört. Der Hochaltar jener Zeit stammte von einem der berühmtesten Maler des 16.Jahrhunderts. ➥ Bernhard Striegel lebte am Übergang von der Spätgotik zur Renaissance und war Hofmaler von Kaiser ➥ Maximilian I. Strigel nimmt in der Portraitkunst bis heute einen besonderen Platz in der Kunstgeschichte ein. Diesem Altar habe ich ein eigenes Kapitel gewidmet und versuche darin eine Rekonstruktion des Altars, der in seine Einzelteile zerlegt und verkauft wurde. Teile des ➥ Strigelaltarretabels sind als Schmuckstücke in der Kunsthalle Karlsruhe und in der Gemäldegalerie Berlin ausgestellt.
https://oberschwabenschau.info/landkreiseorte/rv-kreis-ravensburg/88316-isny-im-allgaeu/nikolaikirche/bernhard-strigel-altar-isny/

Vermutlich in der Eberzkapelle stand ein ➥“Katharinenaltar„, der mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von Ivo Strigel aus Memmingen gestaltet wurde (Vater von Bernhard Strigel) . Mehrere Tafeln dieses Altarretabels befinden sich heute im Dominikanermuseum in Rottweil.

1959 erfolgte eine Sanierung der Westfassade, 1968–72 eine Gesamtrenovierung. Nach der Fassadensanierung von 1987 wurden 2005/2006 umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt. ‚ (Wikipedia)

„Der Turm und das Mauerwerk der Kirche waren um 1965 in einem so schlechten baulichen Zustand, dass man sogar ihren Abriss befürchten musste. Im Schiff stellte man Blechwannen auf, um eindringendes Regenwasser aufzufangen! (…) Erhalten blieb, was an schöner, gediegener Ausstattung des Wiederaufbaus von 1636-1644 noch vorhanden war: Kanzel und Taufstein, Holzfelderdecke und Gestühl in den Seitenschiffen, Opferstock und handgeschmiedete Türen. Kanzel und Taufstein wurden versetzt“. Bei der Renovierung 1968-72 wurden die Fenster im Chor ersetzt. Ersetzt wurde dabei auch das Fenster mit der Abbildung Martin Luthers sowie der neugotische Hochaltar. Außer der geschnitzten Emporenbrüstung, dem Tauffenster und den Fenstern der Eberz’schen Kapelle (Sakristei) blieb von den neugotischen Einbauten nichts mehr übrig. 5

Ehemaliges Chorfenster der Nikolaikirche mit Abbildung vom Martin Luther
Der neugotische Hochaltar der Nikolaikirche (um 1910, entfernt bei der Renovierung 1968-72)5

Glockenturm und Geläut

Ein Artikel des Isnyer Architekten Helmut Morlok6   über den Glockenturm, die statischen Probleme und mehrere Umbauten ist am Server der Uni Heidelberg abrufbar (s.Fußnote).
Zitat daraus:
„Neben der auch über die Landesgrenzen hinaus bekannten Prädikantenbibliothek aus dem 15. Jahrhundert mit ihren über hundert Schriften von Luther, Melanchthon und Zwingli birgt die evangelische Nikolaikirche in Isny noch einen zweiten Schatz: das Glockenquartett des lothringischen Gießers Claude Rosier von 1643…
…Wie in zahlreichen anderen Kirchengemeinden mussten 1942 auch in Isny die „Zwölfuhrglocke“, die „Gebetsglocke“ und das „Kindsglöcklein“ zum Einschmelzen für die Rüstungs- und Kriegsproduktion abgehängt und eingeliefert werden.
Während die „Große Glocke“ in St. Nikolai verbleibt, wurde die „Abendmahlsglocke“ aufgrund ihres kunsthistorischen Wertes gegen die weniger wertvolle Glocke der evangelischen Kirche in Kißlegg getauscht.
Zwei der Glocken, die „Zwölfuhrglocke“ und die „Gebetsglocke“, wurden nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf dem „Glockenfriedhof“ in Lünen aufgefunden und zurückgebracht. Sie trafen zusammen mit vier kleineren Glocken der katholischen Kirche St. Georg am 19. April 1948 in Isny ein (Abb. 6). Die „Kindsglocke“ blieb jedoch verschollen. … Dank der Heimholung der 1942 nach Kißlegg transportierten „Abendmahlsglocke“ konnte (im Jahr 2002) das Isnyer Geläut von Rosier wieder vollständig zusammengeführt werden.“

Links

Wikipedia
Nikolaikirche und Prädikantenbibliothek
Die Prädikantenbibliothek
Die Prädikantenbibliothek – eine Einführung von Pfarrer Schmid
Reformation und Gegenreformation – wie Isny evangelisch wurde
Paul Fagius
Paul Fagius – Der Reformator

Anmerkungen:
¹ In der östlichen Chorwand ist eine Tafel mit folgender (ins Deutsche übersetzten) Inschrift eingelassen:
„Im Jahr 1455, am Vorabend des Hl.Johannes des Täufers, wurde die Erneuerung des Turmes vollendet. Damals saß Calixt III. auf dem päpstlichen Stuhl und war Friedrich III. römischer Kaiser.“ (zit. aus: Immanuel Kammerer: Isny im Allgäu – Bilder einer Reichsstadt, Verlag des Heimatpflegers von Schwaben, Kempten, 1956, Seite 99)
² siehe Kammerer, a.a.O., S.100
³ zitiert aus: Schmid, Helmut: Ain Librej zu den Büchern – Die mittelalterliche Predigerbücherei der Nikolaikirche zu Isny, Kreissparkasse Ravensburg, ISBN 3-00-005711-0, ohne Jahr (um 1972)
4 Schmid, Helmut, a.a.O., S.30
5 Schmid, Helmut:Isny – Bilderbuch einer württembergischen Allgäustadt, Isny-Neutrauchburg 2001, S.68, ISBN 3-00-0081119-4
6  Morlok, Helmut: O Gott gieb alzeit zu unserm Klang in Isny deinen gueten Forthgang – Über die Wiederherstellung des barocken Geläuts in der evangelischen Kirche
St. Nikolai in Isny (Landkreis Ravensburg), Denkmalpflege in Baden-Württemberg 4, 2008
https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/nbdpfbw/article/download/11906/5763
7  Johann Heinrich Specht: Isnisches Denkmal, welches in sich fasset eine gewisse Nachricht von der löbl. Reichsstadt Isni, von ihrem Namen, Ursprung, Reformation …, 1750, Seite 61
https://books.google.de/books?id=QKepSYrij2YC&hl=de&pg=PA61
8 a.a.O, S.66
9 a.a.O, S.67

10 Reformation in der benediktinischen Geschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts: Das Abbatiat des Elias Frei in Isny (1538-1548) in Georg Doblers , Gründlich und ausführlicher Bericht‘ von 1767: Einleitung, Edition und Kommentar, S.246
https://www.researchgate.net/(.,.)Reformation_in_der_benediktinischen_Geschichtsschreibung_des_18_Jahrhunderts_Das_Abbatiat_des_Elias_Frei_in_Isny_1538-1548(…).pdf

 

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